Bense, Max
- Dates of Life
- 1910 – 1990
- Place of birth
- Straßburg (Elsaß, heute Strasbourg, Frankreich)
- Place of death
- Stuttgart
- Occupation
- Philosoph ; Journalist ; Geologe ; Mathematiker ; Physiker
- Authority Data
- GND: 118509179 | OGND | VIAF: 108427825
- Alternate Names
-
- Bense, Max Otto
- Pseudonym: Job, Marcel
- Pseudonyme: Bart, Karl; Zink, Karl
- Bense, Max
- Bense, Max Otto
- Pseudonym: Job, Marcel
- Pseudonyme: Bart, Karl; Zink, Karl
- Bense-Rothe
- Bense-Walther
- Benze, M.
- Job, Marcel
- Job, Marciel
- M. ベンゼ
- Zink, Karl
- Pseudonyme: Bart, Carl; Zink, Carl
- Bense-Walter
- Zink, Carl
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Relations
Genealogical Section (NDB)
Life description (NDB)
- Arno Schmidt (1914–1979)
- Claude Elwood Shannon (1916–2001)
- Elisabeth Walther-Bense (1922–2018)
- Erich Rothacker (1888–1965)
- Frieder Nake (geb. 1938)
- Gottfried Benn (1886–1956)
- Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716)
- Hans Erich Hollmann (1899–1960)
- Heinrich Konen (1874–1948)
- Helmut Heißenbüttel (1921–1996)
- Hermann Henselmann (1905–1995)
- Inge Scholls (1917–1998)
- Martin Heideggers (1889–1976)
- Norbert Wiener (1894–1964)
- Oskar Becker (1889–1964)
- Reinhard Döhl (1934–2004)
- René Descartes (1596–1650)
- Søren Kierkegaard (1813–1855)
- Theodor W. Adornos (1903–1969)
Personen in der GND - familiäre Beziehungen
Places
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Bense, Max Otto
Pseudonyme: Marcel Job; Karl Bart; Karl Zink
1910 – 1990
Philosoph, Journalist
Max Bense war Professor für Philosophie in Stuttgart und als öffentlicher Intellektueller ein prägender Akteur des bundesdeutschen Geisteslebens der Nachkriegsära. Als „existenzieller Rationalist“, Kritiker und Atheist wurde er in der (intellektuellen) Öffentlichkeit zur polarisierenden Reizfigur. Mit der Gründung experimenteller Zeitschriften förderte er junge Künstler und Schriftsteller. Wegweisend wurden seine Forschungen zur Technikphilosophie mit der Entwicklung einer Ästhetik für die Gegenwartsmoderne.
Dates of Life
Geboren am 7. Februar 1910 in Straßburg (Elsaß, heute Strasbourg, Frankreich) Gestorben am 29. April 1990 in Stuttgart Grabstätte Dornhaldenfriedhof, Sektion 106 in Stuttgart-Degerloch -
Author
→Masetto Bonitz (Berlin)
-
Citation
Bonitz, Masetto, „Bense, Max“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118509179.html#dbocontent
Nach der Ausweisung der Familie aus Straßburg (Elsaß, heute Strasbourg, Frankreich) 1918 wuchs Bense in Köln auf und besuchte hier seit 1921 das Humboldt-Real-Gymnasium. Im Anschluss an das Abitur studierte er Philosophie, Physik, Chemie, Mathematik und Geologie an der Universität Bonn, verfasste hier seine Diplomarbeit im Fach Geologie und wurde 1935 mit der Arbeit „Quantenmechanik und Daseinsrelativität“ bei dem Logiker, Mathematiker und Husserl-Schüler Oskar Becker (1889–1964) zum Dr. phil. promoviert. Benses Studienzeit war geprägt von Diskussionen um Interferenzen zwischen Mathematik, Natur- und Geisteswissenschaften, was sein Denken zeitlebens bestimmte und für die Entwicklung seiner Ästhetik maßgeblich wurde. Bense befasste sich früh mit Literatur und nahm 1935 Kontakt zu Gottfried Benn (1886–1956) auf, mit dem er sich bis in die Nachkriegszeit intensiv über Literatur, Kunst und den Zustand der gegenwärtigen Gesellschaft austauschte.
Nach dem Studium war Bense als Journalist in Köln, 1938/39 als wissenschaftlicher Assistent bei der I. G. Farben A. G. in Leverkusen tätig. 1937 bei dem Physiker Heinrich Konen (1874–1948), bei dem Kulturanthropologen und Geschichtsphilosophen Erich Rothacker (1888–1965) sowie bei Becker an der Universität Bonn mit einer Arbeit zu Quantenmechanik und Daseinsrelativität zum Dr. phil. nat. promoviert, wurde Bense nach Beginn des Zweiten Weltkriegs zur Wehrmacht eingezogen und in Münster und Berlin stationiert. 1941 erhielt er hier eine Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter Hans Erich Hollmanns (1899–1960) im Laboratorium für Hochfrequenztechnik, dessen Sitz nach seiner Zerstörung 1942 auf Vorschlag Benses nach Georgenthal (Thüringen) verlagert wurde. Nach eigenen Angaben war er 1934 für ca. acht Wochen Mitglied in einer Studentenkompanie der SA und von 1939 bis 1945 Mitglied in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) ohne Rang und Amt. Mitglied oder Angehöriger weiterer politischer Organisationen zwischen 1933 und 1945 war er nicht.
Nach Kriegsende wurde Bense von den US-amerikanischen Besatzungsmacht als Bürgermeister in Georgenthal eingesetzt und kam mit dem Architekten Hermann Henselmann (1905–1995) in Kontakt, über dessen Vermittlung er noch 1945 eine Anstellung als Dozent an der Hochschule für Baukunst und bildende Künste in Weimar erhielt. Im selben Jahr wurde Bense Kurator an der Universität Jena, dort kumulativ habilitiert und 1946 zum außerordentlichen Professor für wissenschaftliche und philosophische Propädeutik ernannt. Seit dieser Zeit arbeitete er an der 1947 gegründeten einflussreichen Kulturzeitschrift „Merkur“ mit, wo er sich mit Essays über die Essaykunst, über Technik und Prosa sowie mit Rezensionen von Schriften Martin Heideggers (1889–1976) und Theodor W. Adornos (1903–1969) früh an zentralen Debatten über die Neuausrichtung des deutschen Geisteslebens beteiligte.
1948 sah Bense die Ausübung seines Professorenamts an der Universität Jena so stark eingeschränkt, dass er in den Westen floh. Ab 1949/50 war er als Gastprofessor, danach als außerordentlicher Professor für Philosophie der Technik, Wissenschaftstheorie und mathematische Logik an der TH Stuttgart tätig. Von 1953 bis 1958 wirkte er zudem auf Einladung Inge Scholls (1917–1998) als Mitarbeiter und Dozent an der Hochschule für Gestaltung in Ulm, wo er die Abteilung Information aufbaute und leitete, und von 1958 bis 1960 als Gastprofessor für Ästhetik an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. An der TH Stuttgart leitete er das Studium Generale, initiierte eine Studiengalerie und wurde zu einer führenden Figur im intellektuellen öffentlichen Leben der Stadt. Bense prägte Generationen von Studierenden, aus denen sich eine Anhängerschaft bildete, zu der u. a. Frieder Nake (geb. 1938), Helmut Heißenbüttel (1921–1996) und Reinhard Döhl (1934–2004) zählten.
Mit dem Erscheinen seiner Zeitschrift „Augenblick“ und seiner Streitschrift „Descartes und die Folgen“ eröffnete Bense 1955 eine äußerst kontrovers geführte Diskussion in der Bundesrepublik. Seine von einer Position des Atheismus ausgehende Kritik an dem Einfluss der Kirche auf die Gesellschaft und ihre Normen und deren Beziehung mit der Politik spaltete die Lager der (intellektuellen) Öffentlichkeit in der Bundesrepublik und führte zu Rufen nach seiner Entfernung aus dem Professorenamt. Zustimmung für seine Gegenwartskritik an besagtem Einfluss der Kirche erhielt er von dem Schriftsteller Arno Schmidt (1914–1979).
Bense nannte sich selbst einen „existenziellen Rationalisten“, eine Bezeichnung, die sich durchsetzte. Er meinte damit eine Haltung, die keine Grenze zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zieht und ausschließlich rational und intellektuell Erfassbarem zustimmt, sondern das Existenzielle, den Menschen einschloss. Gleichwohl sparte Bense in Diskussionen nicht mit Polemiken und provokanten Vergleichen als Mittel seiner Kritik. Für die Darlegung seiner Gedanken bevorzugte er den Essay. Sein Meta-Essay „Über den Essay und seine Prosa“ (1947) zählt neben Adornos „Der Essay als Form“ (1958) zu den konstituierenden Texten für dieses Genre in Deutschland. Als Benses geistige Väter gelten René Descartes (1596–1650), Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) und Søren Kierkegaard (1813–1855) sowie unter den Jüngeren u. a. Claude Elwood Shannon (1916–2001) und Norbert Wiener (1894–1964).
Wegweisend für die Kunsttheorie der 1960er Jahre wurde Benses vierbändiges Hauptwerk „Aesthetica“ (1954–1960), in dem er eine Interpretation von Gegenwartskunst, die sich technischen Neuerungen wie der aufkommenden Computerkunst annahm, in eine neue Ästhetik überführte, die bis zur Forderung nach einem Einsatz der Programmiersprache in der Kunst und von Seiten der Theorie zu einer Berechnung der Schönheit der Kunst reicht. Die von ihm entwickelte Ästhetik wandte Bense auf eigene literarische Texte an, die er u. a. in der von ihm seit 1960 herausgegebenen Zeitschrift „rot“ publizierte. Bekanntheit über seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen und nationale Grenzen hinaus erlangte er v. a. mit seinem Prosatext „Entwurf einer Rheinlandschaft“ (1962), in dem er das Potenzial computergenerierter Sprache für autobiografische Texte erprobte.
Forschungs- und Vortragsreisen führten Bense in den 1960er Jahren mehrfach nach Brasilien. Hier und in Deutschland wurde seine Methode der Sprachstrukturanalyse mit Mitteln der Statistik und EDV zur Grundlage für die Theorie der „Konkreten Kunst“ und „Konkreten Poesie“. In seinem Spätwerk beschäftigte er sich zunehmend mit Semiotik.
Nach seinem Tod widmete sich Benses Mitarbeiterin und spätere Ehefrau Elisabeth Walther(-Bense) (1922–2018) der Erforschung und Verbreitung seines Werks und Denkens; sie gab die „Ausgewählten Schriften“ (4 Bde., 1997/98) heraus, veröffentlichte Bibliografien im Internet und vermittelte Benses Nachlass an das Deutsche Literaturarchiv, Marbach am Neckar. Das Institut für Philosophie der Universität Stuttgart erinnerte gemeinsam mit der Staatlichen Akademie der Künste 2017/18 mit den Max-Bense Lectures in Aesthetics an den Philosophen; auch das Max-Bense-Forum im Neubau der Stuttgarter Stadtbibliothek ist nach ihm benannt.
2017/18 | Max-Bense Lectures in Aesthetics des Instituts für Philosophie der Universität Stuttgart und der Staatlichen Akademie der Künste, Stuttgart, ausgerichtet von Catrin Misselhorn |
2011 | Max-Bense-Forum der Stadtbibliothek Stuttgart |
Nachlass:
Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar.
Weitere Archivmaterialien:
Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe. (Nachlass Elisabeth Walther)
Universitätsarchiv Stuttgart. (Personalakte Max Bense)
Universitätsarchiv Jena. (Personalakte Max Bense)
Monografien:
Raum und Ich. Eine Philosophie über den Raum, 1934.
Anti-Klages oder von der Würde des Menschen, 1937.
Die abendländische Leidenschaft oder zur Kritik der Existenz, 1938.
Über Leibniz, 1946.
Konturen einer Geistesgeschichte der Mathematik. Die Mathematik und die Wissenschaften, 1946.
Konturen einer Geistesgeschichte der Mathematik II. Die Mathematik in der Kunst, 1949.
Was ist Existenzphilosophie? 1949.
Technische Existenz, 1949.
Ptolemäer und Mauretanier oder Die theologische Emigration der deuschen Literatur, 1950.
Die Philosophie, 1951.
Metaphysische Beobachtungen am Schönen [Aesthetica I], 1954.
Descartes und die Folgen. Ein aktueller Traktat, 1955.
Aesthetica II. Aesthetische Information, 1956.
Aesthetica III. Ästhetik und Zivilisation, Theorie der ästhetischen Kommunikation, 1958.
Aesthetica IV. Programmierung des Schönen. Allgemeine Texttheorie und Textästhetik, 1960.
Theorie der Texte. Eine Einführung in neuere Auffassungen und Methoden, 1962.
Entwurf einer Rheinlandschaft, 1962.
vielleicht zunächst wirklich nur. monolog der terry jo im mercey hospital, 1963.
Aesthetica. Einführung in die neue Aesthetik, 1965.
Brasilianische Intelligenz. Eine cartesianische Reflexion, 1965.
Semiotik. Allgemeine Theorie der Zeichen, 1967.
Artistik und Engagement, 1970.
Zeichen und Design. Semiotische Ästhetik, 1971.
Ausgewählte Schriften, 4 Bde., hg. v. Elisabeth Walther, 1997/98.
Aufsätze:
Über den Essay und seine Prosa, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken (1947), H. 3, S. 414–424.
Heideggers Brief über den Humanismus, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken (1949), H. 10, S. 1021–1026. (Rezension)
Hegel und die kalifornische Emigration, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken (1950), H. 1, S. 117–125.
Kybernetik oder die Metatechnik einer Maschine, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken (1951), H. 3, S. 205–218.
Zeitschriften-Herausgeberschaften:
Augenblick, 1955–1961.
Max Bense/Elisabeth Walther (Hg.), rot, 1960–1978.
Max Bense/Elisabeth Walther (Hg.), Semiosis, 1976–1990.
Bibliografie:
Elisabeth Walther, Chronologische Bibliografie der veröffentlichten Schriften und Rundfunksendungen von Max Bense und Sekundärliteratur Max Bense. (Onlineressource)
Monografien und Sammelbände:
Elisabeth Emter, Literatur und Quantentheorie. Die Rezeption der modernen Physik in Schriften zur Literatur und Philosophie deutschsprachiger Autoren (1925–1970), 1995.
Barbara Büscher/Hans-Christian von Herrmann/Christoph Hoffmann (Hg.), Ästhetik als Programm. Max Bense. Daten und Streuungen, 2004.
Elke Uhl/Claus Zittel, (Hg.), Max Bense. Weltprogrammierung, 2018.
Andrea Albrecht/Masetto Bonitz/Alexandra Skowronski/Claus Zittel (Hg.), Max Bense. Werk – Kontext – Wirkung, 2019.
Masetto Bonitz, Diskursive Unruhe, Max Bense in der Nachkriegsära (1945-1956), 2024.
Aufsätze:
Hans-Christian von Herrmann, Technische Welt. Max Benses Moderne, in: Archiv für Mediengeschichte 4 (2004), S. 175–184.
Hans-Christian von Herrmann, Programmierung des Schönen. Zu Max Benses Aesthetica, in: Marie Guthmüller/Wolfgang Klein (Hg.), Ästhetik von unten, 2006, S. 427–437.
Michael Eckardt, Max Bense in Jena, in: Palmbaum. Literarisches Journal aus Thüringen (2006), Nr. 14, S. 104–111.
Hans-Christian von Herrmann, Max Benses Entwurf einer Rheinlandschaft, in: Lorenz Engell (Hg.), Stadt, Land, Fluss, 2007, S. 154–159.
Eva Geulen, Selbstregulierung und Geistesgeschichte. Max Benses Strategie, in: Modern Language Notes. German Issue 123 (2008), H. 3, S. 591–612.
Hans-Christian von Herrmann, Schreibmaschinenströme. Max Benses Informationsästhetik, in: Wladimir Velminski (Hg.), Sendungen. Mediale Konturen zwischen Botschaft und Fernsicht, 2009, S. 51–61.
Ulrich Fröschle, Platonische Freund-/Feindbestimmungen. Max Bense, Ernst Jünger und Gottfried Benn, in: Matthias Schöning/Ingo Stöckmann (Hg.), Ernst Jünger und die Bundesrepublik. Ästhetik, Politik, Zeitgeschichte, 2012, S. 233–251.
Hans-Christian von Herrmann, Dämonie der Technik. Max Benses Geistesgeschichte der Mathematik, in: Lars Friedrich/Eva Geulen/Kirk Wetters (Hg.), Das Dämonische. Schicksale einer Kategorie der Zweideutigkeit nach Goethe, 2014, S. 364–372.