Thieme, Paul
- Lebensdaten
- 1905 – 2001
- Geburtsort
- Berlin
- Sterbeort
- London
- Beruf/Funktion
- Indologe ; Indogermanist ; Linguist ; Religionswissenschaftler
- Konfession
- -
- Normdaten
- GND: 11954668X | OGND | VIAF: 111361110
- Namensvarianten
-
- Thieme, Paul
- Thieme, P.
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Thieme, Paul
|Indologe, Indogermanist, * 18.3.1905 Berlin, † 24.4.2001 London.
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Genealogie
Aus thür. Pfarrerfam.;
V →Oskar (1868–1943), Hauslehrer in Uruguay, Argentinien u. Paraguay, 1901 ev. Pfarrer in Mechelroda b. Weimar, 1914–37 in Neuenhof, S d. →Paul (1835–1905), 1864 ev. Pfarrer in Zillbach (Thür.), 1870 in Lauchröden, 1879–1904 in Hermstedt u. Schöten (beide s. Thür. Pfarrerbuch III, 2000), u. d. Luise Bertha Köhler;
M Elisabeth Blancke (1870–1942), aus Gotha;
B →Franz (1905-85), RA in Ilmenau, Schw Gertrud (* 1905, ⚭ →Rudolf Werner Füßlein, 1900–80, Dr. iur., Vfg.rechtler, Min.rat);
Urur-Gvv →August (1780–1860), aus Allstedt, Lic. theol., 1803 Lehrer in St. Petersburg, 1805 Schulinsp. u. Dir. d. Schule in Wiburg u. Kexholm (Finnland), 1812 Diakon in Lobeda, 1813 in Ilmenau, Dichter (s. Meusel, Gelehrter Teutschland; Brümmer);
Ur-Gvv →Theodor (* 1810), Rektor u. Diakon in Oldisleben, dann in Kalbsrieth;
– ⚭ 1) Allahabad (Uttar Pradesh) 1933 ⚮ 1940 Dorothy Cearns, T e. brit. Offz., 2) 1942 ⚮ 1948 →Margarete Strohmeyer, Dr. med., Ärztin, 3) 1949 Carola Schneider († 1977), 4) 1991 →Renate Söhnen (* 1945), Dr. phil., Senior Lecturer an der School of Oriental and African Studies in L. (s. L);
1 S aus 1), 1 T aus 2). -
Biographie
Nach dem Abitur in Eisenach studierte T. ab 1923 in Göttingen und 1925/26 in Berlin Indologie, Vergleichende Sprachwissenschaft und Iranistik, v. a. bei →Emil Sieg, Heinrich Lüders und →Wilhelm Schulze; in Göttingen erfolgten 1929 die Promotion (Das Plusquamperfektum im Veda, 1929) und 1932 die Habilitation für Indologie (in engl. Übers. Pāṇini and the Veda, Studies in the early history of linguistic science in India, 1935). Als Deutschlektor hatte er 1932–35 in Allahabad Gelegenheit zum Studium der indischen Grammatiktradition bei einem Pandit; zurück in Deutschland, wurde er 1936 zum Dozenten (1939 ao. Prof.) für Indologie in Breslau ernannt, 1941 zum ao. (1946 o.) Prof. für Vergleichende Sprachwissenschaft und Indologie in Halle. T. verließ 1953 die DDR, um einem Ruf auf die Professur für Indogermanische Sprachwissenschaft an der Univ. Frankfurt/M. zu folgen, ging 1954 aber als „Professor for Sanskrit and Comparative Philology“ an die Yale University (New Haven, Conn.). Von 1960 bis zur Emeritierung 1973 lehrte er Indologie und Vergleichende Religionswissenschaft in Tübingen.
Schwerpunkte seiner Forschung waren die Vedas (einschließlich des sprachlichen und religionsgeschichtlichen Vergleichs mit dem Avesta) und die einheimischen indischen Grammatiker. Seine zahlreichen Arbeiten zu Veda-Texten und zu ihrer Sprache befassen sich mit exegetisch-interpretatorischen Fragen und mit etymologischen Problemen v. a. des kultur- und religionsgeschichtlich relevanten indoiranischen und indogermanischen Wortschatzes. Auf sorgfältiger text- und kontextbezogener Interpretation und überaus genauer grammatischer Analyse fußend, bestechen sie durch Scharfsinn, Originalität und Intuition. Sie verbinden, ganz in der Tradition von T.s Lehrer W. Schulze, Wort- und Sachforschung miteinander, unterscheiden aber scharf zwischen Bezeichnetem und Gemeintem. Als primäre Aufgabe der Vedaexegese betrachtete T. die Feststellung der konkreten Bedeutung der einzelnen Wörter. Die Wiedergabe eines Wortes sollte möglichst mit einer einzigen Übersetzung an allen Belegstellen auskommen. Oft ergaben sich dabei wichtige Erkenntnisse für die verwandten Völker und Sprachen, die dann die Übertragung der entsprechenden Vorstellungen auch in die indoiranische oder in die grundsprachlich-indogermanische Periode erlaubten.
Seinen Ruf als einer der bedeutendsten Indologen des 20. Jh. begründete T. durch Arbeiten zu den Werken der indischen Grammatiker und zu den Anfängen der sozusagen prästrukturalistischen indischen Sprachwissenschaft, deren Erkenntnisse im Abendland zum Teil erst im 19. Jh. wiedergewonnen wurden.
In „Der Fremdling im Ṛgveda“ (1938) stellte T. für das Grundwort jener Wortsippe, zu der auch ved. ā́rya- „Arier“ gehört, nämlich arí-, die ursprüngliche Bedeutung „gastfreundlich, fremdenfreundlich“ fest, und religionsgeschichtlich höchst bedeutsam ist (v. a. in „Mitra and Aryaman“, 1957) der Nachweis dafür, daß indoiranische Götter wie Mitra und Aryaman Personifizierungen ethischer Begriffe (in diesem Fall „Vertrag“ bzw. „Gastlichkeit“) sind. In „Die Heimat der indogermanischen Gemeinsprache“ (1954) demonstrierte T., wie sich mit sprachwissenschaftlicher Beweisführung vorgeschichtliche Verhältnisse erhellen lassen. Von besonderer Bedeutung sind in dieser Schrift auch T.s methodische Überlegungen und seine linguistische Argumentation zugunsten der These, daß die indogermanischen Sprachen tatsächlich ursprungsverwandt (und kein durch Konvergenz entwickelter Sprachbund) sind und daß ihre Grundsprache demzufolge eine geschichtliche Realität ist.
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Auszeichnungen
A Mitgl. d. Sächs. Ak. d. Wiss. (o. 1949, korr. 1953), d. Bayer. Ak. d. Wiss. (korr. 1983);
Dr. h. c. Benares (1981);
Ehrenmitgl. d. Dt. Morgenländ. Ges. (1983);
Kyoto-Preis d. Inamori Foundation (1988). -
Werke
Weitere W Unterss. z. Wortkde. u. Auslegung des Rigveda, 1949;
Studien z. indogerman. Wortkde. u. Rel.gesch., 1952;
Kl. Schrr., 2 Bde., 1971–95 (unvollst. W-Verz.);
Zur Frühgesch. d. Schachs, 1994. -
Literatur
L J. Narten, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 2002, S. 311–17 (P);
H. Scharfe, in: Indo-European Studies Bull. 10/1, 2002, S. 19–21;
R. Schmitt, in: Kratylos 47, 2002, S. 221–25; R. Söhnen-Thieme, in: Indienforsch. im Zeitenwandel, Analysen u. Dokumente z. Indol. u. Rel.wiss. in Tübingen, 2003, S. 250–80 (P) -
Autor/in
Rüdiger Schmitt -
Zitierweise
Schmitt, Rüdiger, "Thieme, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 126-127 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11954668X.html#ndbcontent