Netter
- Lebensdaten
- unbekannt
- Beruf/Funktion
- Kaufmanns- und Industriellenfamilie
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 138057257 | OGND | VIAF: 86205940
- Namensvarianten
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- Neter
- Noether
- Netter
- Neter
- Noether
- Netther
- Nether
- Noeter
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Netter (Neter, Noether)
Kaufmanns- und Industriellenfamilie. (israelitisch)
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Biographie
Die Bühler Linie der auch in England und in Frankreich beheimateten N. gehörte Anfang des 19. Jh. zu den angesehenen jüd. Familien der Stadt, wo sie bereits im 18. Jh. nachweisbar ist. Herz, einer der Söhne des →Samuel († 1828), erwarb 1830 das Bürgerrecht. →Wolf (1783–1859) handelte um die Jahrhundertwende mit Artikeln aller Art, hauptsächlich mit Alteisen. Später erweiterte er sein Sortiment durch Bandeisen, das er im franz. Straßburg kaufte und an die Faßhersteller im Ghzgt. Baden weiterverkaufte. 1833 gründete er mit seinen ältesten Söhnen →Josef († 1870) und Jacob eines der ersten Großhandelsunternehmen für Eisen und Metalle in Baden; später trat →Hermann († 1880) hinzu. Der vierte Sohn, →Samuel (1830–1913) wurde 1853 mit der Leitung der in Ludwigshafen neu errichteten Filiale betraut, die 1874 als selbständiges Unternehmen unter dem Namen „Wolf Netter Bekleidung“ ausgegliedert wurde. Durch geschickte Investitionen wuchs das Unternehmen rasch. Wolf zog sich 1857 aus dem Geschäft zurück und verkaufte es für 40 000 Gulden an seine Söhne, die es vertragsgemäß gemeinsam weiterführten.
1873 wurde in Straßburg eine Filiale durch den Angestellten →Salomon Jacobi (1846–1906) gegründet, der sie gemeinsam mit Hermann leitete. Zunächst wurden vornehmlich in Frankreich angekaufte Produkte, insbes. verzinntes Bandeisen, polierte Schwarzbleche und verzinnte Eisenbleche umgeschlagen. Mit der Schutzzollpolitik des Deutschen Reiches seit 1879 ging das Unternehmen sehr erfolgreich zur Eigenfertigung über. Gesellschafter waren nun neben Salomon Jacobi seit 1881 →Emil († 1885), nach dessen Tod →Karl Leopold (1864–1922), beidos Söhne Jacobs, sowie seit 1895 →Arthur (* 1871), der Sohn Hermanns. 1883 entstand in Königshofen bei Straßburg eine große Fabrik für die Herstellung von Blechen und eine Verzinkerei, 1888 wurde dasselbe Fertigungsprogramm in Adlershof bei Berlin aufgenommen. Es folgten bis zur Jahrhundertwende Kooperationen bzw. Übernahmen von Blechwalzwerken in Westfalen und in Hausach (Schwarzwald). 1888 traten an die Stelle des Seniorchefs Jacob dessen Söhne Karl Leopold und →Adolf († 1905) als Gesellschafter in das Unternehmen ein, das in eine offene Handelsgesellschaft unter der Firma „Wolf Netter & Jacobi“ umgewandelt wurde. Adolf ließ sich in Straßburg, das zum Hauptsitz des Unternehmens wurde, nieder, während Karl Leopold die Leitung des Werkes in Adlershof übernahm. Die norddeutschen Werke erhielten später eine Zentralverwaltung in Berlin; in Baden-Baden wurde eine weitere Filiale errichtet. Der Ausbau des gewinnträchtigen|Unternehmens mit rasch wachsender Beschäftigtenzahl (1890: ca. 900) wurde mit der Erweiterung des Hausacher Werks und dem Erwerb eines Walzwerkes in Finnentrop (Sauerland) vorangetrieben; letzteres entwickelte sich zu einem der größten Feinblechwalzwerke in Nordwestdeutschland. Mit modernisierten Werken und vergrößerter Produktion war das Unternehmen 1905 mit ca. 3000 Beschäftigten und einer Produktion von mehr als 70 000 Tonnen im Jahr in seiner Branche das größte auf dem europ. Festland. In allen Werken bestanden Betriebskrankenkassen und Unterstützungseinrichtungen, Bildungs- und Sozialeinrichtungen wurden durch namhafte finanzielle Zuwendungen gefördert. Seit 1906 waren die wichtigsten Teilhaber neben Eugen und Paul Jacobi Kommerzienrat Karl Leopold, 1906 Ehrenbürger der Stadt Bühl, und Regierungsbaumeister a. D. →Ludwig (* 1876). Am 1. Weltkrieg nahmen Ludwig und sein Schwager, →Julius Seeligsohn-N. (1885–1951), als aktive Frontoffiziere teil. 1918 wurden die Familien N. und Jacobi aus Straßburg ausgewiesen. Ihr Besitz, etwa 80% ihres Vermögens, wurde 1919 konfisziert; der Wert wurde 1928 mit 31,1 Mio. RM beziffert und den Inhabern, Karl Leopold und Ludwig, Julius Seeligsohn-N., Eugen und Paul Jacobi eine Entschädigung in Höhe von 376 000 RM zugestanden.
Das Unternehmen wurde unter Weiterbeschäftigung der aus dem Elsaß ausgewiesenen Mitarbeiter in Deutschland fortgeführt. 1925 wurden die Werke und Beteiligungsgesellschaften in die „Wolf Netter & Jacobi-Werke KGaA“ eingebracht, die Handelsaktivitäten in drei regionalen Gesellschaften mit Sitz in Berlin, Frankfurt/Main und Den Haag zusammengefaßt. Die Weltwirtschaftskrise erzwang die Reduzierung des Aktienkapitals von 7 Mio. auf 3,5 Mio. RM und der Belegschaft um ein Fünftel. Die verbesserte Konjunktur, die von der nationalsozialistischen Regierung betriebenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Wiederaufrüstung sowie der erfolgreiche Export brachten wieder Umsatzsteigerungen von 16 Mio. RM (1932/33) auf 40 Mio. RM im Geschäftsjahr 1936/37, die Zahl der Beschäftigten stieg im selben Zeitabschnitt von 1 100 auf 2750. Das Kapital wurde auf 5 Mio. RM. erhöht, seit 1935 wurden wieder Dividenden ausgeschüttet.
Mitte 1937 wurde wegen der zunehmend rücksichtsloser betriebenen Rassenpolitik der Nationalsozialisten durch Kontakte mit →Wilhelm Zangen (1891–1971), dem Generaldirektor der „Mannesmannröhren-Werke AG“, Düsseldorf, der Verkauf des Unternehmens vorbereitet. Die amtliche Genehmigung des Verkaufs erfolgte Ende Februar 1938. Mannesmann übernahm das Unternehmen mit allen Aktiva und Passiva und zahlte dafür 10,3 Mio. RM und 38 000 Pfund Sterling über ausländische Tochtergesellschaften; ferner beschäftigte Mannesmann Ludwig und Julius Seeligsohn-N. gegen ein monatliches Entgelt von 1000 Pfund für zwei Jahre in Großbritannien. Diese Regelung entsprach zwar nicht dem tatsächlichen Wert des Unternehmens, ging aber über die damals üblichen Bedingungen für den Verkauf jüd. Unternehmen deutlich hinaus. Im Frühsommer 1938 emigrierten Ludwig und Julius Seeligsohn-N. mit ihren Familien in die Schweiz und dann nach Großbritannien; →Emil W. († 1936), der sich in Frankfurt/M. für die Auswanderung von Juden nach Palästina einsetzte, hatte bereits 1936 den Freitod gewählt.
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Literatur
FS z. 25j. Jubiläum d. Fa. Wolf Netter & Jacobi in Straßburg i. E., 6. Febr. 1873-1898, o. J. (P);
O. Gerke (Hg.), Gesch. d. Stadt Bühl in Baden, 1936;
Dokumente z. Gesch. d. Frankfurter Juden 1933-1945, 1963;
200 J. Eisenwerk Hausach (Ms. im Mannesmann-Archiv, M. 17 300);
H. Raulff, Die Wolf Netter & Jacobi-Werke, in: Die Ortenau, Veröff. d. Hist. Ver. f. Mittelbaden 62, 1982, S. 175-89 (P);
H. A. Wessel, Kontinuität im Wandel, 100 J. Mannesmann 1890-1990, 1990;
ders., N., Kaufmanns- u. Industriellenfam. aus Bühl/Baden, 1997 (ungedr);
L. Strauss, in: NDBA 28;
Rhdb. (P). -
Autor/in
Horst A. Wessel -
Zitierweise
Wessel, Horst A., "Netter" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 86-87 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd138057257.html#ndbcontent