Roth, Alfred
- Lebensdaten
- 1879 – 1948
- Geburtsort
- Stuttgart
- Sterbeort
- Hamburg
- Beruf/Funktion
- Völkischer Aktivist ; Publizist ; Politiker ; Abgeordneter ; Schriftsteller ; Kaufmann ; Verleger
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 116637382 | OGND | VIAF: 15525260
- Namensvarianten
-
- Armin, Otto
- Roth, Alfred
- Armin, Otto
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Personen im NDB Artikel
- Adolf Hitlers (1889–1945)
- Artur Dinter (1876–1948)
- Eugen Dührings (1833–1921)
- Georg von Schönerers (1842–1921)
- Heinrich Claß (1868–1953)
- Julius Streicher (1885–1946)
- Konstantin Freiherr von Gebsattel (1854–1932)
- Martin Mutschmann (1879–1947)
- Max Hugo Liebermann von Sonneberg (1848–1911)
- Theodor Fritsch (1852–1933)
- Walter Buch (1883–1949)
- Walther Rathenaus (1867–1922)
- Wilhelm Bazille (1874–1934)
Orte
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Roth, Alfred
Pseudonym: Otto Armin
1879 – 1948
Völkischer Aktivist, Publizist, Politiker
Alfred Roth hatte als einer der einflussreichsten Agitatoren und Organisatoren der völkischen Bewegung maßgeblichen Anteil an der Radikalisierung des Antisemitismus im Ersten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit. Von 1919 bis 1922 Leiter des reichsweit aktiven Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bunds, prägte er das politische Denken und Handeln rechtsextremer Republikgegner und wurde zu einem der wichtigsten Wegbereiter des Nationalsozialismus.
Lebensdaten
Geboren am 27. April 1879 in Stuttgart Gestorben am 9. Oktober 1948 in Hamburg Grabstätte Friedhof (1986 aufgegeben) in Hamburg-Bergedorf Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Uwe Lohalm (Hamburg)
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Zitierweise
Lohalm, Uwe, „Roth, Alfred“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116637382.html#dbocontent
Aufgewachsen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen, absolvierte Roth nach dem Besuch der Bürgerschule eine kaufmännische Lehre in Stuttgart. 1897 wurde er Mitglied des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbands (DHV), für den er von 1900 bis 1917 in Hamburg hauptamtlich arbeitete. Roth trat für eine Verbesserung der sozialpolitischen Lage und des Ausbildungswesens der Angestelltenschaft ein und wurde 1913 ehrenamtliches Mitglied im Direktorium der Reichsanstalt für Angestellte, dem er bis 1924 angehörte.
Im Deutschen Jugendbund früh beeinflusst von den rasseideologisch und „pangermanisch“ orientierten Schriften Eugen Dührings (1833–1921) und Georg von Schönerers (1842–1921) erfuhr Roth nach eigenen Aussagen seine „politische Erziehung“ in der von Max Hugo Liebermann von Sonneberg (1848–1911) geführten, völkisch-antisemitischen Deutschsozialen Partei, für die er 1912 erfolglos für den Reichstag kandidierte. Ideologisch prägend war zudem die Begegnung mit dem Vorsitzenden des radikalnationalistischen Alldeutschen Verbands (ADV), Heinrich Claß (1868–1953). 1912 schloss sich Roth dem von Theodor Fritsch (1852–1933) gegründeten Reichshammerbund an, in dem er 1914 zum Bundeswart avancierte. Im August 1914 einberufen und an West- und Ostfront eingesetzt, arbeitete er seit August 1917 schwer kriegsgeschädigt als Sozialsekretär bei den Rheinischen Stahlwerken und trat gegen Ende des Ersten Weltkriegs im Ruhrgebiet als Propagandist der Deutschen Vaterlandspartei hervor.
Der integrale, alles überformende Kern von Roths politischer Grundhaltung war ein obsessiver Antisemitismus. In der „jüdischen Rasse“ und dem „jüdischen Geist“, dem auch viele Nichtjuden verfallen seien, sah er weltweit gegen Deutschland agierende Kräfte. Seine unter Pseudonym publizierten Pamphlete „Die Juden im Heere“ (1919) und „Die Juden in den Kriegs-Gesellschaften und in der Kriegswirtschaft“ (1921) leisteten der Verbreitung antisemitischer Ressentiments über „jüdische Drückebergerei“ und „Zersetzung“ erheblichen Vorschub.
Weit vernetzt im völkischen Lager, trat Roth für eine antisemitische Ausrichtung des ADV ein und wurde im Februar 1919 durch Konstantin Freiherr von Gebsattel (1854–1932) zum Hauptgeschäftsführer des neu gegründeten Deutschen (seit Oktober 1919 Deutschvölkischen) Schutz- und Trutz-Bunds (DSTB) ernannt. Roth löste sich bald aus der Vormundschaft des ADV und wurde der führende Organisator und Agitator des DSTB, dem bis 1922 nach Organisation, Propagandaaufwand und Mitgliederzahl (zuletzt rund 170 000) bei Weitem stärksten und wirkungsvollsten völkischen Verband in Deutschland. Mit seiner Hetze gegen die Demokratie und ihre führenden Repräsentanten, seiner Propagierung von Rassedenken, v. a. aber seiner hemmungslosen antisemitischen Agitation bekämpfte der DSTB eine politische und gesellschaftliche Stabilisierung der Weimarer Republik. Nach der Ermordung Walther Rathenaus (1867–1922) – die Täter und ihre Helfer entstammten fast ausnahmslos dem DSTB – wurde der Bund verboten und Roth am 31. Mai 1923 von dem Staatsgerichtshof in Leipzig wegen „öffentlicher Beleidigung“ Rathenaus zu einer Geldstrafe von 500 000 Mark verurteilt.
Grundlegend für das Wirken des DSTB war ein neuartiges und umfassendes Agitationskonzept, für das Roth hauptverantwortlich war. Neben der direkten Einflussnahme auf Verbände, Parteien, Kirchen und Presse wirkte der Bund mit einer eigenen Verlagsanstalt, der mehrmals wöchentlich erscheinenden Zeitung „Deutschvölkische Blätter“ sowie mit populären Schriften und Broschüren in die Öffentlichkeit hinein. Noch wirkungsvoller war die millionenfache Verbreitung antisemitischer Flugblätter, Hand- und Klebezettel und die Veranstaltung öffentlicher Massenversammlungen, mit denen unterschiedliche Bevölkerungskreise angesprochen wurden. Damit spielte Roth auch eine bedeutende Rolle für den Aufstieg der NSDAP: Die antisemitische Propaganda des DSTB beeinflusste das öffentliche Auftreten Adolf Hitlers (1889–1945) und prägte das politische Denken vieler Nationalsozialisten, der Bund gab mehrfach den Anstoß zur Gründung nationalsozialistischer Ortsgruppen. Nach dem Verbot des DSTB trat ein Großteil der Mitglieder der NSDAP bei, die so deutlich an politischer Bedeutung gewann. 1925 waren bei Neugründung der NSDAP fast die Hälfte aller Gauleiter vormals DSTB-Mitglieder, darunter Artur Dinter (1876–1948), Martin Mutschmann (1879–1947) und Julius Streicher (1885–1946).
Da die Verbote des Leipziger Staatsgerichtshof in Württemberg nicht umgesetzt wurden, wechselte Roth im Sommer 1923 nach Stuttgart. Hier setzte er seine Tätigkeit als Organisator und Propagandist der völkischen Bewegung fort, ohne seine vorherige politische Bedeutung erneut zu erreichen. Als Vorsitzender der Vereinigten Vaterländischen Verbände von Württemberg und Hohenzollern und Schriftleiter der Zeitschrift „Reichs-Sturmfahne“ nahm er Verbindungen zu rechtsradikalen Organisationen auf und verwandte sich 1925 zusammen mit anderen bei Staatpräsident Wilhelm Bazille (1874–1934) mit Erfolg für Auftritte Hitlers in Württemberg. 1926 war Roth führend an der antisemitischen Agitation beim Volksbegehren und Volksentscheid zur entschädigungslosen Fürstenenteignung beteiligt.
1929 war Roth aus wirtschaftlichen Gründen genötigt, mit seiner Familie nach Hamburg-Bergedorf zu übersiedeln, wo er von begrenzter publizistischer Tätigkeit, Rentenzahlungen des DHV und gelegentlicher Unterstützung ehemaliger Bundesmitglieder lebte. Seit 1928 Mitglied der NSDAP, trat er bei öffentlichen Versammlungen der Partei auf und warb am 9. April 1932 auf einer NS-Massenveranstaltung in Stuttgart für Hitlers Kandidatur zum Reichspräsidenten. Im November 1932 trat er aus der NSDAP aus, um Mitglied des ADV zu bleiben. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Roth mehrfach geehrt, seine Versuche, eine Position im Staats- oder Parteidienst zu erlangen, blieben jedoch vergeblich. Auch seine Kandidatur auf der „Liste des Führers“ zur Wahl des Großdeutschen Reichstags im April 1938 blieb ohne Erfolg. Im „Dritten Reich“ lebte er v. a. von einem „Ehrensold“ Hitlers, der ihm 1936 auf Betreiben des Vorsitzenden des Obersten Parteigerichts der NSDAP und ehemaligen Gaugeschäftsführers im DSTB, Walter Buch (1883–1949), für seine Verdienste „im Kampf um die völkische Erneuerung des deutschen Volkes“ zugesprochen wurde.
Mitgliedschaften in: Deutscher Jugendbund, Deutschbund, Deutschsoziale Partei/Deutschvölkische Partei, Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband (DHV), Gobineau-Vereinigung, Alldeutscher Verband, Reichshammerbund, Jungdeutschland-Bund, Fichtegesellschaft von 1914, Deutsche Vaterlandspartei, Deutschnationale Volkspartei, Bund für Deutsche Kirche, Deutschvölkischer Offiziers-Bund, Stahlhelm, Reichskolonialbund | |
1914/15 | Eisernes Kreuz II. Klasse |
ca. 1916 | Eisernes Kreuz I. Klasse |
1915 | Württembergisches Ritterkreuz des Friedrich-Ordens mit Schwertern |
1916 | Ritterkreuz des Württembergischen Militärverdienstordens |
1938 | Ehrenamtlicher Beirat bei der Verwaltung des Landbezirks in Hamburg |
1939 | Alfred-Roth-Straße, Hamburg-Bergedorf (Teilumbenennung der Karolinenstraße, seit 1945 Schulenbrooksweg) |
1942 | Silberne Ehrenplakette des Reichs-Kolonial-Bunds |
Nachlass:
Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. (weiterführende Informationen)
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 1507/645 (Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung, Materialsammlung über Roth, November 1922–Mai 1929); R 8048/452 (Alldeutscher Verband, Beziehung zu Alfred Roth, 1924–1934); R 8048/252–256 (Alldeutscher Verband, Beziehung zum Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund, 1919–1939); N 2089 (Nachlass Konstantin Freiherr von Gebsattel).
Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, München, MA 742. (Hauptarchiv der NSDAP, Unterlagen über Hammerbund, Reichshammerbund, Deutscher Schutz- und Trutzbund, Februar 1912–April 1920)
Monografien:
Das kaufmännische Fortbildungsschulwesen in Deutschland, sein gegenwärtiger Stand und seine fernere Ausgestaltung, 1903.
Die wirtschaftliche Lage der deutschen Handlungsgehilfen im Jahre 1908, bearb. nach statistischen Erhebungen des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes vorgenommen im Jahre 1908, 1910.
Die Gehaltsfrage der Handlungsgehilfen. Der wirtschaftlichen Lage zweiter Teil. Vortrag gehalten auf dem zwölften deutschen Handlungsgehilfentag am 18. Juni 1911 in Breslau, 1911.
Geheime Fäden im Weltkriege, 1919.
Die Juden im Heere. Eine statistische Untersuchung nach amtlichen Quellen, 1919. (unter dem Pseudonym Otto Armin)
Die Juden in den Kriegs-Gesellschaften und in der Kriegs-Wirtschaft. Unter Benutzung amtlicher und anderer Quellen, 1921. (unter dem Pseudonym Otto Armin)
Rathenau. „Der Kandidat des Auslandes“, 1922. (Onlineressource)
Von Rathenau zu Barmat. Der Leidensweg des deutschen Volkes, 1925. (unter dem Pseudonym Otto Armin)
So sah ich den Krieg. Briefe aus dem Felde und aus Lazaretten, 1930. (P)
Aus der Kampfzeit des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes. Eine Erinnerungsschrift, 1939.
Auf gerader Linie. Ein Rückblick auf 45 Jahre im Kampf ums Deutschtum, Privatdruck (1944).
Aufsätze:
Zahlreiche Beiträge und Nachdrucke in nationalen und völkischen Presseorganen, v. a. in:
Südwacht, Monatsschrift des DHV-Gaues Schwaben, Stuttgart (1900–1904).
Deutsche Handels-Wacht, Verbandszeitschrift des DHV, Hamburg (1901–1914).
Süddeutsche Zeitung, Stuttgart (Regelmäßiger Kolumnist 1914–1918, Mitarbeiter 1924–1933).
Deutschvölkische Blätter, Hamburg, seit 1922 Bundesorgan des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bunds (1920–1922).
Reichs-Sturmfahne, Stuttgart (1923–1928).
Sendschreiben an den Deutschen, Hamburg (1929–1931).
Die Spirale/Hamburger Beobachter, Hamburg (1933–1938).
Herausgeber bzw. Schriftleiter:
Südwacht, Monatsschrift des Gaues Schwaben des DHV, Stuttgart (1898–1901).
Archiv für kaufmännische Sozialpolitik, Hamburg (1905–1908).
Deutsche Handels-Wacht, Verbandszeitschrift des DHV, Hamburg (1908–1911).
Blätter für junge Kaufleute, Hamburg (1912–1914).
Deutschvölkische Blätter, Hamburg (1919–1923).
Deutschvölkische Warte, Hamburg (1919–1921).
Reichs-Sturmfahne, Stuttgart (1923–1928).
Sendschreiben an den Deutschen, Hamburg (1929–1931).
Hamburger Beobachter / Die Spirale, Hamburg (1933–1938).
Monografien:
Uwe Lohalm, Völkischer Radikalismus. Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes, 1970. (Onlineressource)
Uwe Puschner, Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion, 2001.
Walter Jung, Ideologische Voraussetzungen, Inhalte und Ziele außenpolitischer Programmatik und Propaganda in der deutschvölkischen Bewegung der Anfangsjahre der Weimarer Republik. Das Beispiel Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund, 2001. (ungedr. Diss. phil., Universität Göttingen) (Onlineressource)
Stefan Breuer, Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik, 2008, 22010.
Martin Ulmer, Antisemitismus in Stuttgart 1871–1933. Studien zum öffentlichen Diskurs und Alltag, 2011.
Aufsätze und Artikel:
Uwe Lohalm, Art. „Alfred Roth (1879–1948)“, in: Franklin Kopitzsch/Dirk Brietzke (Hg.), Hamburgische Biografie, Bd. 2, 2003, S. 351 f.
Martin Ulmer, Flugblätter des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes (1919–1922), in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6, 2013, S. 202–207.
Uwe Lohalm, Die Juden im Heere (Alfred Roth, 1919), in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6, 2013, S. 319–322.
Uwe Lohalm, Die Juden in den Kriegs-Gesellschaften (Alfred Roth, 1921), in: ebd., S. 322–324.
Martin Ulmer, Rathenau-Hetze (1922–1925), in: ebd., S. 570–574.
Hans Peter Müller, Alfred Roth (1879–1948) im Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband. Die „Lehr- und Gesellenjahre“ eines Berufsantisemiten, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 22 (2013), S. 179–206.
Uwe Lohalm/Martin Ulmer, Alfred Roth und der Deutschvölkische Schutz- und Trutz-Bund – „Schrittmacher für das Dritte Reich“, in: Daniel Schmidt/Michael Sturm/Massimiliano Livi (Hg.), Wegbereiter des Nationalsozialismus. Personen, Organisationen und Netzwerke der extremen Rechten zwischen 1918 und 1933, 2015, S. 21–35.
mehrere Fotografien, 1905–ca. 1938, Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, Nachlass Alfred Roth.
Fotografie, ca. 1920, Abbildung in: Reichstags-Handbuch. II. Wahlperiode 1924, hg. v. Bureau des Reichstags, 1924, S. 577. (Onlineressource)