Kohlmey, Gunther
- Lebensdaten
- 1913 – 1999
- Geburtsort
- Berlin
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Wirtschaftswissenschaftler
- Normdaten
- GND: 570794145 | OGND | VIAF
- Namensvarianten
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- Dr. Peter Hall
- Kohlmey, Gunther
- Dr. Peter Hall
- Cohlmey, Gunther
- kohlmey, gunter
- Dr. Pether Hall
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Kohlmey, Gunther
Pseudonym: Dr. Peter Hall
1913 – 1999
Wirtschaftswissenschaftler
Gunther Kohlmey war als Gründungsdirektor des Zentralinstituts für Wirtschaftswissenschaften eine Leitfigur der Ökonomie der frühen DDR, v. a. des Geld- und Finanzsystems. Nach seinen Vorschlägen für die Errichtung einer unabhängige Notenbank zur Zeit der Tauwetter-Periode nach 1953 wurde Kohlmey des „Revisionismus“ beschuldigt und verlor seine Stellung am Institut. Dennoch prägte er auch danach als Professor an der Hochschule für Ökonomie die Wirtschaftswissenschaften der DDR.
Lebensdaten
Geboren am 27. Juli 1913 in Berlin Gestorben am 25. Dezember 1999 in Berlin Grabstätte Friedhof der Evangelischen Segensgemeinde in Berlin-Weißensee -
Autor/in
→Till Düppe (Montréal, Québec, Kanada)
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Zitierweise
Düppe, Till, „Kohlmey, Gunther“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/570794145.html#dbocontent
Kohlmey studierte nach dem Abitur 1932 in Berlin bis 1936 Nationalökonomie an den Universitäten Freiburg im Breisgau und Berlin, wo er 1940 mit einer Arbeit zur „Industrialisierung Britisch-Indiens und Argentiniens“ (1941) zum Dr. rer. pol. promoviert wurde. Seit 1937 Mitglied der NSDAP, wurde er 1939 zum Kriegsdienst einberufen (zuletzt Leutnant). Am Kuban-Brückenkopf in der Sowjetunion lief Kohlmey 1943 zur Armee der Sowjetunion über und kam kurzzeitig in Moskau in Kriegsgefangenschaft. Seine wirtschaftswissenschaftliche und offenbar sozialistische Kompetenz brachte ihm jedoch noch 1943 die Position eines Assistenten an der zentralen Antifa-Schule in Krasnogorsk bei Moskau ein. 1947 kehrte er nach Berlin-Ost zurück und wurde 1948 Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
1948 wurde Kohlmey Gründungsdekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sowie Direktor des Instituts für Politische Ökonomie des Sozialismus an der Deutschen Verwaltungsakademie Forst-Zinna, die 1953 in die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft (DASR) „Walter Ulbricht“ in Potsdam überging. Seine wichtige Stellung als Ökonom der frühen DDR wurde deutlich, als er 1954 als Gründungsdirektor des Zentralinstituts für Wirtschaftswissenschaften an die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAW) berufen wurde. Dieses Institut sollte die marxistisch-leninistische Orientierung der Akademie repräsentieren und der maßgebende Ort wirtschaftswissenschaftlicher Forschung in der DDR werden, verlor jedoch in der Folge der Revisionismuskampagne des Politbürosder späten 1950er Jahre, die die Reformdiskussionen in der DDR nach dem Tod Stalins beendete, seine Bedeutung. Während der Parteikampagne gegen den stellvertretenden Direktor Fritz Behrens (1909–1980) nahm Kohlmey eine vermittelnde Rolle ein, seine Reformideen wie die einer unabhängigen Zentralbank wurden aber als „revisionistisch“ bezeichnet. 1958 musste er als Direktor des Instituts zurücktreten und verlor seine Position als Chefredakteur der Zeitschrift „Wirtschaftswissenschaften“ sowie den Lehrstuhl an der Humboldt-Universität.
1961 konnte Kohlmey akademisch wieder Fuß fassen, als er zum Professor für internationale Handels- und Valutabeziehungen an die Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst berufen wurde. Auch die Wahl zum ordentlichen Mitglied der DAW 1964 zeugten von seiner Anerkennung trotz der Revisionismuskampagne der 1950er Jahre. Nach vielen Veröffentlichungen zu internationalen Wirtschaftsbeziehungen im Sozialismus wurde Kohlmey 1967 zum Vorsitzenden des wissenschaftlichen Rats beim Ministerium für Außenwirtschaft ernannt. Im Zusammenhang der weiteren Reformen an Walter Ulbrichts (1893–1973) Neuem Ökonomischen System und vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik veröffentlichte Kohlmey 1968 einen Aufsatz zur Dezentralisierung der Wirtschaftsplanung unter Beachtung der marktgesetzlichen Selbstregulierung mit dem Titel „Planen als Regeln und Steuern“, den Kurt Hager (1912–1998) auf dem 9. Plenum des ZK der SED als verstecktes Konzept einer Sozialen Marktwirtschaft angriff. Hierauf wurde Kohlmey als Vorsitzender des wissenschaftlichen Rats beim Ministerium für Außenwirtschaft wieder abberufen.
Kohlmey setzte sich in den 1970er Jahren neben seiner Professur an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst auch für die Kooperation mit den westlichen Wirtschaftswissenschaften innerhalb der International Economic Associationein, in der er dem Komitee für Ost-West-Beziehungen in Europa angehörte; seine Arbeiten wurden jedoch außerhalb der DDR wissenschaftlich nicht wirksam. Bis 1983 war Kohlmey Vorsitzender des Nationalkomitees für Wirtschaftswissenschaften an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Nach der Wiedervereinigung war er bis 1994 im Rat der Alten der PDS politisch tätig.
1955 | Nationalpreis der DDR |
1964–1992 | ordentliches Mitglied der DAW |
1978 | Vorsitzender des Nationalkomitees für Wirtschaftswissenschaften der Akademie der Wissenschaften der DDR |
1978 | Dr. h. c., Hochschule für Ökonomie, Berlin-Karlshorst |
1978 | Vaterländischer Verdienstorden |
1979 | Ehrenmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest |
1983 | Stern der Völkerfreundschaft |
Nachlass:
Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn. (weiterführende Informationen)
weitere Archivmaterialien:
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Personalbogen v. 15.3.1990, VA-PA: Prof. Gunther Kohlmey, Personal-Karte A, AKL (1945-1968) Pers., Nr. A 612.
Die Industrialisierung Britisch-Indiens und Argentiniens. Ein Beitrag zum Problem der Neuindustrialisierung, 1941. (Diss. rer. pol.)
Der demokratische Weltmarkt. Merkmale und Bedeutung für den sozialistischen Aufbau, 1955.
Das Geldsystem der Deutschen Demokratischen Republik, 1956.
Zur Systematisierung der heutigen bürgerlichen Geld- und Kredittheorien. Betrachtungen an Hand des Buches von W. Zaga, Die heutigen bürgerlichen Geld- und Kredittheorien (russisch), 1955, in: Geld und Kredit 11(956), H. 4, S. 321–325.
Entwicklungsprobleme des sozialistischen Weltwirtschaftssystems, 1958.
Karl Marx‘ Theorie von den internationalen Werten mit einigen Schlußfolgerungen für die Preisbildung im Außenhandel zwischen den sozialistischen Staaten, 1962.
Planen als Regeln und Steuern, Probleme der politischen Ökonomie, in: Jahrbuch des Zentralinstituts für Wirtschaftswissenschaften 11 (1968), S. 89–121.
Vergesellschaftung und Integration im Sozialismus, 1973.
Moderne Produktion und Arbeitswerttheorie, 1987.
Ethnische Selbstbestimmung und Globalität, in: UTOPIE kreativ 37/38 (1993), S. 9–16.
Bibliografie:
Sozialismus als Alternative. Texte von 1947 bis 1993. Gunther Kohlmey, hg. v. Jörn Schütrumpf/Wolfram Adolphi, 2001, S. 142–175. (vollständiges Werkverzeichnis) (Onlineressource)
Jürgen Kuczynski/Heinrich Scheel (Hg.), Zum wissenschaftlichen Werk von Gunther Kohlmey, 1984.
Helmut Steiner, Gunther Kohlmey im Fadenkreuz der Revisionismus-Kampagne, in: UTOPIE kreativ 33/34 (1993), S. 82–105.
Helmut Steiner/Hans-Joachim Braun, Zum „Fall“ Gunther Kohlmey. Briefwechsel, in: UTOPIE kreativ 37/38 (1993), S. 81–86.
Günter Krause, Wirtschaftstheorie in der DDR, 1998.
Peter Caldwell, Dictatorship, State Planning, and Social Theory in the German Democratic Republic, 2003.
Nachruf:
Wolfram Adolphi, In memoriam Gunther Kohlmey, in: UTOPIE kreativ 112 (2000), S. 109 f. (Onlineressource)
Fotografie v. Karin Peters, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Fotosammlung. (Onlineressource)