Ehard, Hans
- Lebensdaten
- 1887 – 1980
- Geburtsort
- Bamberg
- Sterbeort
- München
- Beruf/Funktion
- Bayerischer Ministerpräsident ; CSU-Parteivorsitzender ; Abgeordneter ; Jurist ; Politiker
- Konfession
- römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 118688154 | OGND | VIAF: 15563732
- Namensvarianten
-
- Ehard, Johann Georg
- Ehard, Hans
- Ehard, Johann Georg
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- Karl Schwend (1890–1968)
- Konrad Adenauer (1876–1967)
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Ehard, Hans Georg (eigentlich Johann Georg Ehard)
1887 – 1980
Bayerischer Ministerpräsident, CSU-Parteivorsitzender
Hans Ehard beeinflusste, geprägt vom Reich-Länder-Konflikt der Weimarer Republik, die föderalistische Ausgestaltung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland 1948/49 maßgeblich, indem es ihm gelang, den Bundesrat in seiner bis heute gültigen Struktur und Kompetenz im Parlamentarischen Rat durchzusetzen. In Bayern prägte er den demokratischen und rechtsstaatlichen Wiederaufbau des Freistaats.
Lebensdaten
Geboren am 10. November 1887 in Bamberg Gestorben am 18. Oktober 1980 in München Grabstätte Waldfriedhof, Alter Teil in München Konfession römisch-katholisch -
Autor/in
→Karl-Ulrich Gelberg (München)
-
Zitierweise
Gelberg, Karl-Ulrich, „Ehard, Hans“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.02.2022, zuletzt geändert am 23.05.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118688154.html#dbocontent
Ehard studierte nach dem Abitur Rechts- und Staatswissenschaften in Würzburg und München, wurde 1912 in Würzburg bei Albrecht Mendelssohn Bartholdy (1874–1936) zum Dr. iur. utr. promoviert und leistete von 1914 bis 1918 Kriegsdienst. Nach der Staatsprüfung 1919 trat er in den bayerischen Justizdienst ein und wurde Mitglied der Bayerischen Volkspartei. 1923/24 als 2. Staatsanwalt beim Volksgericht München Untersuchungsführer und Anklagevertreter im Hitler-Ludendorff-Prozess, arbeitete er 1924 wieder im bayerischen Justizministerium und wirkte von 1925 bis 1928 als bayerischer Vertreter im Reichsjustizministerium an der Strafrechtsreform mit.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten schied Ehard auf eigenen Antrag im August 1933 aus dem Ministerium aus und wurde Senatspräsident am Oberlandesgericht München (Zivilsenat), daneben 1937 Vorsitzender des dortigen Erbhofgerichts und 1942 Vorsitzender des Deutschen Ärztegerichtshofs (München). Er trat dem NS-Richterbund (Oktober 1933) und der NS-Volkswohlfahrt (1934) bei, nicht jedoch der NSDAP.
Seit Mai 1945 arbeitete Ehard ohne förmliches Amt im Auftrag von Ministerpräsident Fritz Schäffer (1888–1967) am Wiederaufbau der bayerischen Justiz und wurde im Oktober als Staatssekretär Mitglied im Kabinett Wilhelm Hoegners (1887–1980) (SPD). 1946 in die CSU eingetreten, war er im selben Jahr Mitglied des Vorbereitenden Verfassungsausschusses sowie der Verfassunggebenden Landesversammlung, wo er als zweiter Berichterstatter im Verfassungsausschuss Einfluss auf die Formulierung der Bayerischen Verfassung von 1946 nahm, u. a. auf die Einrichtung des Senats.
Im Dezember 1946 auch mit Stimmen der SPD im zweiten Wahlgang zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt, regierte Ehard 1946/47 in einer Koalition mit der SPD und der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung (WAV), von 1947 bis 1950 mit einer CSU-Regierung, von 1950 bis 1954 wieder in einer Koalition mit der SPD und dem Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten/Deutsche Gemeinschaft (BHE/DG). Er prägte den juristisch-nüchternen Regierungsstil der von ihm meist harmonisch mit Hoegner geführten bayerischen Beamtenkabinette und den demokratischen Wiederaufbau von Staat und Verwaltung in Bayern maßgeblich.
Ehards Reputation beruhte auch auf seiner erfolgreichen föderalistischen Politik, hergeleitet aus dem Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre (Die geistigen Grundlagen des Föderalismus, Rede, gehalten am 3. Juni 1954 in der Universität München, 1954); unterstützt wurde er von seinen engen Mitarbeitern und Leitern der Staatskanzlei, Anton Pfeiffer (1888–1957) und Karl Schwend (1890–1968). Im Juni 1947 verschaffte er den Ländern mit der einzigen gesamtdeutschen Ministerpräsidentenkonferenz der Nachkriegszeit, ausgerichtet in München, eine Schlüsselrolle in dem von den Westalliierten gesteuerten Verfassungsprozess. Seine Politik vertrat er im Länderrat der US-Zone und der Bizone, unionsintern im Ellwanger Kreis, 1948 in den westdeutschen Ministerpräsidentenkonferenzen und auf dem Verfassungskonvent von Herrenchiemsee sowie 1948/49 im Parlamentarischen Rat in Bonn, an dessen Beratungen er als einziger Ministerpräsident teilnahm, ohne ihm formell anzugehören. Dort gelang es Ehard nach einem Kompromiss mit der SPD und gegen den Widerstand v. a. des Ratspräsidenten Konrad Adenauer (1876–1967), den Bundesrat als Vertretung der Landesregierungen mit weitreichenden Kompetenzen durchzusetzen. Bei der Abstimmung im Landtag am 20. Mai 1949 über das Grundgesetz erreichte er mit der Formel „Nein zum Grundgesetz und Ja zu Deutschland“, dass die bayerische Ablehnung des Grundgesetzes verbunden wurde mit der gleichzeitigen Anerkennung von dessen Rechtsverbindlichkeit.
Seit Ende Mai 1949 CSU-Vorsitzender, konnte Ehard parteiinterne Querelen beenden, jedoch keine Impulse setzen. Sein Ziel, erster Präsident des Bundesrats zu werden, erreichte er nicht; er engagierte sich aber bis 1954 besonders für Stabilisierung und Ausbau des Föderalismus, u. a. durch die Etablierung regelmäßiger Ministerpräsidentenkonferenzen seit 1954. Zur Lösung der konfliktreichen „Flüchtlingsfrage“, zentrales politisches Thema der ersten Nachkriegsjahre in Bayern, trug er bei durch die Übernahme der „Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen“ (1954), die zu Bayerns „Viertem Stamm“ erklärt wurden, neben Franken, Schwaben und Altbayern.
Die Landtagswahl 1954 führte zwar zu Stimmengewinnen für die CSU, aber zur Bildung einer Viererkoalition unter Führung der SPD, worauf die CSU in die Opposition ging und Ehard 1955 als Parteivorsitzender zurücktrat. Von 1954 bis 1960 Landtagspräsident, wurde er nach dem Rücktritt Hanns Seidels (1901–1961) als Kompromisskandidat erneut von 1960 bis 1962 Ministerpräsident. Nachdem 1962 seine Wiederwahl zum Landtagspräsidenten scheiterte, war Ehard bis 1966 unter Ministerpräsident Alfons Goppel (1905–1991) (CSU) Justizminister.
1917 | Eisernes Kreuz II. Klasse |
1918 | Militärverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern am Band |
1953 | Goldener Ehrenring des Deutschen Museums |
1954 | Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1956 | Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik |
1957 | Großes Silbernes Ehrenzeichen am Band der Republik Österreich |
1958 | Bayerischer Verdienstorden |
1959 | Rudolf-Lodgman-Plakette der Sudetendeutschen Landsmannschaft |
1960 | Großkreuz des Ordens St. Gregors des Großen |
1962 | Großoffizierskreuz des Ordens der Ehrenlegion der Republik Frankreich |
1974 | Europäischer Karls-Preis der Sudetendeutschen Landsmannschaft |
1981 | Hans-Ehard-Straße, München-Perlach |
Nachlass:
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München. (weiterführende Informationen)
Gedruckte Quellen:
Der Hitler-Prozess 1924. Wortlaut der Hauptverhandlung vor dem Volksgericht München I, bearb. v. Lothar Gruchmann, Reinhard Weber u. Otto Gritschneder, 4 Bde., 1997–1999.
Die Protokolle des Vorbereitenden Verfassungsausschusses in Bayern (8. März – 24. Juni 1946), bearb. v. Karl-Ulrich Gelberg, 2004. (Onlineressource)
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Verfassungs-Ausschusses der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung, Bd. 1: 1. –12. Sitzung, 16. Juli 1946 – 5. August 1946, Bd. 2: 13. –24. Sitzung, 7. August 1946 – 28. August 1946. (Onlineressource)
Verhandlungen der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung 15. Juli bis 30. November 1946. (Onlineressource)
Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1949 ff., hg. v. Bundesarchiv. (Onlineressource)
Die Protokolle der Plenarsitzungen des Bundesrates 1949 ff. (Onlineressource)
Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle, 14 Bde., hg. v. Deutschen Bundestag u. dem Bundesarchiv, 1981–2009.
Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945–1949, hg. v. Bundesarchiv u. Institut für Zeitgeschichte, 5 Bde., 1976–1983.
Die CDU/CSU im Parlamentarischen Rat. Sitzungsprotokolle der Unionsfraktion, bearb. v. Rainer Salzmann, 1981.
Auftakt zur Ära Adenauer. Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung 1949, bearb. v. Udo Wengst, 1985.
Die CSU 1945–1948. Protokolle und Materialien zur Frühgeschichte der Christlich-Sozialen Union, hg. v. Barbara Fait/Alf Mintzel, 3 Bde., 1993.
Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945–1962, bearb. v. Karl-Ulrich Gelberg/Oliver Braun, 10 Bde., 1995–2019. (Onlineressource)
Quellen zur politischen Geschichte Bayerns in der Nachkriegszeit, hg. v. der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Bd. 1: 1944–1957, bearb. v. Karl-Ulrich Gelberg, 2002, Bd. 2: 1957–1978, bearb. v. Karl-Ulrich Gelberg/Ellen Latzin, 2005.
An der Spitze der CSU. Die Führungsgremien der Christlich-Sozialen Union 1946–1955, hg. u. bearb. v. Jaromir Balcar/Thomas Schlemmer, 2007.
Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Sitzungsprotokolle 1949-1972, hg. v. der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der Politischen Parteien u. dem Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung, bearb. v. Andreas Zellhuber/Tim B. Peters, 2011.
Der Beginn und das Ende der Zwangsvollstreckung, 1912 (Diss. iur.).
Die Auseinandersetzung zwischen dem Freistaate Bayern und dem Haus Wittelsbach, in: Politische Zeitfragen. Monatsschrift über alle Gebiete des öffentlichen Lebens 3 (1922), S. 53–86.
Die Berechtigung einer Strafrechtsreform, in: Süddeutsche Monatshefte 26 (1929), S. 285–289.
Hans Ehard/Heinrich Schmitt, Grundlegende Reden zum Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus, hg. im Auftrag des Ministeriums für Sonderaufgaben, 1946.
Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher und das Völkerrecht, in: Süddeutsche Juristen-Zeitung 3 (1948), Sp. 353–370.
Bayerische Politik. Ansprachen und Reden des bayerischen Ministerpräsidenten. Ausgew. u. eingel. v. Karl Schwend, 1952.
Monografien:
Dr. Hans Ehard 1887–1980. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, bearb. v. Ludwig Morenz unter Mitarbeit v. Michael Stephan, 1987. (P)
Karl-Ulrich Gelberg, Hans Ehard. Die föderalistische Politik des bayerischen Ministerpräsidenten 1946–1954, 1992.
Karl-Ulrich Gelberg, Vom Kriegsende bis zum Ausgang der Ära Goppel (1945–1978), in: Handbuch der Bayerischen Geschichte, Band IV/1, hg. v. Alois Schmid, 22003, S. 635–857.
Thomas Schlemmer, Aufbruch, Krise und Erneuerung. Die Christlich-Soziale Union 1945 bis 1955, 1998.
Erik K. Franzen, Der vierte Stamm Bayerns. Die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen 1954–1974, 2010.
Aufsätze:
Rudolf Morsey, Hans Ehard (1887–1980), in: Gesellschaft für Fränkische Geschichte (Hg.), Fränkische Lebensbilder Bd. 12 (1986), S. 270–292, Nachdr. in: Dr. Hans Ehard 1887–1980, 1987, u. in: Geschichte im Westen 2 (1987), S. 71–89. (P)
Karl-Ulrich Gelberg/Michael Stephan, Ministerpräsident Hans Ehard, in: „Das schönste Amt der Welt“. Die bayerischen Ministerpräsidenten von 1945 bis 1993, hg. v. der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, 1999, S. 69–98. (P)
Ferdinand Kramer, Charles de Gaulle in München und die Macht der Erinnerung, in: Alois Schmid/Katharina Weigand (Hg.), Bayern mitten in Europa, 2005, S. 385–401.
Thomas Schlemmer, Die zweite Karriere eines vergessenen Ministerpräsidenten. Hans Ehard 1954 bis 1966, in: Gesichter der Zeitgeschichte. Deutsche Lebensläufe im 20. Jahrhundert, hg. v. Theresia Bauer/Elisabeth Kraus/Christiane Kuller/Winfried Süß, 2009, S. 243–259.
Alexander Wegmaier, Karl Schwend und Ernst Deuerlein, Steuermänner im Schatten Hans Ehards, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 76 (2013), S. 563–602.
Thomas Schlemmer, Innenansichten einer „Staatspartei“. Die CSU zwischen Krise und Reorganisation – Berichte zur Lage der Partei in der bayerischen Provinz vor der Bundestagswahl 1953, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 70 (2022), Nr. 1, S. 105–146.
Festschrift:
Festschrift zum 70. Geburtstag von Hans Ehard, hg. v. Hanns Seidel, 1957.
Gemälde (Öl/Leinwand) v. Hans Jakob Mann (1887–1963), München, Bayerischer Landtag.