Biel, Ulrich
- Lebensdaten
- 1907 – 1996
- Geburtsort
- Charlottenburg (Berlin)
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Rechtsanwalt ; Politiker ; US-amerikanischer Offizier ; Diplomat ; Jurist
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 126061068 | OGND | VIAF: 57593893
- Namensvarianten
-
- Biel, Ulrich E.
- Bielschowsky, Ulrich Eduard
- Biel, Ulrich
- Biel, Ulrich E.
- Bielschowsky, Ulrich Eduard
- Biel, Ulrich Eduard
- Bielschowsky, Ulrich E.
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- Adolf Zycha (1871–1948)
- Axel Springer (1912–1985)
- Ernst Lemmer (1898–1970)
- Ernst Reuter (1889–1953)
- Eugen Gerstenmaier (1906–1986)
- Frank L. Howleys (1903–1993)
- George S. Patton (1885–1945)
- Hans Lukaschek (1895–1960)
- Heinrich Brüning (1885–1970)
- Heinrich Krone (1895–1989)
- Hermann Krages (1909–1992)
- Konrad Adenauer (1876–1967)
- Kurt Schumacher (1895–1952)
- Otto Frei (1924–1990)
- Otto Ostrowski (1883–1963)
- Paulus van Husen (1891–1971)
- Pavel Šticha (geb. 1942)
- Wolfgang Albrecht (geb. 1930)
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Biel, Ulrich E. (eigentlich Ulrich Eduard Bielschowsky)
1907 – 1996
Rechtsanwalt, Politiker, US-amerikanischer Offizier und Diplomat
Der 1934 emigrierte Ulrich E. Biel kehrte 1945 als US-amerikanischer Offizier nach Berlin zurück und führte im April 1945 politische Gespräche über die Zukunft Deutschlands mit Konrad Adenauer (1876–1967). Als Berater der US-amerikanischen Stadtkommandanten hatte er bis 1948 eine Schlüsselstellung bei der Förderung deutscher Politiker in Berlin-West wie Ernst Reuter (1889–1953).
Lebensdaten
Geboren am 17. Mai 1907 in Charlottenburg (Berlin) Gestorben am 9. Januar 1996 in Berlin Grabstätte St. Annen-Kirchhof in Berlin Konfession evangelisch -
Autor/in
→Martin Otto (Hagen)
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Zitierweise
Otto, Martin, „Biel, Ulrich“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/126061068.html#dbocontent
Aufgewachsen im großbürgerlichen Milieu des Berliner Westens, besuchte Biel hier die Volksschule und das Gymnasium und nahm nach dem Abitur 1926 das Studium der Rechtswissenschaften in Genf auf. Zum Wintersemester 1926/27 wechselte er nach Bonn und 1928 nach Berlin. 1929 legte er das Erste Staatsexamen in Berlin ab. Bereits als Student publizierte Biel gelegentlich in der „Vossischen Zeitung“, z. B. 1933 ein feuilletonistisches Porträt der Universität Bonn. Pläne für eine Laufbahn im Verlagswesen zerschlugen sich, als Biel 1933 am 15. August 1933 wegen „nichtarischer Herkunft“ aus dem Referendariat entlassen wurde. Kurz vor der Emigration 1934 in die USA wurde er auf persönlichen Einsatz seines Doktorvaters Adolf Zycha (1871–1948) in Bonn zum Dr. iur. promoviert. Bei seiner Ankunft in den USA nahm er den Namen Biel anstelle seines Geburtsnamens Bielschowsky an.
In New York City übte der sprachunkundige Biel zunächst nur schlecht bezahlte Hilfstätigkeiten kaufmännischer Art aus. 1940 US-amerikanischer Staatsbürger, wurde er 1942 zur Armee eingezogen und zur Nachrichtentruppe Military Intelligence versetzt mit zahlreichen Verwendungen, insbesondere als Intelligence Officer und zuletzt als Legal Advisor Officer.
Infolge der alliierten Invasion in der Normandie kam Biel 1944 als Offizier mit der Armee von General George S. Patton (1885–1945) nach Frankreich und suchte eigenmächtig Kontakte in Deutschland: Im April 1945 führte er aus eigener Initiative Gespräche mit Konrad Adenauer (1876–1967) in Rhöndorf, über die er ein als frühes Dokument einer auf einen „Weststaat“ gerichteten US-amerikanischen Deutschlandpolitik bedeutsames Memorandum für seine militärischen Vorgesetzten verfasste. Auch mit Heinrich Brüning (1885–1970), für den er als Verbindung zu deutschen Freunden wie Paulus van Husen (1891–1971) und Hans Lukaschek (1895–1960) wichtig war, stand Biel in Kontakt, förderte aber Brünings Rückkehr in die deutsche Politik wegen abweichender deutschlandpolitischer Vorstellungen nicht. Ab Juli 1945 war er in Berlin und unter wechselnden Bezeichnungen zeitweilig wichtigster politischer Berater der US-amerikanischen Stadtkommandanten, v. a. Frank L. Howleys (1903–1993). Hier beeinflusste er politische Weichenstellungen im Sinne einer antikommunistischen Politik: Er unterstützte in Abstimmung mit Kurt Schumacher (1895–1952) 1946 die Eigenständigkeit der Westberliner SPD gegenüber der KPD (Urabstimmung gegen die Zwangsvereinigung am 31. März 1946), war 1947 am Sturz des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters Otto Ostrowski (1883–1963) beteiligt und förderte als wichtiger Gesprächspartner und Berater den 1946 aus der türkischen Emigration zurückgekehrten Ernst Reuter (1889–1953). Biel war auch in amtlicher Funktion Verbindungsmann für Angehörige des deutschen Widerstands und unterstützte politisch bedrängte Politiker aus der Sowjetischen Besatzungszone nach ihrer Flucht, u. a. Ernst Lemmer (1898–1970).
Durch seine deutschen Kontakte, darunter seine spätere Lebensgefährtin Marion Gräfin Yorck von Wartenburg (1904–2007), wurde Biel seinen Vorgesetzten suspekt und 1949 nach Hannover, später an die US-amerikanische Hochkommission versetzt. Er schied 1951 gegen seinen Willen aus dem US-amerikanischen Staatsdienst aus, blieb aber den USA politisch verbunden. Biel wurde in Berlin erfolgreich als Rechtsanwalt tätig und nahm die deutsche Staatsangehörigkeit wieder an; Versuche, in der Bank- und Automobilwirtschaft, z. T. mit dem Aktienspekulanten Hermann Krages (1909–1992), als Manager dauerhaft leitende Funktionen zu bekleiden, scheiterten. Seit 1965 auf Empfehlung von Eugen Gerstenmaier (1906–1986) Mitglied der CDU, wurde Biel 1971 in das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt (1975 Alterspräsident), dem er bis 1979 angehörte. Obwohl er, auch durch Leitung eines Untersuchungsausschusses zu der öffentlichen Förderung des umstrittenen Bauvorhabens „Steglitzer Kreisel“ 1974/75, allgemein respektiert war, konnte er an seine frühere Bedeutung als effektiver und diskreter Verbindungsmann zwischen Deutschen und den westlichen Alliierten, insbesondere den US-Amerikanern, nicht mehr anknüpfen. Bis zuletzt war er als Anwalt tätig und Gastgeber einer privaten politischen „Sonntagsrunde“ in seinem Haus, zu deren Teilnehmern Heinrich Krone (1895–1989) und Axel Springer (1912–1985) sowie der schweizerische Journalist Otto Frei (1924–1990) gehörten.
1977 | Ernst-Reuter-Plakette des Landes Berlin |
1985 | Mitgründer und erster Vorsitzender der Vereinigung ehemaliger Angehöriger des Abgeordnetenhaueses von Berlin |
1987 | Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
Nachlass:
Privatbesitz, Berlin.
Weitere Archivmaterialien:
Landesarchiv Berlin, B Ref. 001, Nachlass Otto Suhr, B Rep. 068; Rechtsanwaltskammer Berlin.
Archiv für christlich-demokratische Politik, St. Augustin, Nachlass Eugen Gerstenmaier, Nachlass Ernst Lemmer.
Archiv der sozialen Demokratie, Bonn, Archiv DGB, Bank für Wirtschaft und Arbeit.
Bundesarchiv, Koblenz, N 114, Nachlass Ferdinand Friedensburg, N 1220, Nachlass Hans Peters.
Gedruckte Quellen:
Konrad Adenauer, Briefe 1947–1949, bearb. v. Hans-Peter Mensing, 1984, S. 359.
Heinrich Krone, Tagebücher, bearb. v. Hans-Otto Kleinmann, Bd. 1, 1995, S. 528, Bd. 2, 2003, S. 307, 428.
Ulrich Bielschowsky, Bildnisse deutscher Universitäten. Bonn, in: Vossische Zeitung v. 21.1.1933, Wiederabdruck in: Martin Otto, „Ich hab' die Stadt Berlin regiert“, 2022, S. 187–193.
Übertragung und Belastung von allen Erbteilen einer Erbschaft zu Gunsten eines Dritten. Ein Beitrag zu der Lehre von der gesamten Hand, 1934. (Diss. iur.)
Ulrich Biel, Rede am 28. Januar 1985, in: Zwanzig Jahre Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin e. V., 2005, S. 34–36.
Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945–1953, 1965, S. 19.
Günther Gereke, Ich war königlich-preußischer Landrat, 1970, S. 370 u. 385 f.
Gottfried Benn, Briefe an Tilly Wedekind 1930–1955, hg. v. Marguerite Valerie Schlüter, 1986, S. 268–275.
Marion Yorck von Wartenburg, Die Stärke der Stille. Erinnerungen an ein Leben im Widerstand, 1987, S. 90 ff.. (P)
Frank Müller, Die „Brüning Papers.“ Der letzte Zentrumskanzler im Spiegel seiner Selbstzeugnisse, 1993, S. 52.
Arthur Schlegelmilch, Hauptstadt in Zonendeutschland. Die Entstehung der Berliner Nachkriegsdemokratie 1945–1949, 1993, S. 224 f., 292 u. 511.
Anatol Regnier, Du auf deinem höchsten Dach. Tilly Wedekind und ihre Töchter. Eine Familienbiographie, 2003, S. 334 f.
Frank Hömig, Brüning. Politiker ohne Auftrag. Zwischen Weimarer und Bonner Republik, 2005.
Mark Altten [d. i. Peter Niggl], Mr. Biel und der West-Berliner Sumpf, 2008.
Gerhard Keiderling, Um Deutschlands Einheit. Ferdinand Friedensburg und der Kalte Krieg in Berlin 1945–1952, 2009, S. 160–162.
Paulus van Husen, 1891–1971. Erinnerungen eines Juristen vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik Deutschland, 2010, S. XXV, XXXIX, LXII, 411, 425, 427–433, 456, 464 f., 472–474 u. 476.
Edgar N. Johnson, Fünf Monate in Berlin. Briefe von Edgar N. Johnson aus dem Jahre1946, 2014.
Martin Otto, „Ein stiller Diplomat.“ Ulrich E. Biel im Gespräch über die Berliner Nachkriegspolitik, 2017. (P)
Martin Otto, „Ich hab' die Stadt Berlin regiert...“. Ulrich Biel. Ein stiller Stratege auf der Weltbühne, 2022. (P)
William Stivers/Donald A. Carter, The City Becomes a Symbol. The U.S. Army in the Occupation of Berlin 1945–1949, 2017.
Thomas Boghardt, Covert Legions. U. S. Army Intelligence in Germany 1944–1949, 2022.
Aufsätze:
Martin Otto, Ulrich Biel (1907–1996), graue Eminenz der (West-)Berliner Politik. Eine erste biographische Annäherung, in: Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 2011, S. 285–304.
Martin Otto, „Es wird immer einsamer in Berlin.“ Der deutsche Zugang zum alliierten Machthaber am Beispiel des Briefwechsels von Heinrich Brüning und Ulrich Biel 1945–1948, in: Wolfram Pyta/Rüdiger Voigt (Hg.), Zugang zum Machthaber, 2022, S. 255–280.
Lexikonartikel:
N. N., Art. „Biel, Ulrich“, in: Institut für Zeitgeschichte, München/Research Foundation for Jewish Immigration, Inc., New York (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration, Bd. 1, 1980, S. 62.
N. N., Art. „Biel, Ulrich“ in: Werner Breunig/Andreas Herbst (Hg.), Biografisches Handbuch der Berliner Abgeordneten 1963–1995 und Stadtverordneten 1990/91, 2016, S. 89. (P)
Nachrufe:
Gedenkworte des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin, Sitzung vom 25. Januar 1996, Abdruck in: Plenarprotokolle des Abgeordnetenhaus Berlin 13/3 (1996), S. 70
Joachim Fuhrmann, Nachruf auf Dr. Ulrich E. Biel, in: Berliner Anwaltsblatt 45 (1996), S. 73 f.
Fotografie, 1971, Landesarchiv Berlin, Abbildung in: Werner Breunig/Andreas Herbst (Hg.), Biografisches Handbuch der Berliner Abgeordneten 1963–1995 und Stadtverordneten 1990/91, 2016, S. 89.
Fotografie v. Pavel Šticha (geb. 1942), 1977, Fotografie, 1947, Münchner Stadtbibliothek/Monacensia-Literaturarchiv, Nachlass Kadidja Wedekind, KW B 5, Fotografie v. Wolfgang Albrecht (geb. 1930), 1975, alle abgebildet in: Martin Otto, „Ich hab' die Stadt Berlin regiert...“. Ulrich Biel. Ein stiller Stratege auf der Weltbühne, 2022, Titelseite, S. 67 u. 155.