Beth, Marianne
- Lebensdaten
- 1890 – 1984
- Geburtsort
- Wien
- Sterbeort
- Cresskill (New Jersey, USA)
- Beruf/Funktion
- Frauenrechtlerin ; Juristin ; Journalistin ; Feministin ; Soziologin ; Orientalistin
- Konfession
- jüdisch,seit 19.5.1911 evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 1017969760 | OGND | VIAF: 220617724
- Namensvarianten
-
- Weisl, Marianne
- Beth, Marianne
- Weisl, Marianne
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Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
- Adelheid Popp (1869–1939)
- David Heinrich von Müller (1846–1912)
- Dora von Stockert-Meynert (1870–1949)
- Friedrich Delitzsch (1850–1922)
- Gertrud Bäumer (1873–1954)
- Isidor Harkányi (1852–1932)
- Josef Popper-Lynkeus (1838–1921)
- Marianne Hainisch (1839–1936)
- Michael Berkowitz (1864–1935)
- Rosa Mayreder (1858–1938)
Orte
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Beth, Marianne (geborene Marianne Weisl)
1890 – 1984
Frauenrechtlerin, Juristin, Journalistin
Marianne Beth war die erste promovierte Orientalistin (1912) und erste promovierte Juristin (1921) Österreichs. Neben ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin und Strafverteidigerin trat sie seit den 1920er Jahren als Vorsitzende österreichischer und internationaler Frauenvereinigungen hervor und avancierte zu einer Ikone der Frauenbewegung. Als Journalistin veröffentlichte Beth Beiträge aus verschiedenen geistes- und kulturwissenschaftlichen Fachbereichen sowie Leitartikel zur Weltpolitik.
Lebensdaten
Geboren am 6. März 1890 in Wien Gestorben am 19. August 1984 in Cresskill (New Jersey, USA) Konfession jüdisch; seit 19.5.1911 evangelisch-lutherisch Marianne Beth, Österreichische Nationalbibliothek (InC) -
Autor/in
→Dietmar Goltschnigg (Graz)
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Zitierweise
Goltschnigg, Dietmar, „Beth, Marianne“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/1017969760.html#dbocontent
Beth entstammte einem wohlhabenden jüdischen Elternhaus, wuchs in Wien auf und erhielt seit 1894 Privatunterricht, u. a. durch den zionistischen Sozialisten Michael Berkowitz (1864–1935), der ihr ein wichtiger Mentor war. Prägend für ihre Entwicklung wurde auch der mit ihren Eltern befreundete Schriftsteller und Sozialreformer Josef Popper-Lynkeus (1838–1921). 1908 erhielt Beth am k. k. akademischen Knabengymnasium die Matura als Externe und studierte anschließend Orientalistik an der Universität Wien, da Frauen für das von ihr bevorzugte Studium der Rechtswissenschaften in Österreich nicht zugelassen waren. 1912 wurde Beth, die in ihrem Studium u. a. die Schriftsprachen Arabisch, Syrisch, Assyrisch und Koptisch erlernte, mit der von David Heinrich von Müller (1846–1912) betreuten Dissertation „Eigentumsveränderungen im israelitischen und babylonischen Recht“ als erste Österreicherin in dieser Fachrichtung zur Dr. phil. promoviert. In ihrer Studie arbeitete sie eigenständige Entwicklung der altjüdischen Rechtsordnung heraus und grenzte sich von dem Assyriologen Friedrich Delitzsch (1850–1922) ab, der die jüdische Religion und das Alte Testament auf babylonische Vorlagen zurückgeführt hatte.
Seit dem Sommersemester 1919 studierte Beth Rechtswissenschaften an der Universität Wien, wurde im Juni 1921 als erste Frau in Österreich zur Dr. iur. promoviert und trat im April 1922 als Konzipientin in die Rechtsanwaltskanzlei ihres Vaters ein. Im Januar 1924 legte sie die Advokatenprüfung ab und arbeitete seit September desselben Jahrs als Gerichtsdolmetsch am Oberlandesgericht Wien. Im Oktober 1925 wurde sie in die Liste der Strafverteidiger des Wiener Oberlandesgerichts aufgenommen und im Juli 1928 Mitglied der Wiener Anwaltskammer; beides war keiner österreichischen Frau vor ihr gelungen. Beth, deren Werdegang von der Wiener Presse aufmerksam verfolgt wurde, avancierte zu einer Ikone der bürgerlich-liberal orientierten Frauenbewegung Österreichs, für die sie sich organisatorisch und publizistisch intensiv engagierte.
Seit 1925 im Vorstand des Bunds Österreichischer Frauenvereine aktiv, initiierte Beth 1927 die Gründung der Österreichischen Frauenorganisation, deren Präsidentin sie bis 1934 war. Der Verband drängte auf eine Verwirklichung der seit 1920 gesetzlich verbrieften Gleichstellung von Frau und Mann, als deren Grundvoraussetzung Beth die gesellschaftliche Anerkennung weiblicher Berufstätigkeit außerhalb des Haushalts galt. Ende 1927 gründete Beth u. a. mit Dora von Stockert-Meynert (1870–1949) den Verein „Existenzschutz“, der die Einführung einer existenzsichernden staatlichen Versorgungsrente für alle Bedürftigen forderte und dem sich u. a. ihre Mentorin Marianne Hainisch (1839–1936) sowie Rosa Mayreder (1858–1938) und Adelheid Popp (1869–1939) anschlossen. Seit 1929 trat Beth zudem als Vizepräsidentin der Vereinigung berufstätiger Frauen in Österreich sowie der International Federation of Business and Professional Women (Zweig Österreich) hervor.
Beth veröffentlichte über 100 Artikel und Aufsätze zum Ehe- und Frauenrecht, zur Philosophie, Psychologie, Theologie, Ethnologie und Kriminologie. Publizistisch besonders präsent war sie in der liberalen Tageszeitung „Neue Freie Presse“ sowie in den Frauenmagazinen „Die Moderne Frau“, „Die Frau und ihre Interessen“, „Die Österreicherin“ sowie in dem von Gertrud Bäumer (1873–1954) herausgegebenen Organ des Bund Deutscher Frauenvereine, „Die Frau“. Für ihre Abhandlung „Zur Psychologie des Glaubens“ erhielt sie 1930 als erste Frau den Preis der Berliner Kant-Gesellschaft. Seit 1921 verlegte Beth ihre publizistische Arbeit v. a. auf weltpolitische Fragen, denen sie in der Wiener „Volks-Zeitung“ und im Pressburger (heute Bratislava, Slowakei) „Grenzboten“ rund 500 Leitartikel widmete.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich erhielt Beth Berufsverbot, ihr Name wurde mit Wirkung zum 31. Dezember 1938 aus der Wiener Rechtsanwaltsliste gestrichen. Im Januar 1939 floh sie über England in die USA, wo sie bis 1942 eine Gastdozentur für Soziologie und deutsche Sprache am Reed College in Portland (Oregon) bekleidete. Anschließend übersiedelte sie nach Chicago (Illinois, USA), versorgte ihre Familie hier mit Gelegenheitsarbeiten und erhielt 1944 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Von 1947 bis 1955 hatte Beth eine gut besoldete Stelle als Übersetzerin in der Sinclair Refining Company inne, ehe sie Anfang 1960 nach dem Tod ihres Ehemanns zu ihrer Tochter nach New York City zog. Ob sie in der Folgezeit nochmals publizistisch tätig wurde, ist unbekannt.
1930 | Preis der Kant-Gesellschaft, Berlin |
2009 | Marianne-Beth-Gastprofessur für Legal Gender Studies, Universität Wien |
2021 | Ehrung durch den Klub der Wiener Soroptimistinnen anlässlich des hundertsten Gründungsjubiläums des weltweit ersten Soroptimistinnenklubs, Oakland (Kalifornien, USA) |
2021 | Marianne Beth-Preis der Österreichischen Rechtsanwaltskammer, Wien |
2023 | Beth-Tor, Wien, Spitalgasse – Hof 1 (weiterführende Informationen) |
Nachlass:
Weisl-Familienarchiv, Jerusalem.
Monografien:
Eigentumsveränderungen im israelitischen und babylonischen Recht, 1912. (ungedr. Diss. phil.)
Neues Eherecht. Eine rechtsvergleichende Studie mit besonderer Berücksichtigung der Gesetzgebung von Deutschland, der Schweiz, Österreich u. a., 1925.
Das Recht der Frau, 1931.
Aufsätze:
Zur Psychologie des Glaubens, in: Religionspsychologie. Veröffentlichungen des Wiener Religionspsychologischen Forschungsinstitutes (1927), H. 2, S. 111–133 u. H. 3, S. 60–84.
Lernen und Arbeiten, in: Elga Kern (Hg.), Führende Frauen Europas. In sechzehn Selbstschilderungen, 1928, S. 94–115. (P)
Von Schlagworten und Fiktionen in der Frauenbewegung, in: Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit 37 (1929), S. 9–18.
Lebenshaltung und Familie, in: Ethik. Sexual- und Gesellschaftsethik 5 (1929), S. 521–524.
Die Stellung der Frau im Recht, in: Martha Stephanie Braun/Ernestine Fürth/Marianne Hönig/Grete Laube/Bertha List-Ganser/Carla Zaglits (Hg.), Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauenarbeit in Österreich, 1930, S. 95–103. (Onlineressource)
Materialien zur Typologie der Religiosität unserer Tage, in: Zeitschrift für Religionspsychologie 3 (1930), S. 249–288.
Die dreifache Modalität des Psychischen, in: Kant-Studien 37 (1932), S. 256–276.
The Women Movement in Europe, in: Our Common Cause. Civilization. Report of the International Congress of Women Including the Series of Round Tables, 1933, S. 96–101.
Zur Psychologie des Ich, in: Archiv für die gesamte Psychologie 88 (1933), S. 222–276.
Briefe:
Dietmar Goltschnigg (Hg.), Marianne Beth. Ein brüchiges Leben in Briefen aus Wien und dem amerikanischen Exil, 2021, S. 101–492.
Bibliografie:
Dietmar Goltschnigg (Hg.), Marianne Beth als weltpolitische Journalistin. Vom Ersten Weltkrieg bis zu Hitlers Machtergreifung, 2024, S. 559–584.
Sammelbände:
Dietmar Goltschnigg (Hg.), Marianne Beth. Ein brüchiges Leben in Briefen aus Wien und dem amerikanischen Exil, 2021, bes. S. 17–75.
Dietmar Goltschnigg (Hg.), Marianne Beth. Frauenrechtlerin, Friedensaktivistin und Universalgelehrte, 2023.
Dietmar Goltschnigg (Hg.), Marianne Beth als weltpolitische Journalistin. Vom Ersten Weltkrieg bis zu Hitlers Machtergreifung, 2024.
Aufsätze und Artikel:
Heinrich York-Steiner, Wienerinnen als führende Frauen Europas, in: Der Tag v. 18.12.1927, S. 20.
N. N., Art. „Beth, Marianne“, in: Werner Röder/Herbert A. Strauss (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, 1980, S. 59 f.
Edith Leisch-Prost, Art. „Marianne Beth“, in: Brigitta Keintzel/Ilse Korotin (Hg.), Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken, 2002, S. 62 f.
Marion Röwekamp, Art. „Marianne Beth“, in: Juristinnen. Lexikon zu Leben und Werk, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 2005, S. 41–43.
Jacob A. van Belzen, Pionierin der Religionspsychologie. Marianne Beth (1890–1984), in: Archive for the Psychology of Religion 32 (2010), S. 125–145.
Marion Röwekamp, Art. „Beth, Marianne“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon. Online Edition, 2011. (Onlineressource)
Ilse Reiter-Zatloukal/Barbara Sauer, Die Pionierinnen der österreichischen Rechtsanwaltschaft, in: Österreichisches Anwaltsblatt 3 (2013), S. 109–112.
Hartmut Ludwig/Eberhard Röhm (Hg.), Evangelisch getauft – als „Juden“ verfolgt. Theologen jüdischer Herkunft in der Zeit des Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch, 2014, S. 54 f.
Barbara Sauer, Art. „Marianne Beth“, in: Ilse Korotin (Hg.), BiographiA. Lexikon österreichischer Frauen, Bd. 1, 2016, S. 290 f. (Onlineressource)
Fotografien, Weisl-Familienarchiv, Jerusalem.
Fotografie v. Isidor Harkányi (1852–1932), ca. 1922, Abbildung in: Wiener Illustrierte Zeitung, Nr. 14 v. 2.4.1922, S. 229. (Onlineressource)
Österreichische Nationalbibliothek, Wien.