Lebensdaten
1888 – 1977
Geburtsort
London
Sterbeort
Zürich
Beruf/Funktion
Mathematiker ; Logiker ; Hochschullehrer
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 11865845X | OGND | VIAF: 39455306
Namensvarianten
  • Bernays, Paul Isaac
  • Bernays, Paul Isaak
  • Bernays, Paul
  • mehr

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Zitierweise

Bernays, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11865845X.html [26.07.2024].

CC0

  • Der Mathematiker Paul Bernays lehrte und forschte von 1917 bis zu seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten 1933 an der Universität Göttingen bei David Hilbert (1862–1943), mit dem er das Lehrbuch „Grundlagen der Mathematik“ (2 Bde., 1934/39) verfasste. Aufgrund seiner Arbeiten zur Beweistheorie und axiomatischen Mengenlehre gilt er als einer der bedeutendsten mathematischen Logiker des 20. Jahrhunderts.

    Lebensdaten

    Geboren am 17. Oktober 1888 in London
    Gestorben am 18. September 1977 in Zürich
    Grabstätte Friedhof Nordheim in Zürich
    Konfession jüdisch
    Paul Bernays, MFO (InC)
    Paul Bernays, MFO (InC)
  • Lebenslauf

    17. Oktober 1888 - London

    vor 1890 - Paris

    Übersiedlung

    1895 - Berlin

    Übersiedlung

    - bis 1907 - Berlin

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Köllnisches Gymnasium

    1908 - 1912 - Charlottenburg bei Berlin; Berlin; Göttingen

    Studium der Mathematik, Philosophie und Theoretischen Physik

    TH; Universität

    1912 - Göttingen

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    1912 - 1917 - Zürich

    Habilitation für Mathematik; Privatdozent

    Universität

    1917 - 1933 - Göttingen

    Universität

    1918 - 1922 - Göttingen

    Zweite Habilitation; Privatdozent

    Universität

    1922 - 1933 - Göttingen

    außerordentlicher Professor für Mathematik

    Universität

    1934 - Schweiz

    Übersiedlung

    1939 - 1945 - Zürich

    Dritte Habilitation; Privatdozent

    ETH

    1945 - 1959 - Zürich

    außerordentlicher Professor für höhere Mathematik; seit 1945 Halbprofessur; 1952 Vollprofessur

    ETH

    18. September 1977 - Zürich
  • Genealogie

    Vater Julius Bernays 1862–1916 jüdisch; Kaufmann
    Großvater väterlicherseits Levin Louis Bernays 1838–1891 jüdisch; Kaufmann
    Großmutter väterlicherseits Louise Bernays, geb. Lewisohn 1840–1898 jüdisch
    Urgroßvater väterlicherseits Isaak Ben Jacob Bernays 1792–1849 Oberrabiner in Hamburg
    Mutter Sara Bernays, geb. Brecher 1867–1953 jüdisch
    Großvater mütterlicherseits Aloys Brecher 1840–1916 jüdisch; Arzt
    Großmutter mütterlicherseits Johanna Bernays 1840–1916 jüdisch
    Bruder Adolphe Bernays 1890–1957
    Schwester Charlotte Bernays 1893–1895
    Schwester Martha Bernays 1894–1979
    Schwester Louise Bernays 1899–1940
    Heirat keine
    Kinder keine
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Bernays, Paul (1888 – 1977)

    • Vater

      Julius Bernays

      1862–1916

      jüdisch; Kaufmann

      • Großvater väterlicherseits

        Louis Bernays

        1838–1891

        jüdisch; Kaufmann

      • Großmutter väterlicherseits

        Louise Bernays

        1840–1898

        jüdisch

    • Mutter

      Sara Bernays

      1867–1953

      jüdisch

      • Großvater mütterlicherseits

        Aloys Brecher

        1840–1916

        jüdisch; Arzt

      • Großmutter mütterlicherseits

        Johanna Bernays

        1840–1916

        jüdisch

    • Bruder

      Adolphe Bernays

      1890–1957

    • Schwester

      Charlotte Bernays

      1893–1895

    • Schwester

      Martha Bernays

      1894–1979

    • Schwester

      Louise Bernays

      1899–1940

    • Heirat

  • Biografie

    alternativer text
    Paul Bernays (links), MFO (InC)

    Bernays zog 1895 mit der Familie nach Berlin, wo er das Köllnische Gymnasium besuchte. Nach dem Abitur 1907 studierte er Mathematik an der TH Charlottenburg, der Universität Berlin und seit 1912 an der Universität Göttingen, wobei er auch Lehrveranstaltungen in Philosophie und Theoretische Physik hörte. 1912 wurde Bernays an der Universität Göttingen bei Edmund Landau (1877–1938) über Zahlentheorie zum Dr. phil. promoviert und ging als Assistent von Ernst Zermelo (1871–1953) an die Universität Zürich, wo er sich im selben Jahr für Mathematik habilitierte. Hier schlug er Albert Einstein (1879–1955), Professor an der ETH, vor, die Variationsrechnung bei der Entwicklung der Allgemeinen Relativitätstheorie zu verwenden.

    1917 holte David Hilbert (1862–1943) Bernays zurück nach Göttingen, um mit ihm die Grundlagen der Mathematik auf eine neue Basis zu stellen. In seiner zweiten Habilitationsschrift 1918 behandelte Bernays die Logik der „Principia Mathematica“ von Bertrand Russell (1872–1970) und Alfred North Whitehead (1861–1947). 1922 zum außerordentlichen Professor ernannt, übernahm Bernays die Verantwortung für den Unterricht in Logik für den erkrankten Hilbert.

    In den folgenden Jahren entwickelte Bernays einige der wichtigsten Themen der mathematischen Logik, darunter die Prädikatenlogik erster Stufe in ihrer klassischen und in ihrer intuitionistischen Version (1925), die Epsilon-Substitutionsmethode und die elementare Arithmetik, die auf rekursiven Definitionen beruht (1928). Diese Resultate wurden nicht separat, sondern erst in der mit Hilbert herausgegebenen Monografie „Grundlagen der Mathematik“ (2 Bde., 1934/1939) veröffentlicht, die weitgehend von Bernays allein verfasst wurde. Die Publikation der fast fertigen „Grundlagen der Mathematik“ wurde durch das Bekanntwerden der 1931 veröffentlichten Unvollständigkeitssätze von Kurt Gödel (1906–1978) verzögert. Diese Sätze zeigen, dass Hilberts Programm, eine sichere Grundlage für die Mathematik zu schaffen, in der ursprünglich intendierten Form nicht erfüllt werden konnte. Bernays, der Gödels Ergebnisse schnell akzeptierte, unterstützte Hilbert bei der Neuorientierung des Grundlegungsprogramms auf der Basis eines liberaleren Konstruktivismus anstelle der ursprünglich streng finitistischen Position.

    Auf der Grundlage von Vorarbeiten John von Neumanns (1903–1957) entwickelte Bernays um 1930 die „von Neumann-Bernays-Gödel“-Mengenlehre, die ab 1937 in einer Artikelserie erschien und 1958 in dem Buch „Axiomatic Set Theory“ zusammengefasst wurde. Viele logische Techniken und Resultate der Hilbert-Schule gehen auf Bernays zurück, wie die axiomatischen Standardsysteme der Logik im „Hilbert-Kalkül“ und die Idee einer funktionalen Hierarchie, mit der das berühmte Kontinuumsproblem angegangen werden kann. Auch die „Grundzüge der theoretischen Logik“ (1928) von Hilbert und Wilhelm Ackermann (1896–1962) beruhen inhaltlich auf Bernays’ Einsichten. Hilberts Logikschüler seit den 1920er Jahren, darunter Haskell Curry (1900–1982), Gerhard Gentzen (1909–1945), Saunders MacLane (1909–2005) und Kurt Schütte (1909–1998), wurden von Bernays betreut. 1933 arbeitete Bernays mit der von den Nationalsozialisten aus Göttingen vertriebenen Ungarin Rózsa Péter (1905–1977) zusammen, die als erste Frau entscheidend zur modernen Entwicklung der Logik beitrug.

    Im Frühjahr 1933 wurde Bernays von den Nationalsozialisten die Lehrerlaubnis entzogen. Da die Familie Bernays das Schweizer Bürgerrecht besaß, konnte er nach einem kurzen Aufenthalt bei seiner Mutter und seinen Schwestern in Berlin mit ihnen nach Zürich gehen. Mit Unterstützung von Kollegen wie Georg Polya (1887–1985) und Hermann Weyl (1885–1955) erhielt er bescheidene Lehraufträge an der ETH Zürich. Erst 1945 bekam er eine halbe Stelle als außerordentlicher Professor für höhere Mathematik, die 1952 auf eine volle Stelle erhöht wurde. 1959 wurde er pensioniert. Zu seinen Doktoranden aus der Zürcher Zeit gehören u. a. Corrado Böhm (1923–2017), Richard Büchi (1924–1984) und Erwin Engeler (geb. 1930). In dieser Zeit und auch nach seiner Emeritierung folgte er Einladungen für ausgedehnte Aufenthalte in den USA, u. a. als Gastprofessor an der University of Pennsylvania und Fellow des Institute for Advanced Study in Princeton (New Jersey, USA).

    Neben seinen bedeutenden Leistungen auf dem Gebiet der Logik und der mathematischen Grundlagenforschung verfasste Bernays Schriften zur Philosophie. Er war sein ganzes Leben lang ein Vertreter der Neufriesischen Schule, die eine idealistische Philosophie im Sinne von Leonard Nelson (1882–1927) vertrat.

  • Auszeichnungen

    1918 Mitglied der Deutschen Mathematiker-Vereinigung
    1947 Gründungsmitglied der Académie Internationale de Philosophie des Sciences, Brüssel (zeitweise Präsident)
    1948 Gründungsmitglied der Schweizerische Gesellschaft für Logik und Philosophie der Wissenschaften
    1952 Auswärtiges Mitglied der Det Norske Videnskaps-Akademi, Oslo
    1971 Ehrenmitglied der Deutschen Vereinigung für mathematische Logik und für Grundlagenforschung der exakten Wissenschaften
    1976 Dr. h. c., Universität München
    2011 Paul Bernays Award der Schweizerische Gesellschaft für Logik und Philosophie der Wissenschaften (jährlich)
    2012 Paul Bernays Lectures, ETH Zürich (jährlich)
  • Quellen

    Nachlass:

    Bibliothek der ETH Zürich. (weiterführende Informationen)

  • Werke

    Über die Darstellung von positiven, ganzen Zahlen durch die primitiven, binären quadratischen Formen einer nicht-quadratischen Diskriminante, 1912. (Diss. phil.)

    Über den transzendentalen Idealismus, 1913.

    David Hilbert/Paul Bernays, Grundlagen der Mathematik, 2 Bde., 1934/39, 21968/70, russ. 1982, franz. 2001/03, in Auszügen engl. 2011/13.

    Axiomatic Set Theory, 1958.

  • Literatur

    J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 5, 1925, S. 97 f., Bd. 6, 1936, S. 191 u. Bd. 7a, 1956, S. 154.

    Siegfried Gottwald, Art. „Bernays, Isaak Paul“, in: ders./Hans-Joachim Ilgauds/Karl-Heinz Schlote (Hg.), Lexikon bedeutender Mathematiker, 1990, S. 45.

    Renate Tobies, Art. „Bernays, Isaak Paul“, in: dies., Biographisches Lexikon in Mathematik promovierter Personen, 2006, S. 55.

    Birgit Bergmann/Moritz Epple (Hg.), Jüdische Mathematiker in der deutschsprachigen akademischen Kultur, 2009, S. 75 f., 87  f. u. 132. (P)

    Gregory H. Moore, Art. „Bernays, Paul Isaac“, in: Frederic L. Holmes (Hg.), Dictionary of Scientific Biography, Bd. 17, Supplement 2, 1990, S. 75–78. (P)

    Erwin Engeler, Zum logischen Werk von Paul Bernays, in: Dialectica 32 (1978), S. 191–200.

    John J. O’Connor/Edmund F. Robertson, Art. „Paul Isaac Bernays“, in: MacTutor History of Mathematics Archive, 2015. (P) (Onlineressource)

    Thomas Fuchs, Art. „Paul Bernays“, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2022. (Onlineressource)

    Reinhard Kahle/Giovanni Sommaruga, Paul Bernays. Eine Schlüsselfigur der Logik und Grundlagen der Mathematik, 2023.

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Fotografien, ca. 1895–ca. 1960, Bibliothek der ETH Zürich, Bildarchiv.

    Fotografien, 1932–1976, Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach, Photo Collection.

  • Autor/in

    Jan von Plato (Helsinki)

  • Zitierweise

    von Plato, Jan, „Bernays, Paul“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/11865845X.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA