Hanslick, Eduard
- Lebensdaten
- 1825 – 1904
- Geburtsort
- Prag
- Sterbeort
- Baden bei Wien
- Beruf/Funktion
- Musikkritiker ; Musikschriftsteller ; Musikgelehrter ; Komponist
- Konfession
- katholisch
- Normdaten
- GND: 118545825 | OGND | VIAF: 19696720
- Namensvarianten
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- Hanslick, Eduard
- Hanslik, Eduard
- Hanslik, Edvard
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Hanslick, Eduard
Musikkritiker, -schriftsteller und -gelehrter, * 11.9.1825 Prag, † 6.8.1904 Baden bei Wien. (katholisch)
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Genealogie
V →Joseph Adolf (1785–1859), k. k. Bibliothekar, Bibliograph, zeitweilig Prof. d. Ästhetik a. d. Univ. Prag (s. ADB X; Wurzbach VII), aus dt. Bauern-Fam. in Rakonitz/Böhmen (nicht tschechischer oder jüdischer Abstammung);
M Lotte (1795–1845, isr., seit 1823 kath.), T d. →Salomon Abraham Kisch (1760–1840), Hoffaktor u. Bankier in Prag, u. d. Rebekka Götzl;
Tante-m Franziska (⚭ Ignaz Glasersfeld, Kaufm.); Cousine Bertha Glasersfeld (⚭ →Clemens Bewer, 1820–84, Maler, Prof. a. d. Ak. Düsseldorf, s. ThB);
- ⚭ 1876 Sophie Wohlmuth (* 1856), Sängerin;
N →Max Bewer (1861–1921), Schriftsteller, antisemit. u. dt.-völk. Publizist u. Lyriker (s. Kosch, Lit.-Lex.). -
Biographie
Den ersten Musikunterricht erhielt H. vom Vater. 1843-47 war er Schüler von W. J. Tomaschek, der als Komponist auf die Klaviermusik →Franz Schuberts eingewirkt hat. Nach juristischem Studium in Prag (seit 1844) und in Wien (1849 Promotion) wurde er Fiskalbeamter. 1850-52 war er in Klagenfurt angestellt; seitdem lebte er ununterbrochen in Wien. H.s „innerer“ Beruf jedoch war von Anfang an die Musik: Schon seit 1846 betätigte er sich in Wien als Musikkritiker, zunächst an der „Wiener Musikzeitung“, dann an der „Wiener Zeitung“, 1855-64 an der „Presse“ und seitdem an der „Neuen Freien Presse“. Seine aufsehenerregende und großen Einfluß ausübende Schrift „Vom Musikalisch-Schönen“ (Leipzig 1854) wurde 1856 als Habilitationsschrift anerkannt; H. wurde im selben Jahr Privatdozent „für Geschichte der Musik und|Ästhetik“ – der erste Lehrauftrag für Musik an der Wiener Universität. – 1861 wurde er außerordentlicher, 1870 ordentlicher Professor. 1895 trat er in den Ruhestand. – H. unternahm ausgedehnte Reisen durch Deutschland, nach Frankreich, England, Dänemark, Italien. Er war eine zentrale Figur des Wiener, ja des internationalen Musiklebens und hatte mit fast allen namhaften Musikern seiner Zeit persönlichen Kontakt. Enge Freundschaft verband ihn seit seiner Jugend mit dem Musikhistoriker August Wilhelm Ambros, später mit Johannes Brahms und mit dem musikliebenden Chirurgen Th. Billroth.
In H.s Schriften spiegelt sich das Wiener Musikleben und dadurch mittelbar nahezu das gesamte musikalische Schaffen der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, das er mit wachem kritischem Blick beobachtet und beschreibt. Sie sind gekennzeichnet durch große Sachkenntnis, Gewissenhaftigkeit, Scharfsinn, Geist, sarkastischen Witz sowie durch eine gewandte, fesselnde, anregende Darstellungsweise. Oft haben sie polemischen Charakter, da ihnen eine ausgeprägt einseitige Musikanschauung zugrunde liegt, welche zum erstenmal in der Abhandlung „Vom Musikalisch-Schönen“ in aller Deutlichkeit hervortritt. H. wendet sich hier gegen die sogenannte Gefühlsästhetik; Musik sei weder Ausdruck von Gefühlen, noch habe sie den Zweck, Gefühle zu erzeugen, sie „bedeute“ auch nichts Außermusikalisches, sondern ihr Inhalt sei lediglich sie selbst oder seien in der bekannt gewordenen Formulierung „tönend bewegte Formen“. Das eigentliche Wesen der Musik trete am unverfälschtesten in der reinen Instrumentalmusik hervor. Damit ist H. der ausgesprochene Apologet der „absoluten“ Musik, was auch seine hohe Wertschätzung des Werkes von Brahms und seine Ablehnung der Musik Wagners und Liszts erklärt. Umgekehrt wurde H. von Wagner in seinen Schriften mit Spott übergössen; es heißt, daß die Gestalt des Beckmesser in den „Meistersingern von Nürnberg“ ursprünglich den Namen Hans Lide erhalten sollte. Heute erkennt man, daß die Anschauungen H.s wie die seiner Gegner weitgehend in der Musikauffassung des 19. Jahrhunderts wurzeln, nämlich in der falschen oder nur für das 19. Jahrhundert gültigen Alternative „absolute“ Musik – „Programm“-Musik, und deshalb an Aktualität verloren haben. Dennoch ist H.s intensiv den konkreten musikalischen Satz ins Auge fassende Einstellung auf die Musikforschung der Folgezeit (zum Beispiel H. Riemann, aber auch die Wiener und Münchner Schule der Musikwissenschaft) von Einfluß gewesen.|
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Auszeichnungen
Dr. phil. h. c. (Wien), 1863 staatl. Berater f. d. musikal. Stipendienwesen, 1865 mit Ambros Mitgl. d. staatl. Prüfungskomm. f. Musik, 1866 Mitgl. d. Komm. zur Ausstattung d. Wiener Hofoper, 1886 Hofrat.
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Werke
W u. a. Vom Musikalisch-Schönen, Ein Beitrag zur Revision d. Ästhetik d. Tonkunst, 1854, 151922 (einige Aufl, z. T. stark erweitert u. überarb., zahlr. Überss.), Nachdr. d. 1. Aufl. 1965;
Gesch. d. Concertwesens in Wien, 2 Bde., 1869/70 (Bd. 2 u. d. T.: Aus d. Concertsaal);
Die moderne Oper, Kritiken u. Stud., 1875, ⁶1911 (mit Fortss. unter neuen Titeln in 8 weiteren T.);
Aus m. Leben, 2 Bde., 1894, ⁴1911 (P). -
Literatur
A. W. Ambros, Die Grenzen d. Musik u. Poesie, 2 Bde., Prag 1856, ²1872 (kritisch);
F. v. Hausegger, Die Musik als Ausdruck, 1885, ²1887 (vertritt d. Gegenposition zu H.);
F. Printz, Zur Würdigung d. musikästhet. Formalismus E. H.s, Diss. München 1916, 1918;
R. Schäfke, E. H. u. d. Musikästhetik, Diss. Göttingen 1921, 1922;
R. Haas, in: Sudetendt. Lb. I, 1926, S. 205-09 (L, P);
E. Stange, Die Musikanschauung E. H.s, Diss. Münster 1954 (ungedr.);
Riemann;
F. Blume, in: MGG V, Sp. 1482-93 (W-Vorz., L, P: zeitgenöss. Karikatur mit R. Wagner);
Kosch, Lit.-Lex. -
Porträts
zeitgenöss. Karikatur mit Brahms, Abb. in: MGG II, Sp. 199 f.;
Radierung v. P. Halm (München, Stadtmus., Maillinger Bilderchronik);
Denkmal v. V. Tilgner, 1913 (Wien, Arkadenhof d. Univ.);
H. W. Singer, Allg. Bildniskat., 1931, Nr. 36 543-47. -
Autor/in
Rudolf Bockholdt -
Zitierweise
Bockholdt, Rudolf, "Hanslick, Eduard" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 637-638 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118545825.html#ndbcontent