Courant, Richard
- Lebensdaten
- 1888 – 1972
- Geburtsort
- Lublinitz (Schlesien, heute Lubliniec, Polen)
- Sterbeort
- New Rochelle (New York, USA)
- Beruf/Funktion
- Mathematiker
- Konfession
- unbekannt
- Normdaten
- GND: 118522442 | OGND | VIAF: 54212371
- Namensvarianten
-
- Courant, Richard
- Courant, R.
- Kurant, R.
- Kūran, R.
- Kūranto, R.
- Kourant, Richard
- Kourant, R.
- Curant, R.
- Cūran, R.
- Cūranto, R.
Vernetzte Angebote
- * Antragsstellende der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft/Deutschen Forschungsgemeinschaft (GEPRIS Historisch – Forschungsförderung von 1920 bis 1945) [2021]
- National Academy of Science: biographical Memoirs [1877-]
- Kurzbiographien von Mathematiker/innen in der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV) [2003-]
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- Isis Bibliography of the History of Science [1975-]
- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
Personen in der GND - familiäre Beziehungen
- NDB 3 (1957), S. 179 (Cauer, Wilhelm)
- NDB 18 (1997), S. 7 (Mollwo, Erich)
- NDB 20 (2001), S. 533 (Plessner, Abraham Ezechiel)
- NDB 21 (2003), S. 91 in Artikel Rademacher, Hans (Rademacher, Hans Adolph)
- NDB 21 (2003), S. 406 in Artikel Rellich, Franz (Rellich, Franz)
- NDB 22 (2005), S. 259* (Runge, Carl David Tolmé)
- NDB 22 (2005), S. 260 in Artikel Runge, Carl (Runge, Carl David Tolmé)
- NDB 22 (2005), S. 261 (Runge, Wilhelm Tolmé)
- NDB 24 (2010), S. 340 in Artikel Siegel, Carl
- NDB 25 (2013), S. 140*
- NDB 25 (2013), S. 346 in Artikel Still, Carl
- NDB 26 (2016), S. 9 in Artikel Teichmüller, Oswald (Teichmüller, Paul Julius Oswald)
- NDB 27 (2020), S. 179 in Artikel Waerden, Bartel van der (Waerden, Bartel Leendert van der)
- NDB 27 (2020), S. (Walther, Oswald Alwin)
Orte
Symbole auf der Karte
Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.
-
Courant, Richard
1888 – 1972
Mathematiker
Richard Courant war ein einflussreicher Mathematiker und Wissenschaftsorganisator, der bis 1933 in Göttingen, danach in New York City weltberühmte mathematische Institute leitete. Courant ist bekannt als Lehrbuchautor sowie durch zahlreiche Forschungsarbeiten v. a. zur Theorie partieller Differentialgleichungen, zur Variationsrechnung und zur numerischen und mathematischen Physik.
Lebensdaten
Geboren am 8. Januar 1888 in Lublinitz (Schlesien, heute Lubliniec, Polen) Gestorben am 27. Januar 1972 in New Rochelle (New York, USA) Konfession jüdisch -
Autor/in
→Tilman Sauer (Mainz)
-
Zitierweise
Sauer, Tilman, „Courant, Richard“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118522442.html#dbocontent
Courant besuchte Schulen in Glatz (Niederschlesien, heute Kłodzko, Polen) und Breslau (Schlesien, heute Wrocław, Polen). Geschäftliche Schwierigkeiten der Familie, die 1904 ohne ihn nach Berlin umzog, zwangen Courant frühzeitig zu finanzieller Unabhängigkeit durch private Unterrichtstätigkeit. 1905 studierte er extern, seit 1906 regulär an der Universität Breslau Physik und Mathematik und wechselte nach einem Semester an der Universität Zürich an die Universität Göttingen. 1908 wurde Courant Privatassistent bei David Hilbert (1862–1943), bei dem er 1910 mit der Dissertation „Über die Anwendung des Dirichletschen Prinzipes auf die Probleme der konformen Abbildung“ zum Dr. phil. promoviert wurde. 1912 habilitierte er sich hier mit der Arbeit „Über die Methode des Dirichletschen Prinzips“ für Mathematik.
Während des Ersten Weltkriegs war Courant bis zu einer schweren Verwundung im September 1915 Infanterist an der Westfront, dann bis zum Kriegsende bei der Nachrichtenabteilung, wo er an Erdtelegrafie-Installationen zur Übertragung elektromagnetischer Signale für militärische Kommunikationszwecke über dem Erdboden beteiligt war. Nach Kriegsende kehrte Courant nach Göttingen zurück und wurde zum außerordentlichen Professor ernannt. Im Sommer 1920 nahm er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Mathematik an der Universität Münster an, wurde aber nach einem Semester zurück nach Göttingen als Professor für Mathematik berufen. 1922 übernahm Courant die Leitung des Mathematischen Instituts, das er in der Tradition von Hilbert und Felix Klein (1849–1925) erfolgreich ausbaute. 1926 gelang ihm die Einwerbung von Mitteln der Rockefeller Foundation zum Neubau eines Institutsgebäudes, das 1929 eröffnet wurde.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wehrte sich Courant im April 1933 mit Verweis auf seinen Frontkämpferstatus gegen seine Zwangsbeurlaubung und erreichte, unterstützt durch zahlreiche Solidaritätsbekundungen, eine Umwandlung seiner Beurlaubung für die Übernahme einer Gastdozentur für das akademische Jahr 1933/34 an der Universität Cambridge (Großbritannien). Ein Angebot nach Istanbul schlug er aus, nahm aber zum Sommer 1934 das Angebot einer zweijährigen Gastdozentur an der New York University (NYU) an und wurde in Göttingen 1935 aufgrund des Reichsbürgergesetzes vorzeitig emeritiert. In New York City wurde Courant 1936 Professor of Mathematics, übernahm die Leitung des Graduate School‘s Departments of Mathematics an der NYU und baute in der Folge nach dem Vorbild des Göttinger Instituts in New York City ein mathematisches Forschungszentrum von Weltgeltung auf. 1940 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.
Während des Zweiten Weltkriegs gelang Courant der Ausbau des mathematischen Programms an der NYU durch militärische Forschungsgelder der Navy sowie des Office of Scientific Research and Development. Die fortlaufende Einwerbung von Drittmitteln auch nach Kriegsende ermöglichte ihm den weiteren Ausbau des Institute of Mathematical Sciences. Mitte der 1950er Jahre etablierte die Atomic Energy Commision ein Rechenzentrum an der NYU mit einer UNIVAC I, dem ersten kommerziell erhältlichen Computer der Vereinigten Staaten. Auch nach seiner Emeritierung 1958 blieb Courant in Beratungsfunktionen aktiv und widmete sich verstärkt der Förderung des internationalen wissenschaftlichen Austausch zwischen Mathematikern. 1964 wurde das von ihm gegründete mathematische Institut nach ihm benannt.
Neben seiner wissenschaftsorganisatorischen Tätigkeit als Direktor weltberühmter mathematischer Institute in Göttingen und New York City trat Courant seit 1921 als Begründer und Herausgeber der mathematischen monografischen Reihe „Grundlehren der Mathematischen Wissenschaften“ hervor. Auch veröffentlichte er eine Reihe einflussreicher Lehrbücher, u. a. das auf Vorlesungen von Hilbert beruhende, aber im Wesentlichen von ihm verfasste Standardwerk über die „Methoden der mathematischen Physik“, dessen erster Band 1924 erschien und eine wichtige Rolle bei der Etablierung der modernen Quantenmechanik Ende der 1920er Jahre spielte. Ein zweiter Band wurde 1937 publiziert, beide Bände wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und vielfach wieder aufgelegt. 1929 erschien die von Courant herausgegebenen und durch viele Beiträge ergänzten Vorlesungen zur Funktionentheorie von Adolf Hurwitz (1859–1919). Courant brachte 1930/31 ein zweibändiges Lehrbuch zur klassischen Analysis heraus, das in englischer Übersetzung ebenfalls weite Verbreitung fand. 1941 publizierte er mit Herbert Robbins (1915–2001) das popularisierende Werk „What is Mathematics?“.
Das Thema seiner Doktorarbeit, das Dirichletsche Prinzip und die praktische Nutzung von Methoden der Variationsrechnung zur Lösung von Anfangs-, Rand- und Eigenwertproblemen partieller Differentialgleichungen verfolgte Courant in mehreren Aufsätzen weiter, die 1950 in die Monografie „Dirichlet’s Principle, Conformal Mapping, and Minimal Surfaces“ mündeten. 1918 bewies Courant, dass von allen homogenen Membranen gegebenen Umfangs und gegebener Spannung die kreisförmige den tiefsten Grundton besitzt. Als weitere Lösungsmethode zur Behandlung partieller Differentialgleichungen entwickelte Courant Approximation durch partielle Differenzengleichungen. In einem Vortrag von 1941 vor der American Mathematical Society antizipierte Courant Grundideen der späteren Methode der Finiten Elemente. Weitere Arbeiten widmeten sich dem Plateau-Problem und der Frage der Existenz, Eindeutigkeit und Charakterisierung von Minimalflächen mit Methoden der Variationsrechnung. Spätere Schriften zu hyperbolischen Differentialgleichungen mit Peter Lax (geb. 1926) beschäftigten sich mit der numerischen Lösung von Problemen von Schockwellen. Neben Lax gelten u a. Kurt Otto Friedrichs (1901–1982) und Hans Lewy (1904–1988) als Schüler Courants.
1955 | Mitglied der National Academy of Sciences (weiterführende Informationen) |
1955 | Dr. Ing. h. c., TH Darmstadt |
1958 | Navy Distinguished Public Service Award |
1958 | Dr. Ing. h. c., TH Aachen |
1958 | Dr. Sc. h. c., New York University |
1958 | Dr. Sc. h. c., Case Institute of Technology Ohio (Cleveland, USA) |
1959 | Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1963 | Ehrenbürger der Stadt Göttingen |
1963 | Gauss-Weber-Medaille der Universität Göttingen |
1964 | Courant Institute of Mathematical Sciences, New York University |
1965 | Award for Distinguished Service to Mathematics, Mathematical Association of America |
1966 | auswärtiges Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, Leningrad (Sowjetunion, heute St. Petersburg, Russland) |
1975 | Richard-Courant-Weg, Göttingen |
Courant Forschungszentren, Universität Göttingen |
Nachlass:
New York University Archives, Richard Courant Papers MC 150.
Weitere Archivmaterialien:
Universitätsarchiv Göttingen, Math.-Nat. Pers. 33. (Personalakte)
Interview Richard Courants von Thomas S. Kuhn und Mark Kac am 9.5.1962, Niels Bohr Library & Archives, American Institute of Physics, College Park (Maryland, USA). (Onlineressource)
Audio-CD:
Interview, in: Annette Vogt/Hans Sarkowicz (Hg.), Vertreibung des Geistes. 35 Stimmen aus dem Exil von Hannah Arendt bis Ernst Toch, Hörbuch MP3-CD, 2022.
Bücher:
Richard Courant/David Hilbert, Methoden der mathematischen Physik, 2 Bde., 1924–1937, engl. 1953–1962.
Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung, 2 Bde., 1927–1929.
Vorlesungen über allgemeine Funktionentheorie und elliptische Funktionen von Adolf Hurwitz, hg. u. erg. durch einen Abschnitt über geometrische Funktionen v. Richard Courant, 1929.
Richard Courant/Herbert Robbins, What is Mathematics?, 1941, dt. 1962.
Richard Courant/Kurt Otto Friedrichs, Supersonic Flow and Shock Waves, 1948.
Dirichlet’s Principle, Conformal Mapping, and Minimal Surfaces, 1950.
Richard Cournat/Fritz John, Introduction to Calculus and Analysis, 2 Bde., 1970–1974.
Artikel:
Über die Anwendung des Dirichletschen Prinzipes auf die Probleme der konformen Abbildung, in: Mathematische Annalen 71 (1912), S. 145–183.
Beweis des Satzes, daß von allen homogenen Membranen gegebenen Umfanges und gegebener Spannung die kreisförmige den tiefsten Grundton besitzt, in: Mathematische Zeitschrift 1 (1918), S. 321–328.
Über die Eigenwerte bei den Differentialgleichungen der mathematischen Physik, in: Mathematische Zeitschrift 7 (1920), S. 1–57.
Über die Anwendung der Variationsrechnung in der Theorie der Eigenschwingungen und über neue Klassen von Funktionalgleichungen, in: Acta mathematica 49 (1926), S. 1–68.
Richard Courant/Kurt Otto Friedrichs/Hans Lewy, Über die partiellen Differenzengleichungen der mathematischen Physik, in: Mathematische Annalen 100 (1928), S. 32–74.
Plateau’s Problem and Dirichlet’s Principle. in: Annals of Mathematics 38 (1937), S. 679–724.
The Existence of Minimal Surfaces of Given Topological Structure under Prescribed Boundary Conditions, in: Acta Mathematica 72 (1940), S. 51–98.
Variational Methods for the Solution of Problems of Equilibrium and Vibrations, in: Bulletin of the American Mathematical Society 49 (1943), S. 1–23.
Richard Courant/Peter Lax, The Propagation of Discontinuities in Wave Motion, in: Proceedings of the National Academy of Sciences 42 (1956), S. 872–876.
Bibliografie:
Pawel S. Aleksandrov/Olha A. Oleinik, In Memory of Richard Courant, in: Russian Mathematical Surveys 30 (1975), H. 4, S. 173–178.
Monografien:
Edith Stein, Aus dem Leben einer jüdischen Familie, 1965.
Constance Reid, Courant in Göttingen and New York. The Story of an Improbable Mathematician, 1976. (P)
Reinhard Siegmund-Schultze, Mathematicians Fleeing from Nazi Germany. Individual Fates and Global Impact, 2009.
Brittany Anne Shields, A Mathematical Life. Richard Courant. New York University and Scientific Diplomacy in Twentieth-Century America, 2015.
Artikel:
Frank Jr. Williamson, Richard Courant and the Finite Element Method. A Further Look, in: Historia Mathematica 7 (1980), S. 369–378.
Norbert Schappacher, Das Mathematische Institut der Universität Göttingen 1929–1950, in: Heinrich Becker/Hans-Joachim Dahms/Cornelia Wegeler (Hg.), Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus, 21998, S. 523–551.
Colin McLarty, Richard Courant in the German Revolution, in: The Mathematical Intelligencer 23 (2001), S. 61–67.
Peter Lax, Richard Courant 1888–1972, in: National Academy of Sciences. Biographical Memoirs 82 (2003), S. 79–97. (P) (Onlineressource)
Giuseppe Pelosi, The Finite-Element Method, Part I. R. L. Courant, in: IEEE Antennas and Propagation Magazine 49 (2007), S. 180–182. (P) (Onlineressource)
Peter Lax, Richard Courant, in: Timothy Gowers (Hg.), The Princeton Companion to Mathematics, 2008, S. 808 f.
David E. Rowe, Transforming Tradition. Richard Courant in Göttingen, in: The Mathematical Intelligencer 37 (2015), H. 1, S. 20–29.
Brittany Anne Shields, Mathematics, Peace, and the Cold War. Scientific Diplomacy and Richard Courant’s Scientific Identity, in: Historical Studies in the Natural Sciences 46 (2016), H. 5, S. 556–591.
Nachrufe:
Erhard Heinz, Richard Courant. 8. Januar 1888–27. Januar 1972, in: Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (1972), S. 173–178.
N. N., Professor Richard Courant. A Biographical Note, in: Journal of Mathematical and Physical Sciences 7 (1973), S. i-iv. (P)
Pawel S. Aleksandrov/Olha A. Oleinik, In Memory of Richard Courant, in: Russian Mathematical Surveys 30 (1975), H. 4, S. 157–178. (W)
Lexikonartikel:
J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 5, 1925, S. 245 f., Bd. 6, 1936, S. 484, Bd. 7a, 1956, S. 360 u. Bd. 8, 1999, S. 749–751.
John J. O’Connor/Edmund F. Robertson, Art. „Richard Courant“, in: MacTutor History of Mathematics Archive, 2000. (P) (Onlineressource).
Fotografien, 1932–1969, Oberwolfach Photo Collection. (Onlineressource)