Seel, Otto
- Lebensdaten
- 1907 – 1975
- Geburtsort
- Annweiler (Pfalz)
- Sterbeort
- Erlangen
- Beruf/Funktion
- klassischer Philologe
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 117754862 | OGND | VIAF: 61638489
- Namensvarianten
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- Seel, Otto
- Seel, Ottone
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Seel, Otto
Klassischer Philologe, * 18. 1. 1907 Annweiler (Pfalz), † 11. 2. 1975 Erlangen. (evangelisch)
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Genealogie
V →Jakob (1879–1944), aus Fischbach b. Kaiserslautern, Steuerbeamter, Rechnungsrat in A.;
M Anna Frenger (1879–1919), aus Olsbrücken (Pfalz);
⚭ Ludwigshafen 1934 Erna (1909–97), T d. Johannes Schneider (1881–um 1950, aus Flomersheim b. Frankenthal (Pfalz), Fabrikarb. in Ludwigshafen/Rhein, u. d. Elisabeth Hauswirth (1882– um 1963) aus Haßloch (Pfalz);
1 S →Arno (* 1945), Dr. phil., Gymn.dir. in E., 1 T Roswith Pruszak-S. (* 1937), Med.rätin. -
Biographie
Nach dem Abitur in Landau studierte S. zunächst Chemie, wechselte aber, angezogen von der lat. Dichtung, zur Klassischen Philologie in Frankfurt/Main, München und Erlangen. Dort wurde →Kurt Witte, ein eigenwilliger Einzelgänger, sein maßgeblicher Lehrer. Studienaufenthalte als Stipendiat der Notgemeinschaft der dt. Wissenschaft 1932–34 in Florenz bei Giorgio Pasquali und v. a. in Kiel bei →Felix Jacoby (1876–1959) brachten bleibende Eindrücke. Erste Arbeiten galten den antiken Historikern: S. wurde bereits 1930 mit einer Dissertation über „Sallust, Von den Briefen Ad Caesarem zur Coniuratio Catilinae“ promoviert und habilitierte sich 1935 mit „Hirtius, Untersuchungen über die pseudocaesarianischen Bella und den Balbus-Brief“; dazu kam die Edition des Historikers Iustinus (1935, ²1972). Als Nachfolger von →Alfred Klotz wurde S. 1940 zum ao. Professor (1943 o.) für Lat. Philologie in Erlangen ernannt. Nach seinem Militärdienst in Jugoslawien wurde S. durch die amerik. Militäradministration zunächst entlassen. Nach editorischer Tätigkeit im Anker-Verlag und 1948/49 als Gymnasiallehrer in Erlangen wurde S. nach dem Tod Wittes 1950 auf den Lehrstuhl für Griech. Philologie in Erlangen berufen, nach dem Tod Carl Kochs wechselte er 1956 wieder auf den Lehrstuhl für Lat. Philologie. Die Studentenrevolte 1968 führten zu einem schweren gesundheitlichen Zusammenbruch, dem eine nur prekäre Erholung folgte.
S.s wissenschaftliche Arbeit nach Kriegsende führte von einer zweisprachigen Ausgabe des Persius (1950, ²1974), über „Vox humana, Ein Lesebuch aus Cicero“ (1949, ²1963) zu dem Buch „Cicero, Wort, Staat, Welt“ (1953, ³1967). Cicero, Inbegriff der lat. Literatur, erfährt hier eine aktuelle Verlebendigung: in einer Krisenzeit, die vom charismatisch-gefährlichen Caesar bestimmt ist, gelingt Cicero immer wieder die ,verlustfreie` Umsetzung der Erfahrung ins Wort. Die folgende Griechisch-Phase im Werk S.s brachte ein originelles griech. Lesebuch „Eiresione“ (1957) hervor, mit Lust fürs Entlegene – Entdeckerfahrten bis zum Alexander-Roman –, sowie als besonders gelungenes Buch „Aristophanes oder Versuch über Komödie“ (1960). Danach befaßte sich S. von neuem mit der lat. Literatur: Zu einer Literaturgeschichte „Weltdichtung Roms, Zwischen Hellas und Gegenwart“ (1965, ital. 1969) trat die Studie „Römertum und Latinität“ (1964), mit der Frage, wieso das Imperium „Römisch“, die Sprache aber „Lateinisch“ heißt. Die Wiederaufnahme der Arbeiten an Caesar (Bellum Gallicum, 1961, ²1968) und Iustin (Pompei Trogi Fragmenta, 1956; Pompeius Trogus, Weltgeschichte, übers. 1972; Eine röm. Weltgeschichte, Studien zur Epitome des Iustinus und zur Historik des Pompeius Trogus, 1972) war begleitet von originellen Einzelstudien. Eine zusammenfassende Reflexion über Latinität liegt vor im letzten, postum erschienenen Buch, „Quintilian oder Die Kunst des Redens und Schweigens“ (1977, Nachdr. 1987).
S.s besondere Wirkung ist nur partiell den Publikationen zu entnehmen. Mit bloßer Stoffanhäufung war er nie zufrieden. Sensibilisiert für die Vielschichtigkeiten des Wortes, suchte er stets das menschlich Bewegende. Die wirkungsgeschichtliche Einheit antiker und moderner literarischer Kultur war ihm selbstverständlich; gern ging er überraschenden Verbindungen nach, etwa von Plutarchs Caesar, der Sümpfe trocken zu legen gedenkt, zum Ende des „Faust“ bei Goethe (Caesar-Studien, 1967, Kap. V). Eindringende Verständnisbereitschaft verband sich mit ungewöhnlicher Formulierungsgabe. Dies strahlte über das Klassisch-Philologische Seminar in die ganze Fakultät aus. Zu seinen Schülern gehörten Walter Burkert, Egert Pöhlmann und Udo Scholz.
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Auszeichnungen
Bayer. Verdienstorden (1970);
Habilitationspreis O.-S.-Preis d. Phil. Fak. d. Univ. Erlangen-Nürnberg (1997–2002/03). -
Werke
Weitere W u. a. Die Invektive gegen Cicero, 1943, Nachdr. 1961;
– Überss.:
Der Physiologus, ab 4. Aufl. mit d. Untertitel: Tiere u. ihre Symbolik, 1960, ⁷1997, Nachdrr. 2000 u. 2003;
Antike Entdeckerfahrten, Zwei Reiseberr., 1961;
Aristophanes, Die Wolken, 1963;
Verschlüsselte Gegenwart, Drei Interpretationen antiker Texte, 1972;
– ungedr. W-Verz. b. Prof. W. Burkert (Uster) u. in d. NDB-Redaktion. -
Literatur
W. Burkert, in: Gnomon 48, 1976, S. 217–22;
A. Wendehorst, Gesch. d. Friedrich-Alexander-Univ. Erlangen-Nürnberg 1743–1993, 1993, S. 198 u. 231 f.;
Kürschner, Gel.-Kal. 1970 (W);
Biogr. Lex. NS-Wiss.pol.;
Erlanger Professoren III (in Vorbereitung). -
Autor/in
Walter Burkert -
Zitierweise
Burkert, Walter, "Seel, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 146-147 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117754862.html#ndbcontent