Lewy, Hans
- Lebensdaten
- 1904 – 1988
- Geburtsort
- Breslau (Schlesien, heute Wrocław, Polen)
- Sterbeort
- Berkeley (Kalifornien, USA)
- Beruf/Funktion
- Mathematiker
- Konfession
- unbekannt
- Normdaten
- GND: 123588650 | OGND | VIAF: 50139185
- Namensvarianten
-
- Lewy, Hans
- Lewy, H.
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Personen im NDB Artikel
- Arvid T. Lonseth (1912–2002)
- David Kinderlehrer (geb. 1941)
- George M. Bergman (geb. 1943)
- Herbert Busemann (1905–1994)
- Konrad Jacobs (1928–2015)
- Kurt Otto Friedrichs (1901–1982/83)
- Richard Courant (1888–1972)
- Richard MacCamy (gest. 2011)
- Russel Sherman Lehman (gest. 2023)
- Sergei L. Sobolew (1908–1989)
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Lewy, Hans
1904 – 1988
Mathematiker
Hans Lewy leistete grundlegende Beiträge zur Theorie der Differentialgleichungen, Variationsrechnung und Theorie mehrerer komplexer Veränderlicher. Er begann seine wissenschaftliche Laufbahn an der Universität Göttingen und setzte sie – von den Nationalsozialisten vertrieben – seit 1933 in den USA erfolgreich fort.
Lebensdaten
Geboren am 20. Oktober 1904 in Breslau (Schlesien, heute Wrocław, Polen) Gestorben am 23. August 1988 in Berkeley (Kalifornien, USA) Konfession jüdisch -
Autor/in
→Karl-Heinz Schlote (Altenburg)
-
Zitierweise
Schlote, Karl-Heinz, „Lewy, Hans“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/123588650.html#dbocontent
Nach dem Schulbesuch in Breslau (Schlesien, heute Wrocław, Polen) studierte Lewy seit 1922 Mathematik und Physik an der Universität Göttingen, wo er 1926 mit der Arbeit „Über einen Ansatz zur numerischen Lösung von Randwertproblemen“ bei Richard Courant (1888–1972) zum Dr. phil. promoviert wurde. 1927 in Göttingen für Mathematik habilitiert, war er hier bis 1933 als Privatdozent tätig. Mit Stipendien der Rockefeller Foundation hielt er sich 1929/30 an der Universität in Rom und 1930/31 in Paris auf. Die nationalsozialistische Machtübernahme veranlasste den jüdischen Wissenschaftler, u. a. auf Anraten von Herbert Busemann (1905–1994), in die USA zu emigrieren. Von 1933 bis 1935 lehrte er Mathematik an der Brown University in Providence (Rhode Island, USA) und wechselte dann als Lehrbeauftragter an die University of California in Berkeley (Kalifornien, USA), wo er 1937 Assistant Professor, 1941 Associate Professor und 1945 Full Professor für Mathematik wurde. Während des Zweiten Weltkriegs war er an Arbeiten am Aberdeen Proving Ground, einer Forschungs- und Entwicklungsstätte der US-Armee, beteiligt. 1950 wurde Lewy von der Universität in Berkeley entlassen, da er sich weigerte, einen Treueeid abzulegen, und lehrte Mathematik im Herbst 1952 an der Harvard University in Cambridge (Massachusetts, USA) sowie anschließend bis 1953 als Professor für Mathematik an der Stanford University (Kalifornien, USA). 1954 kehrte er nach Berkeley zurück, wo er bis zu seiner Emeritierung 1972 in Lehre und Forschung aktiv war.
Lewys bevorzugte Forschungsgebiete waren Differentialgleichungen und Potentialtheorie, zu denen er bereits am Anfang seiner Kariere bedeutende Beiträge lieferte. Mit Courant und Kurt Otto Friedrichs (1901–1982/83) publizierte er 1928 die Arbeit „Über die partiellen Differenzengleichungen der mathematischen Physik“, in der für verschiedene Klassen von Differentialgleichungen ein heute nach den drei Autoren benanntes Kriterium für die Stabilität der numerischen Lösungen angegeben wurde. In einer weiteren grundlegenden Arbeit löste er 1929 das Anfangswertproblem für allgemeine nichtlineare hyperbolische Differentialgleichungen in zwei Unbekannten und gab einen neuen Beweis des analytischen Charakters der Lösung elliptischer Differentialgleichungen in zwei Veränderlichen. In diesem Rahmen wies er das Anfangswertproblem für Wellengleichungen bereits in Räumen, die heute nach Sergei L. Sobolew (1908–1989) benannt sind, als korrekt gestellt nach.
In den USA setzte Lewy seine Arbeit erfolgreich fort und beschäftigte sich mit Fragen der Differentialgeometrie bzw. der Theorie der Wasserwellen. Daraus gingen bedeutende Studien zur Differentialgeometrie im Großen sowie die Fortsetzung von Minimalflächen über analytische Ränder und über das Verhalten von Wasserwellen bei unterschiedlichen Bedingungen hervor. 1957 beeinflusste er die Forschungen zur Analysis stark mit der Angabe einer einfachen partiellen Differentialgleichung, die keine Lösung besitzt. Lewy wurde zu weiteren Studien über Funktionen mehrerer komplexer Veränderlicher angeregt und erhielt für die Arbeiten „On the Local Character of the Solutions of an Atypical Linear Differential Equation in Three Variables and a Related Theorem for Regular Functions of Two Complex Variables“, „An Example of a Smooth Linear Partial Differential Equation without Solution“ und „On Hulls of Holomorphy“ 1979 den Steele-Preis der Amerikanischen Mathematischen Gesellschaft.
Lewy prägte mit seinen Arbeiten die Theorie der Differentialgleichungen einschließlich der Anwendungen in der Hydromechanik, der Variationsrechnung und der Differentialgeometrie (Minimalflächen) entscheidend. Zu seinen Schülern zählen David Kinderlehrer (geb. 1941), Russel Sherman Lehman (gest. 2023), Arvid T. Lonseth (1912–2002) und Richard MacCamy (gest. 2011).
1964 | Mitglied der National Academy of Sciences (USA) |
1979 | Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften |
1979 | Steele-Preis der American Mathematical Society |
1985 | Mitglied der American Academy of Arts and Sciences |
1985 | Mitglied der Accademia Nazionale dei Lincei, Rom |
1985 | Wolf Prize der Wolf Foundation (mit Kunihiko Kodaira) (weiterführende Informationen) |
1985 | Dr. h. c., Universität Bonn |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Universitätsarchiv Göttingen, Kuratel 10 791. (Personalakte u. Math.-Nat. Personalakten)
Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Nachlass Bessel-Hagen. (Korrespondenz)
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Nachlass Constance Reid, Cod. Ms. C. Reid B 23 (Korrespondenz 1966–1970), Nachlass Ernst Hölder, Cod. Ms. E. Hölder A 105 (Korrespondenz 1978) u. Nachlaß Franz Rellich, Cod. Ms. F. Rellich 1 : 56. (Korrespondenz 1935–1950)
Über einen Ansatz zur numerischen Lösung von Randwertproblemen, 1926. (Dr. phil.)
Richard Courant/Kurt O. Friedrichs/Hans Lewy, Über die partiellen Differenzengleichungen der mathematischen Physik, in: Mathematische Annalen 100 (1928), S. 32–74.
A Priori Limitations for Solutions of Monge-Ampère Equations I., in: Transactions of the American Mathematical Society 37 (1935), H. 3, S. 417–434, u. II., in: Transactions of the American Mathematical Society 41 (1937), S. 365–374.
On Differential Geometry in the Large. Minkowski‘s Problem, in: Transactions of the American Mathematical Society 43 (1938), S. 258–270.
Water Waves on Sloping Beaches, in: Bulletin of the American Mathematical Society 52 (1946), S. 737–775.
Kurt O. Friedrichs/Hans Lewy, The Dock Problem, in: Communications on Applied Mathematics 1 (1948), S. 135–148.
On Minimal Surfaces with Partially Free Boundary, in: Communications on Pure and Applied Mathematics 4 (1951), S. 1–13.
An Example of a Smooth Linear Partial Differential Equation without Solution, in: The Annals of Mathematics 66 (1957), H. 1, S. 155–158.
David Kinderlehrer (Hg.), Hans Lewy. Selecta, 2 Bde., 2002.
J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 6, 1936, S. 1522 u. Bd. 7a, 1955, S. 88 f.
Siegfried Gottwald, Art. „Lewy, Hans“, in: ders./Hans-Joachim Ilgauds/Karl-Heinz Schlote (Hg.), Lexikon bedeutender Mathematiker, 1990, S. 286.
Constance Reid, Hans Lewy (1904–1988), in: Peter John Hilton (Hg.), Miscellanea mathematica, 1991, S. 259–268
David Kinderlehrer (Hg.), Hans Lewy. Selecta, Bd. 1, 2002.
John J. O’Connor/Edmund F. Robertson, Art. „Hans Lewy”, in: MacTutor History of Mathematics Archive, 2004. (P) (Onlineressource)
Birgit Bergmann/Moritz Epple (Hg.), Jüdische Mathematiker in der deutschsprachigen akademischen Kultur, 2009, S. 143.
Fotografien, ca. 1930–1985, Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach, Photo Collection.