Spoliansky, Mischa
- Lebensdaten
- 1898 – 1985
- Geburtsort
- Białystok
- Sterbeort
- London
- Beruf/Funktion
- Komponist ; Pianist ; Dirigent ; Sänger ; Kabarettist ; Schauspieler
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 117485578 | OGND | VIAF: 54341710
- Namensvarianten
-
- Spoliansky, Michael (eigentlich)
- Billing, Arno (Pseudonym)
- Galento, Toni (Pseudonym)
- Spoliansky, Mischa
- Spoliansky, Michael (eigentlich)
- spoliansky, michael
- Billing, Arno (Pseudonym)
- billing, arno
- Galento, Toni (Pseudonym)
- galento, toni
- Spolianski, Mischa
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Spoliansky, Mischa (eigentlich Michail, Pseudonym Arno Billing, Toni Galento)
Komponist, Pianist, Dirigent, Sänger, * 28. 12. 1898 Białystok, † 28. 6. 1985 London. (jüdisch)
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Genealogie
V →Paul (Pinchos Moschkow) (1856–1907), aus Radomysl (Wolhynien), Opernsänger, seit 1903 in Dresden;
M N. N. († vor 1907);
1 B →Alexander (* 1884), Cellist im Warschauer Sinfonieorchester, 1 Schw Lisa Schröder (* 1892), Pianistin, Meisterschülerin v. Artur Schnabel;
– ⚭ 1922 →Elsbeth (Eddy) Reinwald, Tänzerin; 2 T. -
Biographie
In eine jüd. Musikerfamilie im seinerzeit russisch besetzten Polen hineingeboren, erhielt S. Cello-, Geigen- und Klavierunterricht. Wechselnde Engagements des Vaters und die Furcht vor antisemitischen Pogromen zwangen die Familie zu häufigem Ortswechsel; schließlich übersiedelte sie 1903 nach Dresden. Hier gab S., inzwischen Vollwaise, 1909 sein erstes öffentliches Konzert als Pianist. Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs kam er über Königsberg nach Berlin, wo er eine Textillehre begann und, um sich sein Studium am Sternschen Konservatorium zu finanzieren, in Cafés und kleinen Emigranten-Kabaretts spielte. Dort wurde er von dem Operettenkomponisten →Victor Hollaender (1866–1940) entdeckt und dem literarisch-politischen Kabarett im Großen Schauspielhaus empfohlen, wo Hollaenders Sohn →Friedrich (1896–1976) als musikalischer Leiter arbeitete. Im „Schall und Rauch“ und seit 1922 in der „Wilden Bühne“ wirkte S. als Mann am Klavier und vertonte bald Chansontexte der führenden Kabarettautoren →Kurt Tucholsky (1890–1935), →Walter Mehring (1896–1981), Klabund (1890–1928) und →Joachim Ringelnatz (1883–1934). An der „Wilden Bühne“ kam es auch zur ersten Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller →Marcellus Schiffer (1892–1932), mit dem S. in der Folgezeit eine ganze Reihe erfolgreicher Bühnenstücke und Kabarett-Revuen schrieb. Seinen Durchbruch hatte das Autorenteam 1928 mit „Es liegt in der Luft“, einer Revue rund ums Warenhaus mit →Margo Lion (1899–1989) und →Marlene Dietrich (1901–92), deren anzüglich-lasziv vorgetragenes Chanson-Duett „Wenn die beste Freundin“ zum Schlager der Saison wurde. In dem ebenfalls von S. komponierten Revuestück „Zwei Krawatten“ von Georg Kaiser wurde Marlene Dietrich von Hollywood-Regisseur →Josef v. Sternberg (1894–1969) als Lola für den Film „Der blaue Engel“ entdeckt. Daneben machte S. als Sänger und Pianist zahlreiche Schallplattenaufnahmen, spielte in Jazz- und Unterhaltungsorchestern und interpretierte Gershwins „Rhapsodie in Blue“; er komponierte und sang Tagesschlager, nahm mit dem Tenor →Richard Tauber (1891–1948) Schuberts „Winterreise“ auf, schrieb Schauspielmusiken für Inszenierungen von →Max Reinhardt (1873–1943) und begab sich 1932 mit seinem von Schiffer getexteten kabarettistischen Operneinakter „Rufen Sie Herrn Plim!“ auf neue musikalische Wege.
Seit 1930 fand S., dessen Kompositionen früh wegen ihrer unnachahmlichen Mischung aus Melancholie, melodischem Einfallsreichtum, zeitbezogenem Sound und virtuoser Eleganz hochgerühmt wurden, beim Tonfilm ein zusätzliches Betätigungsfeld. Dabei entwickelte er auch hier seine persönliche Note, indem eine die dramatische Handlung unterstützende Musikuntermalung mit evergreenträchtigen Chansonmelodien verband. Sein Lied „Heute nacht oder nie“ aus dem Film „Das Lied einer Nacht“ (1932) wurde ein internationaler Erfolg.
1933, nach →Hitlers Machtübernahme, mußte S. Deutschland verlassen. Er floh über Wien und Paris nach London (brit. Staatsbürger), wo er bald zu einem der wichtigsten Filmkomponisten wurde und den Soundtrack zu mehr als 50 Kinofilmen lieferte. Daneben schrieb er Chansons für das dt.sprachige Exil-Kabarett und für den Auslandsdienst der BBC London.
Nach dem 2. Weltkrieg erarbeitete er zusammen mit seinem Texter →Robert Gilbert (1899–1978) zwei Bühnenstücke, die allerdings nur wenig Erfolg errangen: eine Musicalfassung von Carl Zuckmayers „Katharina Knie“ (UA 1957, Gärtnerplatztheater München) und „Wie lernt man Liebe“ (nach R. B. Sheridan, UA 1967, Cuvilliés-Theater München). In den 70er Jahren kehrte er auf Einladung der Berliner Festwochen zu einem vielumjubelten Gastspiel an seine alte Wirkungsstätte zurück, wo er noch einmal mit seiner legendären Diseuse Margo Lion die Chansons der Zwanziger Jahre wiederaufleben ließ.
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Werke
u. a. Sinfon. Musik: Symphonie in C in 5 Sätzen, unveröff.;
– Bühnenmusik:
Victoria, Bühnenstück v. W. S. Maugham, 1925;
XYZ, Ein Spiel zu Dreien v. Klabund, 1931;
Wingless Victory, Bühnenstück v. M. Andersen, 1943;
– Opern, Operetten, Kabarett-Revuen, Musicals, musikal. Komödien:
Es liegt in d. Luft (Text: M. Schiffer), 1928;
Wie werde ich reich u. glücklich?, 1930 (T: F. Joachimson);
Alles Schwindel (T: M. Schiffer), 1931;
Rufen Sie Herrn Plim! (Sketch-Oper v. K. Robitschek, M. Schiffer), 1932;
– Filmmusik:
Wie werde ich reich u. glücklich?, 1930;
Muß man sich gleich scheiden lassen?, 1933;
The Private Life of Don Juan, 1934;
Wanted for Murder, 1946;
Adam and Evelyne, 1949;
The Happiest Days of Your Life, 1950;
Hitler – The Last Ten Days, 1973;
– Schlager, Chansons, Lieder:
Morphium, 1920;
Lila Lied (T: K. Schwabach), 1921;
Die Kälte (T: W. Mehring), 1922;
Die Kartenhexe (T: W. Mehring), 1922;
Rhapsodie in Moll (T: A. Rebner), 1928;
Sehnsucht, 1929;
Auf Wiedersehn (T: F. Joachimson), 1930;
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt (T: F. Joachimson), 1930;
Heute nacht oder nie (T: M. Schiffer), 1932;
Tempo-Tempo (T: M. Schiffer), 1932;
– ausführl. W-Verz. im Bes. d. Vf. u. im Archiv d. Red.;
– Nachlaß (autobiogr. Aufzeichnungen, P):
Archiv d. Ak. d. Künste, Berlin. -
Literatur
K. Budzinski, Die Muse mit d. scharfen Zunge – vom Cabaret zum Kabarett, 1961;
ders., Pfeffer ins Getriebe, 1982;
R. Hösch, Kabarett v. gestern, 1967;
H. Greul, Bretter, die die Zeit bedeuten, Die Kulturgesch. d. Kabaretts, 1967;
W. Rösler, Das Chanson im dt. Kabarett 1901–1933, 1980;
H. Traber u. E. Weingarten, Verdrängte Musik, Berliner Komponisten im Exil, 1987;
P. Jelavich, Berlin cabaret, 1993;
A. Lareau, The Wild Stage, Literary Cabarets of the Weimar Republic, 1995;
R. Rempel, Kabarett u. Revue als literar. Aufgabe d. späten 20er Jahre, Zum Bühnenwerk v. Marcellus Schiffer, Mag.arb. TU Berlin, 1996;
V. Kühn, Es lag in d. Luft, M. S. u. seine Musik (P), in: CD-Box: My Song For You, M. S., e. musikal. Porträt, 1998;
A. Lareau, S. u. d. literar. Kabarett (P), in: CD-Box: M. S., musikal. Stationen zw. Morphium u. Widerstand, 1998;
V. Rotthaler (Hg.), Marcellus Schiffer, Heute nacht oder nie, Tagebücher, Erzz., Gedichte, Zeichnungen, 2003 (P);
BHdE II;
Metzler Kabarett Lex;
New Grove². -
Autor/in
Volker Kühn -
Zitierweise
Kühn, Volker, "Spoliansky, Mischa" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 735-736 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117485578.html#ndbcontent