Bühler, Karl
- Lebensdaten
- 1879 – 1963
- Geburtsort
- Meckesheim (Kurpfalz)
- Sterbeort
- Los Angeles
- Beruf/Funktion
- Psychologe ; Mediziner ; Sprachtheoretiker ; Hochschullehrer ; Philosoph
- Konfession
- römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 118516957 | OGND | VIAF: 100181212
- Namensvarianten
-
- Bühler, Karl
- Bühler, Karl
- Buehler, Karl
- Buhler, Karl
- Buhler, Karl L.
- Bühler, Charles
- Bühler, K.
- Bühler, Karl L.
- Bühler, Karl Ludwig
- Bühler, Carl
- Bühler, Carl
- Buehler, Carl
- Buhler, Carl
- Buhler, Carl L.
- Bühler, Carl L.
- Bühler, Carl Ludwig
Vernetzte Angebote
- * Antragsstellende der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft/Deutschen Forschungsgemeinschaft (GEPRIS Historisch – Forschungsförderung von 1920 bis 1945) [2021]
- Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933-1945 [2010]
- Personen im Wien Geschichte Wiki [2012-]
- * Sächsische Biografie [1999-]
- * Kalliope-Verbund
- Verzeichnis der künstlerischen, wissenschaftlichen und kulturpolitischen Nachlässe in Österreich
- Archivportal-D
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Personendaten-Repositorium der BBAW [2007-2014]
- Briefwechsel zwischen Eduard Spranger und Käthe Hadlich
- Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- * Landeskunde Entdecken Online - Baden-Württemberg (LEO-BW) [2015-]
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- Isis Bibliography of the History of Science [1975-]
- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
- Index Theologicus (IxTheo)
- * Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online
- Personen im Wien Geschichte Wiki [2012-]
Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
- Clemens Bäumker (1853–1924)
- Edmund Husserls (1859–1938)
- Egon Brunswik (1903–1955)
- Ferdinand de Saussures (1857–1913)
- George Herbert Meads (1863–1931)
- Johannes von Kries (1853–1928)
- Karl Popper (1902–1994)
- Ludwig Wittgensteins (1889–1951)
- Max Wertheimer (1880–1943)
- Oswald Külpe (1862–1915)
- Paul Lazarsfeld (1901–1976)
- Wilhelm Wundt (1832–1920)
Personen in der GND - familiäre Beziehungen
Orte
Symbole auf der Karte
Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.
-
Bühler, Karl
1879 – 1963
Psychologe, Mediziner, Sprachtheoretiker
Ausgehend von denk- und sprachphilosophischen Ansätzen entwickelte Karl Bühler einen interdisziplinär fundierten Zugang zur Sprache, zu Denken und Problemlösen sowie zur Wahrnehmung. Sein Hauptwerk, „Sprachtheorie“ (1934), gehört zu den Klassikern der Linguistik im 20. Jahrhundert. Nach Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime in seiner Arbeit eingeschränkt, emigrierte Bühler 1939 in die USA. Der damit einhergehende Bruch in der akademischen Karriere führte zu einer verzögerten Rezeption, die in der Linguistik intensiver erst mit der der Neuauflage der „Sprachtheorie“ (1965) und ihren Übersetzungen (engl. 1990, russ. 1993, franz. 2009) sowie der Kenntnisnahme der „Axiomatik der Sprachwissenschaften“ (1933) einsetzte.
Lebensdaten
Geboren am 27. Mai 1879 in Meckesheim (Kurpfalz) Gestorben am 24. Oktober 1963 in Los Angeles Begräbnisort Forest Lawn Memorial Park Glendale (Kalifornien, USA) Konfession römisch-katholisch -
Autor/in
→Ludger Hoffmann (Dortmund)
-
Zitierweise
Hoffmann, Ludger, „Bühler, Karl“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118516957.html#dbocontent
Im Anschluss an das Abitur am Matthias-Grünewald-Gymnasium in Tauberbischofsheim 1899 studierte Bühler Medizin, Psychologie und Philosophie an der Universität Freiburg im Breisgau, wo er der katholischen Verbindung KDStV Arminia beitrat. 1903 wurde er mit der Arbeit „Beiträge zur Lehre von der Umstimmung des Sehorgans“ in Freiburg bei Johannes von Kries (1853–1928) zum Dr. med. promoviert; ein Jahr später folgte die Promotion zum Dr. phil. bei Clemens Bäumker (1853–1924) im Fachbereich Psychologie der Universität Straßburg (Studien über Henry Home). Seit 1903 war er Assistent bei Oswald Külpe (1862–1915) am Institut für Psychologie der Universität Würzburg, habilitierte sich hier 1907 mit „Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge“ und wechselte 1909 mit Külpe an die Universität Bonn. 1907 prägte Bühler den bis heute gebräuchlichen Ausdruck „Aha-Erlebnis“.
1913 wurde Bühler außerordentlicher Professor für Psychologie an der Universität München, wo er nach Külpes Tod 1915 dessen Lehrstuhl vertrat und während des Ersten Weltkriegs Arzt im militärpsychologischen Dienst war. In seinem Werk „Die Gestaltwahrnehmungen. Experimentelle Untersuchungen zur psychologischen und ästhetischen Analyse der Raum- und Zeitanschauung“ (1913) wandte sich Bühler der Gestaltpsychologie seines Lehrers Külpe zu und übernahm auch dessen Perspektive auf Sprache: Das Verstehen der Bedeutung eines Satzes beruhe auf der Herstellung von Beziehungen beim Denken.
1918 folgte Bühler dem Ruf auf eine ordentliche Professur für Psychologie und Pädagogik an die TH Dresden und wurde 1922 Ordinarius sowie Leiter des Instituts für Psychologie und der Lehrerausbildung in Wien. Hier führte er mit seiner Ehefrau im Labor Untersuchungen zur Entwicklungspsychologie (u. a. mit Tagebuchstudien und Verhaltensbeobachtungen) durch. Gastprofessuren führten ihn zwischen 1926 und 1929 mehrfach in die USA. Im Gegensatz zu Wilhelm Wundt (1832–1920), Max Wertheimer (1880–1943) und den Anhängern der Assoziationsmethode ließ Bühler in seinen Studien die Introspektion und das „Ausfragexperiment“ als einzig legitime Methoden zu, was methodisch neu war. Sein Buch „Die geistige Entwicklung des Kindes“ (1918) wurde rasch ein Klassiker. Die „Krise der Psychologie“ (1927) beleuchtete Grundprobleme und Methoden der Psychologie (Verhaltensforschung, Handlungstheorie und Erforschung innerer Erfahrungen) kritisch.
Bühlers opus magnum, die „Sprachtheorie“ (1934), ist „axiomatisch” als „transzendentale Deduktion im Sinne Kants“ fundiert und von Edmund Husserls (1859–1938) Phänomenologie beeinflusst. Es begreift Sprache als mindestens zweiklassiges Zeichensystem. Bühler kennzeichnete Ferdinand de Saussures (1857–1913) Zerlegung der Sprache als „Metzgeranalyse“ und kritisierte den Schluss von Materiellem auf Immaterielles als „Stoffdenken“. Den „biologischen Quellpunkt der Zeichenproduktion” sah er im „Gemeinschaftsleben der Tiere“. Alle Menschensprachen seien strukturgleich.
Dem Zeichen eignet nach Bühler eine konkrete, wahrnehmbare Seite (was es „für sich” ist) und eine abstrakte, funktionale (was es als Zeichen fungieren lässt). Der Laut ist eine wahrnehmbare materielle Größe und Gegenstand der Phonetik. Sprache ist für ihn „Organon”, zweckhaft geformtes und formendes „Gerät”. Das Schallereignis ist Zeichen, weil es als Symbol für die Darstellung von Gegenständen/Sachverhalten dient, als Symptom die Befindlichkeit des Sprechers ausdrückt und ein Signal als Appell an den Hörer darstellt.
Während bis dahin die Darstellungsfunktion immer im Zentrum der Sprachtheorie stand, ging Bühler über Wundt hinaus, indem er das Sprechen als zielgesteuertes menschliches Handeln verstand, Zweck und Steuerung in den Blick nahm und Handlungen in der Beschreibung zerlegte. Anders als Wundt ordnete er die Sprachwissenschaft nicht der Psychologie unter. Für die spätere Linguistik wegweisend wurde seine Unterscheidung zwischen „Symbolfeld” und „Zeigfeld” der Sprache.
Wegen antisemitischer Tendenzen trat Bühler 1933 aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie aus, deren Vorsitzender er von 1928 bis 1931 gewesen war. Nach dem „Anschluss“ Österreichs kam er im März 1938 kurzzeitig in Gestapo-Haft. Er verweigerte die geforderte Scheidung von seiner Ehefrau und ging in das Exil. Über Oslo und London emigrierte die Familie 1939 in die USA. In Minnesota und Los Angeles arbeitete Bühler überwiegend klinisch, nur am St Thomas College vermittelte er seine Sprachtheorie. Mit Forschungen zur Tierkommunikation betrat er Neuland. Das Exil führte, v. a. in der Psychologie, zu einem Bruch in seiner Rezeption, die erst in den 1960er Jahren intensiver wieder einsetzte.
Zu Bühlers Schülern zählen der Psychologe Egon Brunswik (1903–1955), der Soziologe Paul Lazarsfeld (1901–1976) sowie der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Karl Popper (1902–1994), der 1928 seine Dissertation „Die Methodenfrage der Denkpsychologie“ bei ihm verfasste.
Bühlers Werk ist interdisziplinär; es verbindet psychologische, philosophische, biologische und linguistische Forschungen. Einige seiner Gedanken kommen der Gebrauchstheorie Ludwig Wittgensteins (1889–1951) und der Handlungstheorie George Herbert Meads (1863–1931) nahe. Bühlers Werk ist für Linguistik und Psychologie innovativ, sein Potenzial bis heute nicht ausgeschöpft.
1928–1933 | Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie |
1960 | Ehrenpräsident des XVI. Kongresses der International Union of Scientific Psychology, Bonn |
1960 | Wundt-Plakette der Deutschen Gesellschaft für Psychologie |
1961 | Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften |
1996 | Charlotte- und Karl-Bühler-Preis der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (zweijährlich) |
1998 | „Tor der Erinnerung“ für Karl und Charlotte Bühler, Wien |
2014 | Karl-und-Charlotte-Bühler-Preis für ausgezeichnete Lehre an der TU Dresden (jedes Semester) |
2019 | Charlotte-and-Karl-Bühler Lecture, Institut für Psychologie der Universität Würzburg (jedes Semester) |
Nachlass:
Universitätsarchiv Wien, AT-UAW/131.147. (weiterführende Informationen)
Universität Graz; Inventarisierung durch Daniela G. Camhy.
Beiträge zur Lehre von der Umstimmung des Sehorgans, 1903. (Diss. med.)
Studien über Henry Home, 1905. (Diss. phil.)
Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge. Über Gedanken, 1907. (Habilitationsschrift)
Die Gestaltwahrnehmungen. Experimentelle Untersuchungen zur psychologischen und ästhetischen Analyse der Raum- und Zeitanschauung, 1913.
Die geistige Entwicklung des Kindes, 1918.
Die Krise der Psychologie, 1927.
Ausdruckstheorie, 1933
Axiomatik der Sprachwissenschaften, 1933
Sprachtheorie, 1934, Neuausg. 1965, engl. 1990, russ. 1993, franz. 2009.
Die Zukunft der Psychologie, 1936.
Das Gestaltprinzip im Leben der Menschen und der Tiere, 1960.
Die Uhren der Lebewesen und Fragmente aus dem Nachlass, 1969.
Schriften zur Sprachtheorie, hg. v. Achim Eschbach, 2012.
Sprache und Denken, hg. v. Achim Eschbach, 2015.
Elisabeth Ströker (Hg.), Karl Bühler, Die Axiomatik der Sprachwissenschaften, 1969.
Dieter Wunderlich, Karl Bühlers Grundprinzipien der Sprachtheorie, in: Muttersprache 79 (1969), S. 52–62.
Achim Eschbach (Hg.), Bühler-Studien, 2 Bde., 1984.
Carl Friedrich Graumann/Theo Herrmann (Hg.), Karl Bühlers Axiomatik. 50 Jahre Axiomatik der Sprachwissenschaft, 1984.
Franciscus Johannes Maria Vonk, Gestaltprinzip und abstraktive Relevanz. Eine wissenschaftshistorische Untersuchung zur Sprachaxiomatik Karl Bühlers, 1992.
Achim Eschbach, Karl Bühler und die Würzburger Schule, in: Brentano-Studien 7 (1998), S. 237–254.
Konrad Ehlich/Katharina Meng (Hg.), Die Aktualität des Verdrängten. Studien zur Geschichte der Sprachwissenschaft im 20. Jahrhundert, 2004.
Konrad Ehlich, Zwischen Zeichen und Handlung oder: von den Mühen des Entdeckens und seinen Folgen, in: ders. (Hg.), Sprache und sprachliches Handeln, Bd. 1, 2007, S. 393–413.
Konrad Ehlich, Sechs Stichworte zu Bühler, in: ebd., S. 415–420.
Utz Maas, Art. „Bühler, Karl“, in: ders. (Begründer), Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933–1945, 2020. (Onlineressource)
David Edmonds, Die Ermordung des Professor Schlick. Der Wiener Kreis und die dunklen Jahre der Philosophie, 2021.
Ludger Hoffmann, Deutsche Grammatik, 42021.