Friedmann, Werner
- Lebensdaten
- 1909 – 1969
- Geburtsort
- Berlin-Wilmersdorf
- Sterbeort
- München
- Beruf/Funktion
- Journalist ; Verleger ; Gründer der Deutschen Journalistenschule ; Chefredakteur
- Konfession
- römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 116803215 | OGND | VIAF: 306188203
- Namensvarianten
-
- Friedmann, Werner
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Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
- Anton Betz (1893–1984)
- August Schwingenstein (1881–1968)
- Dorothea Federschmidt (1903–1984)
- Edmund Goldschagg (1886–1971)
- Ernst Wilhelm Bohle (1903–1960)
- Franz Josef Schöningh (1902–1960)
- Franz Josef Strauß (1915–1988)
- Georg Fruhstorfer (1915–2003)
- Hans Ehard (1887–1980)
- Hermann Proebst (1904–1970)
- Immanuel Birnbaum (1894–1982)
- Karl Eugen Müllers (1877–1951)
- Karl d’Ester (1881–1960)
- Walter Tschuppik (1889–1955)
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Friedmann, Werner
1909 – 1969
Journalist, Verleger, Gründer der Deutschen Journalistenschule
Werner Friedmann gilt als einer der originellsten und einflussreichsten Journalisten der frühen Bundesrepublik. Als Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“ (1951–1960) und Herausgeber der Münchner „Abendzeitung“ (1961–1969) trat er engagiert für eine kritische Presse und eine liberal geprägte Demokratie ein. In dem von ihm als Journalistenschule gegründeten Werner-Friedmann-Institut wurde seit 1949 eine Generation führender bundesdeutscher Journalisten geformt.
Lebensdaten
Geboren am 12. Mai 1909 in Berlin-Wilmersdorf Gestorben am 23. April 1969 in München Grabstätte Friedhof (MG-SD Nr. 07) in Grünwald bei München Konfession römisch-katholisch -
Autor/in
→Paul Hoser (München)
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Zitierweise
Hoser, Paul, „Friedmann, Werner“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116803215.html#dbocontent
Friedmann wuchs in Berlin und nach dem Tod des Vaters 1916 in München auf, wo er von 1918 bis 1926 das humanistische Wilhelmsgymnasium besuchte und danach bis 1928 Zeitungswissenschaft bei Karl d’Ester (1881–1960) studierte. Eine begonnene Dissertation brach er ab. Bereits seit 1927 war er unter Chefredakteur Walter Tschuppik (1889–1955) Mitarbeiter und ab 1930 fester Redakteur der Wochenzeitung „Süddeutsche Sonntagspost“ des Verlags Knorr & Hirth GmbH. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden der Direktor Anton Betz (1893–1984) und mehrere Journalisten des Verlags festgenommen und inhaftiert, darunter von März bis November 1933 auch Friedmann. Mit Berufsverbot als Journalist belegt, siedelte Friedmann nach seiner Haftentlassung nach Berlin über, wo er u. a. als freier Übersetzer und Mitarbeiter einer Bildagentur arbeitete. Er hatte Verbindung zu Ernst Wilhelm Bohle (1903–1960), dem Leiter der NSDAP-Auslandsorganisation, der ihm ein Filmmanuskript abkaufte, und diente von Februar 1940 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Soldat.
Nach kurzer britischer Kriegsgefangenschaft ging Friedmann zurück nach München, zählte als Lokalreporter zu den Mitarbeitern der ersten Stunde der seit dem 6. Oktober 1945 erscheinenden „Süddeutschen Zeitung“ und leitete von Dezember 1945 bis September 1946 das neu eingerichtete Informationsamt der Bayerischen Staatskanzlei. Am 2. August 1946 erhielt er – nach Edmund Goldschagg (1886–1971), Franz Josef Schöningh (1902–1960) und August Schwingenstein (1881–1968) – die vierte Lizenz für die „Süddeutsche Zeitung“ und damit einen Anteil von 22,5 % am Süddeutschen Verlag. Zuvor hatte Friedmann auf belastende Zeitungsartikel Karl Eugen Müllers (1877–1951) aus der NS-Zeit verwiesen, der von der US-amerikanischen Militärregierung eigentlich als vierter Lizenzinhaber vorgesehen war.
Von August 1946 bis November 1951 leitete Friedmann den München- und Bayernteil der „Süddeutschen Zeitung“. Von September bis November 1948 absolvierte er mit anderen Journalisten eine von amerikanischer Seite finanzierte Reise in die USA zum Kennenlernen der dortigen Presse. Nachdem am 9. August 1949 in Abwesenheit Friedmanns ein antisemitischer, mit „Adolf Bleibtreu“ gezeichneter Leserbrief in der „Süddeutschen Zeitung“ erschienen war, der eine Großdemonstration in München auslöste, war Goldschaggs Stellung als Chefredakteur erschüttert. De facto nahm in der Folgezeit Friedmann dessen Aufgaben wahr und übernahm im November 1951 offiziell die Chefredaktion der Zeitung. In dieser Funktion einen linksliberal-kritischen Kurs steuernd, wandte sich Friedmann v. a. gegen extrem eingestellte politische Parteien, akzeptierte eine ausschließlich der Verteidigung dienende Wiederaufrüstung und votierte für eine Wiedervereinigung Deutschlands. Die Organisation Gehlen verdächtigte ihn ohne Grundlage, dem Ostblock zuzuarbeiten. Friedmanns Verhältnis zur regierenden CSU war ambivalent: Während er über Ministerpräsident Hans Ehard (1887–1980) sehr respektvoll urteilte, charakterisierte er 1958 Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (1915–1988) als brutalen und skrupellosen Politiker, dessen Ruf nach Atomwaffen die Bundesrepublik gefährde.
Im Frühjahr 1960 kulminierten Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern der „Süddeutschen Zeitung“, wobei bekannt wurde, dass Friedmann zwischen September 1956 und Frühjahr 1958 ein Verhältnis mit einem minderjährigen Lehrmädchen des Verlags unterhalten hatte. Am 10. Mai 1960 verhaftet, wurde Friedmann elf Tage später als Chefredakteur abgesetzt und am 24. Juni 1960 vom Landgericht München I wegen Anstiftung zur Kuppelei zu seinen Gunsten zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Seine Position als Gesellschafter des Süddeutschen Verlags behielt er bei.
In der Folgezeit konzentrierte sich Friedmann auf seine Tätigkeit als Herausgeber der „Abendzeitung“, an der er zwei Drittel der Anteile hielt. Das Blatt war im Juni 1948 auf seine Initiative hin zu einer regelmäßig erscheinenden Tageszeitung geworden, nachdem es von den US-amerikanischen Besatzungsbehörden zunächst nur als Attraktion einer Presseausstellung konzipiert worden war, die der Münchner Bevölkerung die Bedeutung einer freien Presse nahebringen sollte. Friedmann formte aus der „Abendzeitung“ eine erfolgreiche Boulevardzeitung, die ein vielbeachtetes Feuilleton unter der Federführung von Dorothea Federschmidt (1903–1984) umfasste. Ihre Auflage lag Mitte 1949 bei 50 000, 1958 bei rund 92 000 Exemplaren.
Am 29. April 1949 gründete Friedmann nach dem Vorbild der School of Journalism der Columbia University in New York City, die er auf seiner USA-Reise kennen gelernt hatte, in München das Werner-Friedmann-Institut, das jungen, begabten Journalisten eine kostenlose Ausbildung ermöglichte und für das er u. a. Immanuel Birnbaum (1894–1982) und Hermann Proebst (1904–1970) als Dozenten gewann. 85 % der Reingewinne der „Abendzeitung“ kamen bis September 1959 der Finanzierung des Instituts zugute, anschließend wurde es aufgelöst und zur Deutschen Journalistenschule e. V. umgewandelt. In der Folgezeit gingen 15 % des Ertrags der „Abendzeitung“ an die Werner-Friedmann-Stiftung, die damit Projekte zur Unterstützung in Not geratener Journalisten ermöglichte. Zu ihr gehört seit 1975 auch ein Künstlerheim. Ausgerichtet an Objektivität und Faktentreue sowie hohen stilistischen Standards trägt die begehrte Schule bis heute wesentlich zur Förderung des deutschen Journalistennachwuchses bei.
1932 | Mitglied im Landesverband der Bayerischen Presse e. V. |
1946 | Mitglied im Verband der Berufsjournalisten in Bayern (seit 10.12.1949 Deutscher Journalistenverband, Bayern) |
1979 | Werner-Friedmann-Bogen, München-Moosach |
Mitglied im Internationalen Presse-Institut (International Press Institute), Zürich |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 3001/12 082 (u. a. Friedmann, Werner; Prozessgegenstand: Hochverrat); R 58/7 049 (Reichssicherheitshauptamt, u. a. Ermittlungen gegen Friedmann).
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München, Abt. II, OMGBY 10/125-1/010 (u. a. Curriculum Vitae of Werner Friedmann); Abt. IV, OP 40 069 (Offizierspersonalakt Dr. Leopold Friedmann); Abt. V, Sammlung P 12 585; Nachlass Walter Becher 561; Nachlass Karl Böck 33; Nachlass Otto Gritschneder 229; Nachlass Ernst Müller-Meiningen jr. 32, 33, 276, 402, 403, 404, 405, 430; Nachlass Anton Pfeiffer 360; FA Aretin 57.
Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 31 126. (Akten zum Prozess 1960; ab 2029 zugänglich)
Stadtarchiv München, DE-1992-FS-PER-F-0289 (Akten zur Person Friedmanns); DE-1992-FS-ERG-E-0008 -M (Prozess gegen Friedmann); DE-1992-ZA-P-0138-2 (Werner Friedmann-Stiftung); DE-1992-ZA-11 894 (Werner-Friedmann-Institut).
Sammlung Klaus Schumann (ehem. Mitarbeiter des Archivs der Süddeutschen Zeitung), Privatbesitz.
Gedruckte Quellen:
Erwein Freiherr von Aretin, Krone und Ketten. Erinnerungen eines bayerischen Edelmannes, 1955, S. 198, 200, 207.
Kurt Ziesel, Das verlorene Gewissen. Hinter den Kulissen der Presse, der Literatur und ihrer Machtträger von heute, 1958, 81962, S. 87–90, 99 u. 103 f.
Joseph Dunner, Zu Protokoll gegeben. Mein Leben als Deutscher und Jude, 1971, S. 99 f., 110–112, 161, 196–199 u. 204.
Hannes Obermaier, Hunters‘s Treibjagd, 1975, S. 57 f., 65, 71, 241, 326–335 u. 353 f.
Ernst Langendorf/Georg Wulffius, In München fing’s an, 1985, S. 26–29 u. 236 f.
Stefan Lorant, Ich war Hitlers Gefangener. Ein Tagebuch 1933, 1985, S. 49, 57, 79, 102 f., 150, 177, 193, 206, 209–211 u. 216.
Hans Habe, Ich stelle mich. Meine Lebensgeschichte, erw. Ausg. 1986, S. 519–521.
Edmund Goldschagg 1886–1971. Das Leben des Journalisten, Sozialdemokraten und Mitbegründers der „Süddeutschen Zeitung“ nacherzählt v. Hans Dollinger, 1986, S. 11, 131, 204, 210–212, 232 f., 243, 268 f., 276 f., 285, 296 u. 304–306.
Ernst Müller-Meiningen jr., Orden, Spießer, Pfeffersäcke, 1989, S. 25 f., 38–40, 49–52, 61–89, 93–95, 122–128, 135 f. u. 142.
Ernst Maria Lang, Das wars. Wars das? Erinnerungen, 2000, S. 245, 264, 272, 281, 289, 303 f. u. 385 f.
Franz Schönhuber, Die Volksverdummer. Persönliche Erfahrungen mit deutschen Medienleuten, 2005, S. 78 f.
Michael Graeter, Extrablatt. Autobiographie, 2009, S. 44 f., 52, 55–59, 84, 90, 111, 122–124 u. 177.
Wolf Schneider, Hottentottenstottertrottel. Mein langes, wunderliches Leben, 2015, S. 54–64.
Presse und öffentliche Meinung, 1951.
Herbert Heß, 50 Jahre Süddeutsche Zeitung. Eine Chronik. 1995.
Hans-Günter Richardi, Am Anfang war das Ende. Das Wirken von August und Alfred Schwingenstein beim Wiederaufbau der freien Presse in Bayern, 2001, S. 180, 222, 329, 333, 335 f., 339–343, 394 f. u. 400.
Paul Hoser, Die „New York Times von Bayern“. Die Anfänge der Süddeutschen Zeitung, in: Lutz Hachmeister/Friedemann Siering (Hg.), Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945, 2002, S. 121–145 u. 289–303.
Christian Adler, Die Münchner Abendzeitung 2003. Publizistische Anpassungsversuche einer Boulevardzeitung an den schwieriger werdenden Markt der deutschen Straßenverkaufspresse, 2003.
Paul Hoser, Art. „Abendzeitung“, in: Historisches Lexikon Bayerns, 2012. (Onlineressource)
Paul Hoser, Art. „Süddeutsche Zeitung (SZ)“ in: Historisches Lexikon Bayerns, 2014. (Onlineressource)
Knud von Harbou, Als Deutschland seine Seele retten wollte. Die Süddeutsche Zeitung in den Gründerjahren nach 1945, 2015.
Klaus Dietmar Henke, Geheime Dienste. Die politische Inlandsspionage der Organisation Gehlen 1946–1953, 2018, 72–78.
Paul Hoser, Art. „Süddeutscher Verlag“, in: Historisches Lexikon Bayerns, 2016, aktual. 2020. (Onlineressource)
Christian Adler, Die Geschichte der Abendzeitung. Von Werner Friedmann, dem Institut und den Plänen für Stuttgart und Augsburg, 2012. (Auszug aus Christian Adler, Die Münchner Abendzeitung 2003. Publizistische Anpassungsversuche einer Boulevardzeitung an den schwieriger werdenden Markt der deutschen Straßenverkaufspresse, 2003)
Fotografien, 1952–1960, Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek, München.
Fotografien, Süddeutscher Verlag, München.