Behrens, Fritz
- Lebensdaten
- 1909 – 1980
- Geburtsort
- Rostock
- Sterbeort
- Zeuthen (Brandenburg)
- Beruf/Funktion
- Wirtschaftswissenschaftler ; Politologe
- Konfession
- konfessionslos
- Normdaten
- GND: 122072006 | OGND | VIAF: 64879930
- Namensvarianten
-
- Behrens, Friedrich Franz Willi
- Behrens, Fritz
- Behrens, Friedrich Franz Willi
- Behrens, F.
- Behrens, Friedrich
- Behrens, Friedrich Franz
- Behrens, Friedrich Fritz
- Bêrensu, F.
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Behrens, Fritz (eigentlich Friedrich Franz Willi Behrens)
1909 – 1980
Wirtschaftswissenschaftler
Fritz Behrens war einer der anerkanntesten Wirtschaftswissenschaftler der DDR. Während er eine führende Rolle im Aufbau der marxistisch-leninistischen Wirtschaftswissenschaft an der Universität Leipzig und der Akademie der Wissenschaften in Berlin spielte, wurden seine Ideen zur Dezentralisierung der Wirtschaftsplanung Ende der 1950er Jahre als „revisionistisch“ bezeichnet. Dies führte zu einem Karrierebruch. Behrens gilt als Vordenker des Neuen Ökonomischen Systems.
Lebensdaten
Geboren am 20. September 1909 in Rostock Gestorben am 15. Juli 1980 in Zeuthen (Brandenburg) Grabstätte Friedhof in Zeuthen Konfession konfessionslos -
Autor/in
→Till Düppe (Montréal, Québec, Kanada)
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Zitierweise
Düppe, Till, „Behrens, Fritz“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/122072006.html#dbocontent
Nach dem Schulbesuch und einer Ausbildung zum Maschinenbauer an der Neptun-Werft Rostock arbeitete Behrens bis 1929 als Maschinenassistent bei der Handelsmarine. 1924 wurde er Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend und 1926 der SPD. Er besuchte die Heimvolkshochschule in Leipzig mit abschließender Begabtenprüfung und studierte anschließend von 1931 bis 1935 Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Universität Leipzig. Seit 1932 war er Mitglied der KPD. 1935 mit einer Arbeit zur Konjunkturtheorie, den „Wechsellagen“, zum Dr. rer. pol. promoviert, war er bis 1939 als wissenschaftlicher Hilfsreferent, nach der Dienstverpflichtung zum Oberkommando der Wehrmacht als Statistiker für Preis- und Vertragsprüfung beim Statistischen Reichsamt Berlin tätig. 1941 wurde er als Sozialstatistiker zum Statistischen Zentralamt des Protektorats Böhmen und Mähren in Prag abkommandiert und hatte vereinzelt Lehraufträge für Statistik an der Deutschen Universität Prag. Seine 1941 eingereichte Habilitationsschrift wurde wegen marxistischer Argumentation abgelehnt.
Von Kriegsende bis 1946 war Behrens Stadtrat für Volksbildung und Jugend in Zwickau. Nach einer Vertretung der Professur für Politische Ökonomie und Statistik an der Universität Leipzig habilitierte er sich 1947 mit einer statistisch-theoretischen Arbeit zur Arbeitsproduktivität im Kapitalismus für Politische Ökonomie und wurde ordentlicher Professor für Politische Ökonomie, Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften sowie Gründungsdekan der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Zugleich war er von 1946 bis 1955 mit Unterbrechungen Mitglied der Universitätsparteileitung. Behrens war in dieser Zeit wesentlich am marxistisch-leninistischen Umbau der Wirtschaftswissenschaften beteiligt, wobei er sich für die politische Marginalisierung der Betriebswirtschaftslehre einsetzte, selbst aber auch aufgrund seines Akzents auf wissenschaftlichen Methoden dem Vorwurf des „Objektivismus“ ausgesetzt war.
1955 wurde Behrens als stellvertretender Direktor des Zentralinstituts für Wirtschaftswissenschaften an die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAW) sowie als Leiter der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik (SZS) berufen. Er wurde ebenfalls stellvertretender Vorsitzender der Staatlichen Plankommission und damit Mitglied des Ministerrats, was seine zentrale Stellung als Ökonom der frühen DDR bestätigte. Nach dem sowjetischen Bruch mit dem Stalinismus verfasste er 1956 mit seinem Assistenten Arne Benary (1929–1971) eine Schrift, die Ideen für eine Dezentralisierung der Wirtschaft und eine verringerte Rolle des Staates im Sozialismus enthielt. Obwohl schon gedruckt, wurde das Buch im Frühjahr 1957 nicht ausgeliefert und von Generalsekretär Walter Ulbricht (1893–1973) öffentlich als „revisionistisch“ kritisiert. Benary wurde in die Industrie versetzt, Behrens verlor trotz öffentlicher Selbstkritik seine Position in der SZS und wurde an der DAW zum Leiter einer Arbeitsgruppe „Arbeitsproduktivität“ herabgesetzt. Seine Arbeiten zur Produktivitätstheorie und zu den Geldbeziehungen im Sozialismus bestimmten weiterhin die Diskussionen zur politischen Ökonomie des Sozialismus in der DDR. Behrens‘ Ideen fanden sich teilweise in den Ausarbeitungen seiner Schüler, u. a. bei Wolfgang Berger (1921–1994), und damit in Ulbrichts Neuem Ökonomischem System wieder. Doch war Behrens‘ weitere akademische Tätigkeit durch parteiliche Zensur und Gängelungen behindert.
Nachdem Behrens 1967 einen nicht genehmigten Vortrag bei der 100-Jahrfeier zu Marx‘ „Kapital“ in Frankfurt am Main mit Kritik am Kurs der SEDgehalten hatte, drohten erneute Parteistrafen, die er mit der ihm nahe gelegten vorzeitigen Emeritierung 1967 vermied. Danach befasste er sich weiter mit Konzepten des sozialistischen Pluralismus und der Selbstverwaltung sowie mit den Ursachen des Niedergangs des bürokratischen Staatssozialismus in der DDR, z. B. dem Klasseninteresse der Partei. Diese Arbeiten wurden erst nach seinem Tod von seiner Tochter Hannamaria Loschinski (geb. 1938) veröffentlicht. 1990 wurde Behrens von der PDS-Schiedskommission postum gegen die seit 1957 erhobenen Vorwürfe rehabilitiert. Außerhalb der DDR entfalteten seine Arbeiten wenig Wirkung.
1948 | Mitglied der Hellmuth von Gerlach-Gesellschaft |
1949 | Mitglied der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) |
1954 | Nationalpreis der DDR |
1956 | ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab 1972 Akademie der Wissenschaften der DDR zu Berlin |
1964 | Vaterländischer Verdienstorden in Silber |
1976 | Medaille für 50jährige Parteizugehörigkeit vom Zentralkomitee der SED |
1979 | Dr. h. c., Universität Leipzig |
Nachlass:
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin. (weiterführende Informationen)
Weitere Archivmaterialien:
Universitätsarchiv Leipzig, Personalakte Prof. Friedrich Behrens, UAL PA 0013.
Das Geldkapital in den Wechsellagen. Zugleich eine Untersuchung über die Möglichkeit der statistischen Erfassung des Geldkapitals in den Wechsellagen, 1936. (Diss. phil.)
Alte und neue Probleme der politischen Ökonomie. Eine theoretische und statistische Studie über die produktive Arbeit im Kapitalismus, 1948. (Habilitationsschrift)
Die Arbeitsproduktivität, 1952.
Zur Methode der politischen Ökonomie. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Ökonomie, 1952.
Arbeitsproduktivität, Lohnentwicklung und Rentabilität, 1955.
Fritz Behrens/Arne Benary, Zur ökonomischen Theorie und Ökonomie und Politik in der Übergangsperiode, 1956. (gedruckt, aber nicht ausgeliefert)
Ware, Wert und Wertgesetz. Kritik und selbstkritische Betrachtungen zur Werttheorie im Sozialismus, 1961.
Fritz Behrens/Albert Franke/Ernst Domin, Die Zeitsummenmethode. Neue Wege der Planung und Abrechnung der Arbeitsproduktivität und der Selbstkosten, 1961, 41963.
Grundriß der Geschichte der Politischen Ökonomie, 4 Bde., 1962–1981.
Ursachen, Merkmale und Perspektiven des neuen Modells der Leitung der sozialistischen Wirtschaft, 1966.
Abschied von der sozialen Utopie, hg. v. Hannamaria Loschinski, 1992.
Monografien:
Eva Müller/Manfred Neuhaus/Joachim Tesch (Hg.), „Ich habe einige Dogmen angetastet...“. Werk und Wirken von Fritz Behrens, Beiträge des vierten Walter-Markov-Kolloquiums, 1999. (vollständiges Werkverzeichnis S. 146–153)
Markus Wustmann, Die Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät in Leipzig 1947–1951. Experimentierfeld kommunistischer Hochschulpolitik in SBZ und früher DDR, 2004.
Guntolf Herzberg, Anpassung und Aufbegehren. Die Intelligenz der DDR in den Krisenjahren 1956/58, 2006.
Günter Krause/Dieter Janke (Hg.), Man kann nicht Marxist sein, ohne Utopist zu sein. Texte von und über Fritz Behrens, 2010.
Aufsätze:
Petra Opitz, Die Kategorie Arbeitsproduktivität in der politischen Ökonomie der DDR von 1945 bis Ende der 70er Jahre, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte / Economic History Yearbook 26 (1985), H. 4, S. 25–46.
Helmut Steiner, Der aufrechte Gang eines DDR-Ökonomen. Fritz Behrens (1909-1980), in: UTOPIE kreativ 2 (1990), S. 80–84.
Helmut Steiner, Fritz Behrens, Lebensbilanz eines sozialistischen Wissenschaftlers. Zum erstmaligen Erscheinen seiner Kritik des Staatssozialismus, in: Deutschland-Archiv 11 (1992), S. 1160–1168.
Helmut Steiner, Das Akademie-Institut für Wirtschaftswissenschaften im Widerstreit wissenschaftlicher, ideologischer und politischer Auseinandersetzungen, in: Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät 36 (2000), S. 89–124.
Peter Caldwell, Productivity, Value, and Plan. Fritz Behrens and the Economics of Revisionism in the German Democratic Republic, in: History of Political Economy 32 (2000), H. 1, S. 103–137.
Hans-Georg Draheim, Friedrich Behrens und Arne Benary als kritische Vordenker einer sozialistischen Wirtschaftstheorie, in: UTOPIE kreativ 144 (2002), S. 920–932.
Till Düppe, A Science Show Debate. How the Stasi Staged Revisionism, in: Contemporary European History 30 (2021), H. 1, S. 92–110.
Lexikonartikel:
Hagen Schwärzel, Art. „Behrens, Friedrich (Fritz)“, in: Wer war wer in der DDR?, 5. Ausg., Bd. 1, 2010. (Onlineressource)
Fotografie, Universitätsarchiv Leipzig. (Onlineressource)
Fotografie, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. (Onlineressource)