Brandler, Heinrich
- Lebensdaten
- 1881 – 1967
- Geburtsort
- Warnsdorf (heute Varnsdorf, Tschechien)
- Sterbeort
- Hamburg
- Beruf/Funktion
- Gewerkschaftsfunktionär ; Politiker ; Bauhandwerker ; Gewerkschaftsfunktionär
- Konfession
- konfessionslos
- Normdaten
- GND: 118514350 | OGND | VIAF: 3994149108457468780003
- Namensvarianten
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- Brandler, Heinrich
- Brandler
- Brandler, H.
- Braun, M. J.
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Personen im NDB Artikel
- Arkadij Maslow (1891–1941)
- August Thalheimer (1884–1948)
- Erich Zeigner (1886–1949)
- Fenner Brockway (1888–1988)
- Fritz Heckert (1884–1936)
- Grigori Sinowjews (1883–1936)
- Jakob Walcher (1887–1970)
- Karl Liebknecht (1871–1919)
- Kurt Eisner (1867–1919)
- Leo Trotzkis (1879–1940)
- Rosa Luxemburg (1871–1919)
- Ruth Fischer (1895–1961)
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Brandler, Heinrich
1881 – 1967
Gewerkschaftsfunktionär, Politiker
Heinrich Brandler verhinderte als Vorsitzender der KPD den geplanten kommunistischen Aufstand von 1923 („Deutscher Oktober“) und bewahrte seine Partei vor der Zerschlagung. 1929 gründete er als scharfer Kritiker der Stalinisierung von KPD und Kommunistischer Internationale die Kommunistische Partei-Opposition.
Lebensdaten
Geboren am 3. Juli 1881 in Warnsdorf (heute Varnsdorf, Tschechien) Gestorben am 26. September 1967 in Hamburg Grabstätte Friedhof Ohlsdorf in Hamburg Konfession konfessionslos -
Autor/in
→Jens Becker (Düsseldorf)
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Zitierweise
Becker, Jens, „Brandler, Heinrich“ in: NDB-online, veröffentlicht am 29.03.2022, zuletzt geändert am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118514350.html#dbocontent
Aus bescheidenen Verhältnissen stammend und bereits im Alter von zwölf Jahren Vollwaise, lernte Brandler nach Abschluss der Volksschule das Maurerhandwerk in seiner böhmischen Heimatstadt Warnsdorf, wo er gewerkschaftlich aktiv war. Auf Wanderschaft arbeitete er als Fliesenleger, besuchte Arbeiterbildungsvereine und engagierte sich als Lehrer in der Arbeiterbildung. 1901 trat er der SPD bei, in der er sich dem Flügel um Rosa Luxemburg (1871–1919) und Karl Liebknecht (1871–1919) anschloss.
Seit 1913 leitete Brandler mit Fritz Heckert (1884–1936) die Zweigstelle des Deutschen Bauarbeiterverbands in Chemnitz, die im Ersten Weltkrieg ein wichtiges Zentrum des Spartakusbunds wurde. Als Gegner der „Burgfriedenspolitik“ wurde er 1915 aus der SPD ausgeschlossen und trat 1917 der USPD bei. Nach der Novemberrevolution bot ihm der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner (1867–1919) den Posten eines Staatssekretärs für Auswärtige Beziehungen an.
Seit 1919 Mitglied der KPD und der Parteizentrale, tat sich Brandler während des Kapp-Putsches 1920 als Realpolitiker hervor, indem er in Chemnitz und im Erzgebirge mit Erfolg eine Einheitsfront aus Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Kommunisten gegen die Aufständischen formierte. Im Februar 1921 zum KPD-Vorsitzenden gewählt, beteiligte er sich an der gewaltsamen „Märzaktion“ in Mitteldeutschland, mit der eine Revolution nach bolschewistischem Vorbild herbeigeführt werden sollte. Ebenso wie sein engster politischer Weggefährte August Thalheimer (1884–1948) unterlag Brandler dabei einer Fehleinschätzung der politischen Kräfteverhältnisse. Der missglückte Aufstandsversuch führte im April 1921 zu seiner Verurteilung zu fünfjähriger Haft wegen Hochverrats durch das Berliner Landgericht. Brandler rückte in der Folgezeit von voluntaristischen Aufstandskonzepten ohne die Mehrheit oder gegen den Willen der sozialdemokratischen und gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft ab.
Im November 1921 gelang Brandler die Flucht aus der ostpreußischen Festung Gollnow nach Moskau, wo er im Apparat der Kommunistischen Internationale (Komintern) und der Roten Gewerkschaftsinternationale Arbeit fand. 1922 amnestiert, kehrte er nach Deutschland zurück und revidierte mit Thalheimer den linksradikalen Kurs der KPD zugunsten einer Einheitsfrontpolitik, die eine taktische Kooperation mit SPD und Gewerkschaften vorsah.
Im Oktober 1923 von Erich Zeigner (1886–1949) zum Chef der sächsischen Staatskanzlei berufen, unterstützte Brandler die Forderung Grigori Sinowjews (1883–1936) und Leo Trotzkis (1879–1940) mittels umfangreich zu bildender, bewaffneter proletarischer Hundertschaften einen kommunistischen Umsturzversuch zu unternehmen, sagte jedoch alle Aktionen ab, als die SPD und der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) ihre Unterstützung verweigerten. Fortan als Verräter an der Revolution geltend („Brandlerismus“ galt in der KPD nun als Synonym für opportunistisches oder parteifeindliches Verhalten), wurde er im Januar 1924 auf dem Frankfurter Parteitag von den ultralinken Wortführern um Ruth Fischer (1895–1961) und Arkadij Maslow (1891–1941) attackiert und mit großer Mehrheit als Parteivorsitzender abgesetzt.
Brandler ging anschließend nach Moskau, trat der KPdSU bei und arbeitete seit 1924 im administrativen Bereich des Obersten Volkswirtschaftsrat der Sowjetunion. Seit 1926 übernahm er als stellvertretender Vorsitzender der Roten Bauerninternationale v. a. repräsentative Aufgaben und hielt zahlreiche Vorträge. Im Oktober 1928 gegen den Willen der KPD-Führung nach Berlin zurückgekehrt, wurde Brandler im Januar 1929 aufgrund seiner Opposition gegen die zunehmende Radikalisierung der Partei und Stalinisierung der Komintern aus der KPdSU ausgeschlossen.
Überzeugt, den Aufstieg des Nationalsozialismus nur durch eine Kooperation der großen Arbeiterorganisationen aufhalten zu können, gründeten Brandler, Thalheimer und weitere Vertreter der „Parteirechten“ zur Jahreswende 1928/29 die Kommunistische Partei-Opposition (KPO). Trotz großer Resonanz ihrer Publikationsorgane „Gegen den Strom“ und „Arbeiterpolitik“ scheiterte ihr Ziel, als organisierte Opposition die Mehrheit innerhalb der KPD zu erobern. Von ihren Gegnern als „KPD Null“ verspottet, rief die KPO auch auf Seiten von SPD und ADGB Misstrauen hervor.
Im März 1933 flohen Brandler und Thalheimer über Straßburg nach Paris, wo sie weitere Aktivitäten der KPO in Deutschland koordinierten und die Zeitungen „Gegen den Strom“ (bis 1935) und „Internationalen Klassenkampf“ herausgaben. Dank der Zuwendungen von Parteigenossen und internationalen Hilfsorganisationen überlebend, flohen Brandler und Thalheimer 1941 nach Kuba (eine Einreise in die USA wurde ihnen verweigert).
Im Sommer 1947 ging Brandler nach London und kehrte 1949 mit Unterstützung des britischen Journalisten und Unterhausabgeordneten Fenner Brockway (1888–1988) nach Deutschland zurück, wo er ein führender Kopf der „Gruppe Arbeiterpolitik“ wurde, die er zu einer kommunistischen Bewegung mit demokratischen Strukturen und ohne stalinistische Bevormundung zu formen hoffte. In seinem politischen Denken an den praktischen Alltagsnöten der Arbeiterschaft orientiert, hielt er an einer beharrlichen Mitarbeit in den Gewerkschaften fest. Brandler lehnte ein Zusammengehen mit SPD und KPD konsequent ab, zog sich Mitte der 1950er Jahre aus der Öffentlichkeit zurück und lebte bis zu seinem Tod als Rentner in Hamburg.
1921 | Ehrenvorsitzender auf dem III. Weltkongress der Komintern |
Nachlass:
Arbejderbevaegelsens Bibliotek og Arkiv, Kopenhagen, Arkiv 144.
Weitere Archivmaterialien:
Russisches Zentrum zur Aufbewahrung und zum Studium der Dokumente der neuesten Geschichte, Moskau, 495/205 (Kaderakte Heinrich Brandler); 495/292/4-14 (KPD-Korrespondenz); 495/18/153; 495/18/182; 495/18/402; 495/19/453.
Bundesarchiv, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAMPO), I2/1/6–7, 17–19; I2/2/13–16, 29; I2/3/3, 7a, 8b, 62a, 68, 131, 183, 201–203, 207–209; I2/3/23; I2/5/19; I2/11/3643; I2/708/45, 49, 104; I2/711/12; I3/1–2/16; I6/3/67, 93, 115, 120, 126, 132, 150, 180; I6/10/53, 78–79; NL 4; NL 5; NL 36; NL 51; NL 169.
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, TONY 1/2292–2294. (Vorträge von Brandler zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Tondokumentsammlung); R 1507/1110 (Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung)
Gedruckte Quellen:
Der Hochverratsprozess gegen Heinrich Brandler vor dem außerordentlichen Gericht am 6. Juni 1921 in Berlin (mit einem Vorwort von Heinrich Brandler), hg. v. d. Zentrale der KPD, 1921.
Unabhängige Kommunisten. Der Briefwechsel zwischen Heinrich Brandler und Isaac Deutscher 1949–1967, hg. v. Hermann Weber, 1981.
Gegen den Strom. Organ der KPD-Opposition 1928–1935, vollst. Nachdr. in 3 Bde., 1985.
Jens Becker/Theodor Bergmann/Alexander Watlin (Hg.), Das erste Tribunal. Das Moskauer Parteiverfahren gegen Brandler, Thalheimer und Radek, 1993.
Durch die Räte zur Einheit der Arbeiterklasse und zum Kommunismus, [1919].
Revolutionierung oder Verfall des deutschen Bauarbeiterverbandes, hg. v. Deutschen Bauarbeiterverband, Bezirksverein Chemnitz, 1920.
Gewerkschaften und Betriebsräte. Referat auf dem Vereinigungsparteitag im Dezember 1920 in Berlin, 1920. Betriebsräte und politische Arbeiterräte, 1920.
Die Aktion gegen den Kapp-Putsch in Westsachsen, 1920.
Die Lehren des Kapp-Putsches, 1920.
War die Märzaktion ein Bakunisten-Putsch?, 1921.
Die Sowjetunion und die sozialistische Revolution (1950), hg. u. eingel. v. d. Gruppe Arbeiterpolitik, 1982.
Karl H. Tjaden, Struktur und Funktion der „KPD-Opposition“ (KPO). Eine organisationssoziologische Untersuchung zur „Rechts“-Opposition im deutschen Sozialismus zur Zeit der Weimarer Republik, 1964.
Klaus P. Wittemann, Kommunistische Politik in Westdeutschland nach 1945. Der Ansatz der Gruppe Arbeiterpolitik, 1977, S. 357–368.
Jens Becker/Harald Jentsch, Heinrich Brandler – biographische Skizze bis 1924, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 1996, S. 273–295.
Jens Becker/Harald Jentsch, Heinrich Brandler – biographische Skizze 1924–1967, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 1998, S. 305–329.
Jens Becker, August Thalheimer. Früher Kritiker der Stalinisierung, in: Theodor Bergmann/Mario Keßler (Hg.), Ketzer im Kommunismus. 23 biographische Essays, 22000, S. 75–100, hier S. 80–84.
Jens Becker, Heinrich Brandler. Eine politische Biografie, 2001.
Hermann Weber/Andreas Herbst, Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, Berlin 2004, S. 117–119. (Onlineressource)
Harald Jentsch, Die KPD und der „Deutsche Oktober“ 1923, 2005.