Gildemeister, Otto
- Lebensdaten
- 1823 – 1902
- Geburtsort
- Bremen
- Sterbeort
- Bremen
- Beruf/Funktion
- Bürgermeister von Bremen ; Schriftsteller ; Übersetzer ; Senator ; Journalist ; Bürgermeister ; Politiker ; Übersetzer
- Konfession
- reformiert
- Normdaten
- GND: 116624108 | OGND | VIAF: 67221657
- Namensvarianten
-
- Giotto (Pseudonym)
- Gildemeister, Otto
- Giotto (Pseudonym)
- giotto
- Gildemeisther, Otto
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Gildemeister, Otto (Pseudonym Giotto)
bremischer Senator und Bürgermeister, Schriftsteller und Übersetzer, * 13.3.1823 Bremen, † 26.8.1902 Bremen. (reformiert)
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Genealogie
V →Joh. Carl Frdr. (Fritz) (1779–1849), Senator, verhandelte 1827 zusammen mit d. Hamburger Syndikus Sieveking in Brasilien den ersten überseeischen Handelsvertrag d. Hansestädte, S d. →Joh. Frdr. (1750–1812), Advokat, Prof. d. Rechte in B. u. Duisburg, dann Syndikus d. Elterleute d. Kaufmanns u. Sprecher (Präsident) d. Bürgerkonvents in B. (S d. Johann, s. Einl.), u. d. Amalie Kotzebue (Schw d. Schriftstellers →August v. Kotzebue [† 1819], u. N d. Märchendichters →Karl Musäus [† 1787]);
M Tibeta, T d. →Joh. Jac. Stolz (1753–1823), aus Zürich, 1784-1811 Prediger an St. Martini in B. (s. ADB 37); 10 Geschw., u. a. →Carl (1820–69), Architekt mit großen Erfolgen in Nordamerika, Erbauer d. Kristallpalasts d. New Yorker Weltausstellung 1852 (s. Brem. Biogr. d. 19. Jh., 1912, S. 173 f.; ThB), Marie Christine Amalie (⚭ 1836 →Heinr. Ulrichs, 1807–43, Prof. d. Philol. in Athen, Philhellene, s. ADB 39);
Vt →Martin Herm. (s. 3), →Joh. Matthias (s. 2);
⚭ 1860 Emma Marie Félicie (1838–1920), T d. Tabakkaufm. Meyer in Tampico/Mexiko;
1 T Félicie (Lissy) (1862–1944, ⚭ 1888 →Frdr. Franz Susemihl, 1857–1927, Kaufm. u. sächs. Konsul in B.). -
Biographie
G. war nach Johann Smidt und A. Duckwitz einer der bedeutendsten bremischen Staatsmänner des vorigen Jahrhunderts; der großen Welt bekannter geworden ist er als politischer Essayist und der „Übersetzer Gilde“-Meister, vor allem als Übersetzer frühen italienischen und englischen Schrifttums. Vom hochgebildeten Vater frühzeitig mit fremder Dichtung bekannt gemacht, wurde G. bereits als Schüler des Bremer Gymnasiums zum Übersetzer altklassischer, englischer, französischer, ja sogar persischer Dichtung. Seit Ostern 1842 studierte er in Berlin Geschichte, klassische Philologie und die wichtigsten lebenden Sprachen Europas, hörte Vorlesungen bei →Ranke, →Lachmann, Jakob Grimm und dem Altsprachler →Boeckh, gelegentlich auch bei Wilhelm Grimm und bei →Victor Aimé Huber, der ihm als angeheirateter Vetter bereits von seiner Bremer Zeit her verbunden war. Durch seine Übersetzungen bekannt geworden, wurde G. Mitglied des „Tunnels über der Spree“, eines bekannten literarischen Klubs, in dem unter anderem →Theodor Fontane verkehrte. Hier bestimmte ihn der hochbegabte Kritiker Woldemar von Loos zum Verzicht auf eigene Dichtung und zu um so stärkerer Pflege seiner starken Übersetzungskunst, die er, wiederum durch von Loos angeregt, durch eine meisterhafte Übersetzung von Byrons „Don Juan“ bewies, die Goethe für unmöglich gehalten hatte. In Bonn, wohin er Ostern 1844 zum Weiterstudium gegangen war, hielt es ihn nur 1 Jahr; dann kehrte er in die Vaterstadt zurück, auf den Ruf seines Freundes Theodor Arens, der damals die Schriftleitung der neugegründeten „Weserzeitung“ einzurichten begann, in der G. nach dem frühen Tode des Freundes seit 1850 eine maßgebliche Stellung bekleidete. Mit ganzem Herzen Journalist, ist er nie zum Abschluß seines Studiums gekommen. Die Verbindung zur Presse hat G.|zeitlebens gehalten, auch als er 1852 aus ihrem unmittelbaren Dienste ausschied. Berühmt geworden sind die „Leitartikel“, die er zweimal wöchentlich auch dann noch schrieb, als er längst Senator und dann Bürgermeister geworden war. Zunächst erhielt er auf seine, vielleicht vom alten Bürgermeister Smidt veranlaßte, Bewerbung das Amt des Staatsarchivars mit dem Titel eines Senatssekretärs, bis er 1857 selber in den Senat gewählt wurde. Hier hat er bald zu den führenden Persönlichkeiten gehört und wichtigen Verwaltungen vorgestanden, so der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten; unter anderem hat er seit Gründung des Norddeutschen Bundes Bremen auch im Bundesrat vertreten, wie vorher schon bei der Beratung der Bundesverfassung. Länger als 20 Jahre führte er in der Finanzdeputation den Vorsitz; als Mitglied der Behörde für Handel und Schiffahrt hat er wesentlich zur Förderung des großen Planes der Weserkorrektion beigetragen; vor allem seinem Eintreten ist es zu verdanken, daß Bremen dieses für seine Wirtschaft notwendige Werk im ganzen auf eigene Kosten in Angriff nahm. Den liberalen Anschauungen der Reichsgründungszeit verhaftet und in seiner wirtschaftlichen Auffassung vom Handelsliberalismus her geprägt, ist er der Entwicklung der Wirtschaftspolitik des Reiches nach Delbrücks Abgang und der Schwenkung zur Schutzzollpolitik nur widerwillig gefolgt und hat sich schließlich auch von dem ihm früher lieb gewesenen Amte des bremischen Vertreters im Bundesrat getrennt; Ende 1889 lehnte er auch eine Wiederwahl für das Bürgermeisteramt ab, das er mit den durch die Verfassung vorgeschriebenen Pausen 14 Jahre lang innegehabt hatte. Darüber hinaus bat er 1890 um Entlassung aus dem Senat; körperlich und geistig noch völlig frisch, hat er sich noch 12 Jahre seinen wissenschaftlichen und künstlerischen und im besonderen seinen schriftstellerischen Neigungen und seiner genialen, Reim und Versmaß der Urdichtung nachbildenden Übersetzungskunst widmen können.
Auch während seiner amtlichen Tätigkeit hatte G. ihr niemals zu entraten gehabt. Nach Byron, dessen Gesamtwerk er 1864 in einer 6bändigen Ausgabe in Übersetzung herausgab (⁴1888), übte er seine Kunst an Shakespeare durch Beteiligung an einer neuen, durch F. von Bodenstedt besorgten großen Ausgabe, für die er einen guten Hauptteil, 12 Stücke im ganzen, bestritt (1867-71, ⁵1890); die schwierig zu übersetzenden Sonette ließ er 1871 (²1876) gesondert erscheinen. Am bekanntesten ist er aber als Übersetzer von Ariosts „Rasendem Roland“ (4 Bände, 1882) und von →Dantes „Göttlicher Komödie“ (1888, ⁵1941). Noch mehr fesselte G. jedoch eine freie schriftstellerische Tätigkeit, als „Leitartikler“ bei der „Weserzeitung“ und, wie früher bei der „Deutschen Rundschau“, als Mitarbeiter der von →Theodor Barth herausgegebenen Zeitschrift „Nation“. Seine Aufsätze sind Zeugnis für einen klaren, geistesscharfen und doch mitempfindenden Betrachter von Welt und Menschen seiner Zeit, die gleichzeitig aber durch das Erbe des Humanismus, das in ihm eine letzte schöne Gestalt gewinnt, verklärt erscheint.|
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Auszeichnungen
Dr. phil. h. c. (Tübingen 1864).
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Werke
Weitere W u. a. Überss.: 4 Shakespeare-Dramen (König Lear, 1840, Romeo u. Julia, Othello, Macbeth, ca. 1870), 1904 (aus d. Nachlaß);
Ariosts „Satiren“, 1905 (aus d. Nachlaß durch P. Heyse). -Aufsätze: Essays, 2 Bde., 1896 (v. Freunden veröff.), ⁴1903;
Aus d. Tagen Bismarcks, Pol. Essays, 1908, ²1913;
Briefe, hrsg. v. Lissy Susemihl-Gildemeister, 1922. -
Literatur
W. v. Bippen, in: Brem. Biogr. d. 19. Jh., 1912, S. 174-86 (L);
G. Kunoth u. G. Hellmers, in: Brem. Nachrr. v. 13.3.1923 (P);
F. Schneider, in: Der Schlüssel, Brem. Btrr. z. dt. Kultur u. Wirtsch., 1941, S. 124-26;
A. Fitger, in: BJ VII, S. 32-36 (W, u. Tl. 1902, L). -
Porträts
in Bremer Kunsthalle;
Büste v. G. Roemer (Bremen, Rathaus);
Plakette v. dems. -
Autor/in
Friedrich Prüser -
Zitierweise
Prüser, Friedrich, "Gildemeister, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 395-396 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116624108.html#ndbcontent