Cramm, Gottfried von

Lebensdaten
1909 – 1976
Geburtsort
Nettlingen bei Hildesheim
Sterbeort
bei Kairo
Beruf/Funktion
Tennissportler
Konfession
evangelisch-lutherisch
Normdaten
GND: 118941984 | OGND | VIAF: 67265048
Namensvarianten

  • Cramm, Gottfried Alexander Maximilian Walter Kurt Freiherr von
  • Cramm, Gottfried von
  • Cramm, Gottfried Alexander Maximilian Walter Kurt Freiherr von
  • Cramm, Gottfried Alexander Maximilian Walter Curt Freiherr von
  • cramm, gottfried alexander maximilian walther kurt freiherr von

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Zitierweise

Cramm, Gottfried von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118941984.html [31.01.2025].

CC0

  • Cramm, Gottfried Alexander Maximilian Walter Kurt Freiherr von

    1909 – 1976

    Tennissportler

    Gottfried von Cramm war der erfolgreichste deutsche Tennisspieler vor Boris Becker (geb. 1967). In den 1930er Jahren die Nummer zwei der Weltrangliste, gewann er zwei Mal die French Open und zog drei Mal hintereinander in das Finale von Wimbledon ein. Der Hitlergegner wurde 1938 wegen des Verstoßes gegen § 175 RStGB zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weiterhin populär, wurde Cramm 1947 und 1948 zum Sportler des Jahres gewählt.

    Lebensdaten

    Geboren am 7. Juli 1909 in Nettlingen bei Hildesheim
    Gestorben am 9. November 1976 (Autounfall) in bei Kairo
    Grabstätte Schloss Oelber, Familienfriedhof in Baddeckenstedt (Landkreis Wolfenbüttel)
    Konfession evangelisch-lutherisch
    Gottfried von Cramm, Imago Images (InC)
    Gottfried von Cramm, Imago Images (InC)
  • 7. Juli 1909 - Nettlingen bei Hildesheim

    1909 - 1928 - Brüggen bei Hildesheim

    Privatunterricht (Schulabschluss: Abitur)

    Privatlehrer; Prüfungskollegium

    1928 - 1931 - Berlin

    Studium der Rechtswissenschaften (ohne Abschluss)

    Universität

    1928 - 1938 - Berlin

    Tennissportler

    LTTC Rot-Weiß

    1938 - 1938 - Berlin; Berlin-Moabit

    Verhaftung; Inhaftierung

    Untersuchungsgefängnis

    1938 - 1955 - Brüggen; Bodenburg bei Hildesheim; Berlin; Hamburg; Duisburg

    Tennissportler

    1940 - 1945 - Ostfront; Berlin; Bodenburg

    bis 1942 Kriegseinsatz; Engagement im Widerstand

    Wehrmacht

    1951/55 - 1976 - Hamburg; Berlin; Bodenburg

    Unternehmer; Tennisfunktionär

    9. November 1976 (Autounfall) - bei Kairo

    alternativer text
    Gottfried von Cramm, Imago Images (InC)

    Cramm wuchs in einem begüterten, adligen Umfeld auf Schloss Brüggen bei Hildesheim auf. Nach Erziehung durch Privatlehrer legte er 1928 vor einem Prüfungskollegium in Hildesheim das Abitur ab und nahm anschließend ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Berlin auf, das er 1931 zugunsten seiner sportlichen Laufbahn abbrach.

    Cramm begann bereits als Kind mit dem Tennissport auf dem familieneigenen Platz im Park von Schloss Brüggen. Als Trainingspartner dienten ihm seine Brüder. Cramms Talent wurde Mitte der 1920er Jahre auf den Anlagen der Familie von Dobeneck, Nachbarn der Cramms, entdeckt, die von den besten Spielern und Trainern des Berliner Clubs LTTC Rot-Weiß unterrichtet wurden, des damals sportlich bedeutendsten Tennisclubs Deutschlands. 1927 wurde Cramm deutscher Juniorenmeister im Doppel, stieg während seines Studiums als Mitglied des LTTC Rot-Weiß in die deutsche und die Weltspitze des Tennissports auf und wurde 1931 zweitbester deutscher Spieler hinter seinem Vereinskameraden Daniel Prenn (1904–1991). Auch gesellschaftlich lenkte er nach seiner Heirat mit Lisa Freiin von Dobeneck (1912–1975) das öffentliche Interesse auf sich und trat mit seiner Ehefrau als glamouröses Paar auf: er der schöne „Tennisbaron“, sie eine der „Neuen Frauen“, zudem später deutsche Meisterin im Hockey und Mixed-Partnerin ihres Mannes.

    Sein erstes internationales Turnier gewann Cramm 1931 im Einzel und im Doppel mit Heinrich Kleinschroth (1890–1979) in Athen, weitere erfolgreiche Teilnahmen am ganzjährigen Turnierreigen zwischen Stockholm und Kairo folgten – etwa mit dem Sieg im Einzel bei den Internationalen Meisterschaften von Deutschland in Hamburg 1932. Nach dem Urteil von Zeitgenossen – etwa des tschechischen Weltklassetennisspielers Roderich Menzel (1907–1987) – arbeitete Cramm mit international außergewöhnlicher methodischer Konsequenz und Intensität an seiner Fitness und an der Verbesserung seiner Schlagtechnik. Ende 1934 war er die Nummer drei, Ende 1935 die Nummer zwei der Weltrangliste hinter dem Briten Fred Perry (1909–1995) und galt als Deutschlands beliebtester Sportler neben Max Schmeling (1905–2005). Nach dem Urteil seines US-amerikanischen Gegners und Freundes Donald Budge (1915–2000) war Cramm der populärste Tennisspieler weltweit.

    Cramm avancierte zwischen 1932 und 1937 mit 61 Siegen in 73 Kämpfen zum erfolgreichsten Davis-Cup-Spieler der Welt. Er siegte 1933 mit Hilde Krahwinkel (1908–1981) in Wimbledon und gewann 1934 – mit seinem ersten Grand-Slam-Titel und erstem Sieg eines Deutschen dort – sowie erneut 1936 die French Open. Von 1935 bis 1937 zog er drei Mal in das Finale von Wimbledon ein und erwarb sich für sein elegantes Spiel und seine außergewöhnliche Fairness beim Publikum den Namen des „Gentleman of Wimbledon“ und eines „Gracious Loser“.

    Zum nationalsozialistischen Regime wahrte Cramm innere und äußere Distanz. Er trat nicht der NSDAP bei und kritisierte wiederholt den rassistisch motivierten Ausschluss Prenns aus dem deutschen Davis-Cup-Team. Seit 1931 führte er im Einvernehmen mit seiner Ehefrau eine homosexuelle Beziehung zu dem jüdischen Schauspieler Manasse Herbst (1913–1997), den er in Berlin und später im europäischen Exil unterstützte. Seine Hoffnung, durch seine Popularität vor Verfolgung geschützt zu sein, trog: Anfang März 1938, am Abend seiner Rückkehr von einer umjubelten Welttournee nach Nordamerika, Australien, Japan und auf die Philippinen, wurde Cramm von der Gestapo auf Schloss Brüggen verhaftet, wochenlang in Berlin verhört und im Mai 1938 wegen des Verstoßes gegen § 175 RStGB zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

    Im Oktober 1938 vorzeitig auf Bewährung entlassen, wurde er als Vorbestrafter fortan (und z. T. bis Anfang der 1950er Jahre) nicht zu den wichtigen Turnieren zugelassen, was seine Rückkehr an die Weltspitze verhinderte. 1940 zur Wehrmacht eingezogen und im Dezember 1941 an die Ostfront geschickt, kehrte Cramm im Februar 1942 mit schweren Erfrierungen zurück und wirkte in Berlin im Widerstandskreis um seinen Freund Adam von Trott zu Solz (1909–1944) am Rande mit. Er nutzte seine schwedischen Kontakte – seit einer Begegnung 1930 bei den Turnieren an der Riviera war er mit dem schwedischen König Gustav V. (1858–1950) befreundet – und führte (was der britische Geheimdienst im März 1944 notierte) Gespräche gegen Adolf Hitler (1889–1945) und das NS-Regime in Stockholm. Er wurde deswegen nach dem 20. Juli 1944 vorübergehend verhaftet. Nach Kriegsende verfasste er mit Marion Gräfin Dönhoff (1909–2002) in Form eines Memorandums die erste Schrift über die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 und wurde als unbelasteter deutscher Weltstar zum gesuchten Ansprechpartner für Vertreter der westlichen Alliierten in Fragen des Neuaufbaus örtlicher Strukturen und der Einschätzung der politischen Lage in Deutschland insgesamt.

    Cramm nutzte seine ungebrochene Popularität nach 1945 für vielfältige karitative Zwecke. So gründete er 1945 mit Eugen Gerstenmaier (1906–1986) das Evangelische Hilfswerk, engagierte sich beim Wiederaufbau deutscher Tennisvereine und – als Mitgründer 1948 – des Deutschen Tennisbunds, dann für dessen Wiederaufnahme in den Internationalen Tennisverband. Auch wurde er als Spieler wieder aktiv und gewann Turniere in Westdeutschland. 1947 und 1948 zum ersten „Sportler des Jahres“ gekürt, siegte er 1948 und 1949 (wie schon von 1932 bis 1935) bei den Internationalen Meisterschaften von Deutschland am Rothenbaum in Hamburg im Einzel und mit dem Australier Jack Harper (1914–2005) im Doppel. 1949 und 1950 gewann er weitere bedeutende Turniere gegen Topspieler der Weltrangliste und führte 1951 das bundesdeutsche Davis-Cup-Team noch einmal in das Europa-Finale. Cramms Karriere endete 1955 mit dem Gewinn der Internationalen Meisterschaften in Hamburg im Herren Doppel mit dem Amerikaner Budge Patty (1924–2021).

    Seit 1951 baute Cramm sich mithilfe seiner Kontakte nach Ägypten in Hamburg ein Unternehmen für den Import von Baumwolle auf und gründete in Duisburg eine Tennisschule, die 1958 nach Berlin umzog und aus der bedeutende Spieler wie Wilhelm Bungert (geb. 1939) und Christian Kuhnke (geb. 1939) hervorgingen. In den 1950er Jahren blickte die Weltöffentlichkeit auf Cramm v. a. wegen seiner seit 1937 bestehenden Beziehung zur reichsten Frau der Welt, Barbara Hutton (1912–1979), deren sechster Ehemann er 1955 wurde. Auch in diesen Nachkriegsjahrzehnten führte er gleichwohl homosexuelle Beziehungen. Cramms Tod nach einem Autounfall in der Nähe von Kairo 1976 und seine Beisetzung auf Schloss Oelber (Landkreis Wolfenbüttel) wurden in den bundesdeutschen Medien von großer Anteilnahme begleitet. Als erster Deutscher wurde er 1977 postum in die International Tennis Hall of Fame und 2008 in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.

    Sportliche Erfolge

    1927 Sieger im Doppel bei den Deutschen Junioren-Meisterschaften Erfurt
    1929 Sieger im Einzel und im Doppel bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften Münster
    1931 Sieger im Einzel und im Doppel mit Heinrich Kleinschroth (1890–1979) bei den Internationalen Meisterschaften der Mittelmeerländer Athen
    1932 Daviscup Interzonenfinale gegen die USA Paris
    1932 Sieger im Einzel und im Mixed mit Hilde Krahwinkel (1908–1981) bei den Internationalen Meisterschaften von Deutschland Hamburg-Rothenbaum
    1933 Sieger im Einzel und im Mixed mit Krahwinkel bei den Internationalen Meisterschaften von Deutschland Hamburg-Rothenbaum
    1933 Sieger im Mixed mit Krahwinkel Wimbledon
    1934 Sieger im Einzel und im Mixed mit Krahwinkel, bei den Internationalen Meisterschaften von Deutschland Hamburg-Rothenbaum
    1934 Sieger im Einzel bei den French Open Paris
    1935 Daviscup Interzonenfinale gegen die USA Wimbledon
    1935 Sieger im Einzel bei den Internationalen Meisterschaften von Deutschland Hamburg-Rothenbaum
    1935 Finalteilnehmer im Einzel bei den French Open Paris
    1935 Finalteilnehmer im Einzel Wimbledon
    Ende 1935 Zweiter der Tennis-Weltrangliste
    1936 Daviscup Interzonenfinale gegen Australien Wimbledon
    1936 Sieger im Einzel bei den French Open Paris
    1936 Finalteilnehmer im Einzel Wimbledon
    1937 Daviscup Interzonenfinale gegen die USA Wimbledon
    1937 Sieger im Doppel mit Henner Henkel (1915–1943) bei den French Open Paris
    1937 Finalteilnehmer im Einzel Wimbledon
    1937 Sieger im Doppel mit Henkel bei den US Open Boston
    1939 Sieger im Einzel bei den Internationalen Meisterschaften von Ägypten Alexandria
    1939 Sieger im Einzel und im Doppel mit John Olliff (1908–1951) bei den Internationalen Meisterschaften von London Queen’s Club, London
    1948 Sieger im Einzel und im Doppel mit Jack Harper (1914–2005) bei den Internationalen Meisterschaften von Deutschland Hamburg-Rothenbaum
    1949 Sieger im Doppel mit Harper bei den Internationalen Meisterschaften von Ägypten Kairo
    1949 Sieger im Einzel, im Doppel mit Harper und im Mixed mit Joan Curry (1918–2020) bei den Internationalen Meisterschaften des östlichen Mittelmeers Athen
    1949 Sieger im Einzel und im Doppel mit Harper bei den Internationalen Meisterschaften von Deutschland Hamburg-Rothenbaum
    1950 Sieger im Einzel und im Doppel mit Harper bei den Ägyptischen Meisterschaften Alexandria
    1951 Daviscup Europazonenfinale gegen Schweden Båstad (Schweden)
    1953 Sieger im Doppel mit Jaroslav Drobny (1921–2001) bei den Ägyptischen Meisterschaften Alexandria
    1953–1955 Sieger im Doppel mit Budge Patty (1924–2021) bei den Internationalen Meisterschaften von Deutschland Hamburg-Rothenbaum

    1947 Sportler des Jahres
    1948 Sportler des Jahres
    1951 Silbernes Lorbeerblatt
    1952 Goldenes Band der Sportpresse
    1977 Aufnahme in die International Tennis Hall of Fame
    1988 Aufnahme in die Ehrengalerie des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte
    2008 Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports
    Gottfried-von-Cramm-Wege in Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf und Merzig (Saarland)
    Gottfried-von-Cramm-Straßen u. a. in Bremen-Osterholz, Neufahrn bei Freising und Soltau (Lüneburger Heide)

    Nachlass:

    Privatarchiv der Familie Freiherr von Cramm, Schloss Bodenburg.

    Weitere Archivmaterialien:

    Landesarchiv Berlin, A Rep 358-02 Nr. 21 070 u. A Rep. 358-02 Nr. 9 8301. (Prozessakten 1938)

    Egon Steinkamp, Gottfried von Cramm. Der Tennisbaron. Eine Biographie. Mit Dokumenten, 1990. (P)

    Andreas Pretzel, NS-Opfer unter Vorbehalt. Homosexuelle Männer in Berlin nach 1945, 2002.

    Marshall Jon Fisher, Ich spiele um mein Leben. Gottfried von Cramm und das beste Tennis-Match aller Zeiten, 2009. (P)

    Dirk Böttcher, Art. „Cramm, Gottfried“, in: Klaus Mlynek/Waldemar R. Röhrbein (Hg.), Stadtlexikon Hannover, 2009, S. 119.

    Elizabeth Wilson, Love Game. A History of Tennis, from Victorian Pastime to Global Phenomenon, 2014.

    Jens Nordalm, Der schöne Deutsche. Das Leben des Gottfried von Cramm, 2021. (P)

    Fotografien, Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek, München.

    Fotografien, Digitales Bildarchiv des Bundesarchivs. (Onlineressource)

  • Autor/in

    Jens Nordalm (Berlin)

  • Zitierweise

    Nordalm, Jens, „Cramm, Gottfried von“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118941984.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA