Dovifat, Emil
- Dates of Life
- 1890 – 1969
- Place of birth
- Neutral-Moresnet bei Aachen
- Place of death
- Berlin-West
- Occupation
- Zeitungswissenschaftler ; Publizist ; Medienwissenschaftler
- Religious Denomination
- römisch-katholisch
- Authority Data
- GND: 118680595 | OGND | VIAF: 32035523
- Alternate Names
-
- Dovifat, Emil Alfons Wilhelm
- Dovifat, Emil
- Dovifat, Emil Alfons Wilhelm
- Dovifat, E.
- Dovifat, Emil, Fachmann für Journalismus und Publizistik, Deutschland
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Dovifat, Emil Alfons Wilhelm
1890 – 1969
Zeitungswissenschaftler
Emil Dovifat war ein einer der ersten Professoren für Zeitungswissenschaft in Deutschland. Er verfasste mehrere Standardwerke, machte sich um die Institutionalisierung des Fachs verdient und gilt als Wegbereiter der heutigen Kommunikationswissenschaft sowie als Nestor der bundesdeutschen Journalistenausbildung. Umstritten sind seine Rolle im nationalsozialistischen Deutschland und sein Beitrag zu einer Wissenschaft der Publizistik.
Dates of Life
Geboren am 27. Dezember 1890 in Neutral-Moresnet bei Aachen Gestorben am 8. Oktober 1969 in Berlin-West Grabstätte Friedhof Zehlendorf in Berlin Konfession römisch-katholisch -
Author
→Patrick Merziger (Gießen)
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Citation
Merziger, Patrick, „Dovifat, Emil“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118680595.html#dbocontent
Dovifat legte 1911 auf dem Realgymnasium im Kölner Vorort Nippes das Abitur ab und studierte anschließend Geschichte, Germanistik, Philosophie und Nationalökonomie in München und Leipzig, wo er eine Veranstaltung bei dem Nationalökonomen und Pionier der deutschen Zeitungswissenschaft, Karl Bücher (1847–1930), besuchte. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete sich Dovifat freiwillig, diente als Soldat an der Westfront und erlitt im März 1917 eine schwere Kriegsverletzung, mit der er zeitlebens zu kämpfen hatte.
Im Oktober 1918 wurde Dovifat bei dem Historiker Erich Brandenburg (1868–1946) mit der Dissertation „Die öffentliche Meinung in Sachsen um das Jahr 1840“ zum Dr. phil. promoviert. Er wandte sich dem Journalismus zu und sammelte nach dem Ende seines Volontariats von 1919 bis 1921 erste Erfahrungen als Redakteur bei der „Frankfurter Oder-Zeitung“ und der „Ostsee-Zeitung“ in Stettin (Westpommern, heute Szczecin, Polen). Im April 1921 wechselte er als Leiter des Ressorts Sozialpolitik zur Berliner Tageszeitung „Der Deutsche“, einem Organ des Christlichen Deutschen Gewerkschaftsbunds. Dovifat verstand seine journalistische Tätigkeit als Beitrag zu einer katholisch, nationalen und unternehmerfreundlich orientierten Arbeiterbewegung. Er engagierte sich seit 1919 im Reichsverband der Deutschen Presse, dessen Berliner Bezirksverband er von 1923 bis 1928 leitete, und war 1926 Mitgründer der Versorgungsanstalt der deutschen Presse. Politisch unterstützte er bis zu deren Auflösung 1933 die Zentrumspartei und stand dem Vorsitzenden Heinrich Brüning (1885–1970) nahe.
Im Februar 1924 ging Dovifat als Assistent Martin Mohrs (1867–1927) an das Deutsche Institut für Zeitungskunde (DIZK) der Universität Berlin, dessen stellvertretender Direktor er im Februar 1925 wurde. Im selben Jahr legte er in der von Kurt Wiedenfeld (1871–1955) herausgegebenen Reihe „Die deutsche Wirtschaft und ihre Führer“ die Überblicksdarstellung „Die Zeitung“ vor, in der er argumentierte, Zeitungen bräuchten einen Führer, der Leserinnen und Leser zur kulturellen und politischen Reife leiten müsse. Aus einer Reise in die USA zum Studium des dortigen Pressewesens ging 1927 das Buch „Der amerikanische Journalismus“ hervor, in der Dovifat das Klischee einer materialistisch orientierten Sensationspresse zeichnete, die der deutschen Kultur wesensfremd sei.
Im Juli 1928 wurde Dovifat Direktor des DIZK und erhielt eine außerordentliche Professur für Zeitungswissenschaft und allgemeine Publizistik. Das DIZK gab unter seiner Ägide mehrere pressestatistische Handbücher heraus, darunter das „Handbuch der Weltpresse“ (1931, 1934 u. 1937) und das „Handbuch der Deutschen Tagespresse“ (1932, 1934, 1937 u. 1944). Große Verbreitung fand Dovifats „Zeitungswissenschaft“, die 1931 in zwei schmalen Bänden erschien. Sie erfuhr als „Zeitungslehre“ bis 1976 – in ihrem Duktus den jeweiligen politischen Verhältnissen angepasst – sechs Neuauflagen.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme trat Dovifat 1933 dem NS-Lehrerbund bei, wurde aber nicht Mitglied der NSDAP. Am 26. Juli 1934 wurde er kurzzeitig in den Ruhestand versetzt, am 4. Oktober durch das Preußische Kultusministerium rehabilitiert und am 22. Dezember erneut vereidigt. 1935 nannte Dovifat das DZIK in Institut für Zeitungswissenschaft um und baute es in der Folgezeit materiell, personell und räumlich stark aus. Dovifat machte es sich zur Aufgabe, zur Verbesserung der nationalsozialistischen Publizistik beizutragen. Er befürwortete die Durchsetzung des „Führerprinzips“ in der Publizistik, das seiner Vorstellung einer geleiteten Öffentlichkeit entsprach. Vereinzelt zeigen sich in seinen Beiträgen, u. a. im „Handbuch der Zeitungswissenschaft“ (3 Bde., 1940–1943), antisemitische Vorurteile über die Rolle „der Juden“ in der Presse. Seine regen Aktivitäten führten zwar verschiedentlich zu Konflikten, seine nach 1945 verbreitete Behauptung, er habe „camoufliert“ Widerstand geleistet und unter Repressalien gelitten, muss aber als Legende gelten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligt sich Dovifat an der Gründung der Berliner CDU, in deren Hauptgeschäftsstelle er als Referent für „Politische Bildung und Werbung“ zuständig war. Für kurze Zeit leitete er als Chefredakteur die Parteizeitung „Neue Zeit“, musste sich aber wegen Vorwürfen der Verstrickung im Nationalsozialismus zurückziehen. Nach erfolglosen Bewerbungen in Köln, Aachen, München und Göttingen erhielt er 1948 eine ordentliche Professur für Publizistik an der Freien Universität Berlin. Hier gründete er das DZIK als Institut für Publizistik neu, das er bis 1959 leitete.
Das Institut in Berlin erreichte nicht mehr die alte Größe, aber Dovifat trug entschieden zum Wiederaufbau der Publizistik bei. Er engagierte sich in den Gremien der demokratischen Medienaufsicht und Selbstverwaltung (Verwaltungsrat des Nordwestdeutschen Rundfunks 1948–1954, Rundfunkrat des Senders Freies Berlin 1953–1959, Deutscher Presserat 1956–1964). 1950 trieb er die Gründung des Hans-Bredow-Instituts für Rundfunk und Fernsehen in Hamburg voran. 1956 gründete er mit Wilmont Haacke (1911–2008) und Walter Hagemann (1900–1964) die zentrale Fachzeitschrift „Publizistik“. Nach seiner Emeritierung 1959 übernahm er die wissenschaftliche Leitung des Deutschen Instituts für publizistische Bildungsarbeit in Düsseldorf, für das er mit fachkundlichen Kursen für Journalistik seit 1951 den Grundstein gelegt hatte. In den 1960er Jahren bereitete er die Herausgabe des dreibändigen „Handbuchs der Publizistik“ (1968/69) vor, das als sein Vermächtnis gelten darf.
Dovifats Verdienste für den Aufbau der Zeitungswissenschaft sind unbestritten. Er verfügte über beste Kontakte in die Politik, darunter neben Brüning u. a. zu Walther Heide (geb. 1894) und Jacob Kaiser (1888–1961), und konnte so die Institutionalisierung entscheidend vorantreiben. Dazu schrieb bzw. edierte er mehrere Grundlagenwerke der jungen Wissenschaft und bereitete grundlegende Daten zur Presse seiner Zeit auf. Die spätere universitäre Kommunikations- und Medienwissenschaft hat sich wegen seines normativen Wissenschaftsverständnisses von Dovifats Werk abgewandt.
28.6.1916 | Eisernes Kreuz II. Klasse |
17.4.1917 | Eisernes Kreuz I. Klasse |
1953 | Komtur des St. Gregorius-Ordens |
1961 | Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
Nachlass:
Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin, 01-171. (weiterführende Informationen)
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, VI. HA, Nl Dovifat, E. (weiterführende Informationen)
Die öffentliche Meinung in Sachsen um das Jahr 1840, 1918. (ungedr. Diss. phil., Universität Leipzig)
Die Industrie in der deutschen Volkswirtschaft, 1922.
Die Zeitungen, 1925.
Der amerikanische Journalismus. Mit einer Darstellung der journalistischen Berufsbildung, 1927, Nachdr. 1990.
Wege und Ziele der zeitungswissenschaftlichen Arbeit, 1929.
Rede und Redner. Ihr Wesen und ihre politische Macht, 1937.
Zeitungswissenschaft, 2 Bde., 1931, überarb. Neuausg. u. d. T. Zeitungslehre 1937, 61976, Nachdr. 2017, span. 1959/60.
Die Pflichten der Zeit und die Zeitung, 1956.
Handbuch der Auslandspresse, 1960. (Hg.)
Handbuch der Publizistik, 3 Bde., 1968/69, Nachdr. 2018. (Hg.)
Emil Dovifat/Karl Bringmann (Hg.), Journalismus, 1968.
Der NWDR in Berlin 1946–1954, 1970.
Klaus-Ulrich Benedikt, Emil Dovifat. Ein katholischer Hochschullehrer und Publizist, 1986.
Lutz Hachmeister, Publizistik als normative Elitetheorie. Emil Dovifat (1890–1969), in: ders., Theoretische Publizistik. Studien zur Geschichte der Kommunikationswissenschaft in Deutschland, 1987, S. 79–129.
Otto Köhler, Große Kunst der Camouflage. Der Wissenschaftler im Wechsel seiner Auflagen: Emil Dovifat, in: ders., Wir Schreibmaschinentäter. Journalisten unter Hitler – und danach, 1989, S. 21–39.
Dorothee von Dadelsen (Hg.), Emil Dovifat. Die publizistische Persönlichkeit, 1990.
Bernd Sösemann (Hg.), Emil Dovifat. Studien und Dokumente zu Leben und Werk, 1998.
Juliane Pfeiffer, Art. „Emil Dovifat“, in: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hg.), Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft, 2018. (P) (Onlineressource)
Juliane Pfeiffer, Nicht-Wissen oder Nicht-Wissen-Wollen? Die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit Emil Dovifats am Berliner Institut für Publizistik in den „langen Sechzigerjahren“, in: Maria Löblich/Niklas Venema(Hg.), „Regierungszeit des Mittelbaus“? Annäherungen an die Berliner Publizistikwissenschaft nach der Studentenbewegung, 2020, S. 396–432.
Festschriften:
Publizistik als Wissenschaft. Sieben Beiträge für Emil Dovifat, hg. v. Institut für Publizistik an der Universität Münster, 1951.
Günter Kieslich (Red.), Publizistik. Festschrift für Emil Dovifat, 1960.