Meyer, Carl Heinrich
- Lebensdaten
- 1873 – 1945
- Geburtsort
- Lindenau bei Leipzig
- Sterbeort
- Luzern
- Beruf/Funktion
- Chemiker ; Erfinder
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 140118896 | OGND | VIAF: 103421317
- Namensvarianten
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- Meyer, Carl Heinrich
- Meyer, Karl Heinrich
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Meyer, Carl Heinrich
Chemiker, Erfinder, * 1.2.1873 Lindenau bei Leipzig, † 3.5.1945 Luzern. (evangelisch)
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Genealogie
V Heinrich, Techniker in Lindenau, Bes. v. Ölfeldern in Rumänien u. Gummiplantagen auf Sumatra, S d. Johannes, Gutsbes. in Kloten b. Zürich;
M Antonie (* 1849), T d. Karl Heinrich Ferdinand Richter (1811–73), Postverwalter in Kohren b. Altenburg (Sachsen), u. d. Auguste Charlotte Liebau (1813–83);
⚭ 1900 Johanna Lisbeth Richter aus Leipzig;
2 S. -
Biographie
M. besuchte die Bürgerschule und das Gymnasium in Leipzig. 1892-97 studierte er an der dortigen Universität Chemie und trat ohne Studienabschluß 1900 in die Firma Louis Blumer ein, welche Chemikalien für die Textilindustrie herstellte. M. entwickelte zunächst eine Methode zur Fabrikation wasserlöslicher Stärke und wandte sich 1901 einem Verfahren für die Gewinnung von künstlichem Schellack zu. Das von der Schildlaus (coccus lacca) auf harzreichen indischen Bäumen erzeugte Ausscheidungsprodukt Schellack war ein wichtiger Rohstoff, u. a. für Möbelpolituren. Mißernten hatten Anfang des 20. Jh. zu Verknappungen und starken Preissteigerungen geführt. M. gelang es, durch Reaktion von Phenol mit Formaldehyd in Gegenwart von Säuren oder Alkalien synthetische Harze zu erzeugen, welche in ihren Eigenschaften dem Naturprodukt Schellack weitgehend entsprachen. Die Firma Blumer meldete das Verfahren 1902 zum Patent an (DRP 172 877) und brachte das erste Kunstharz unter dem Warenzeichen „Laccain“ in den Handel. Das Schellack-Ersatzprodukt fand zunächst große Nachfrage, wegen mangelnder Lichtbeständigkeit der Polituren kam der Absatz jedoch nach wenigen Jahren wieder zum Erliegen.
Die Tatsache, daß aus Phenolen und Formaldehyd harzartige Substanzen entstehen, war schon 1827 A. v. Baeyer aufgefallen, der die Reaktion indes nicht weiter untersuchte. 1891 gewann W. Kleebey ebenfalls ein Phenol-Formaldehyd-Kondensat, konnte es aber nicht reinigen und charakterisieren. Versuche, diese Harze technisch zu nutzen, scheiterten. M. war der erste, der ein alkohollösliches Phenolharz synthetisierte, das in seinen Eigenschaften dem natürlichen Schellack sehr nahekam und als künstlicher Lack verwendet werden konnte. Auch erprobte er erstmals basische Katalysatoren, während vorher die Reaktion stets säureinduziert erfolgte. Die geringe Lichtbeständigkeit und die mangelnde Resistenz gegenüber basischen Reinigungsmitteln verhinderten einen dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg des „Laccains“. Seine weiteren Untersuchungen der Kondensationsreaktion führten M. zu zahlreichen Modifikationen, die er aber nicht genügend weiterverfolgte und großenteils auch nicht publizierte. 1910 fand L. Berend durch Verschmelzen eines Phenol-Formaldehyd-Harzes mit Kolophonium die öllöslichen Kunstkopal-Lacke, die den Aufschwung der Kunstharzlacke einleiteten. L. H. Baekeland meldete 1907 die ersten Patente unlöslicher Phenolharzpulver an, die als „Bakelite“ den Beginn der Kunststoffindustrie markieren. Diese späteren Entwicklungen basieren auf den von M. entwickelten Kondensationsverfahren.
M. konnte seine Erfindung nicht gewinnbringend verwerten. Nach einem längeren Aufenthalt auf Sumatra, wo er die vom Vater ererbten Plantagen bewirtschaftete, übersiedelte er 1913 in die Schweiz und gründete in der Nähe von Luzern eine kleine Kerzenfabrik. Durch die Inflation und den Zusammenbruch eines Bankhauses verlor M. sein ganzes Vermögen und lebte lange Jahre von der Armenunterstützung der Gemeinde Horw. Erst 1942 wurde sein Schicksal in Deutschland bekannt. Einige deutsche Kunstharzfabriken gewährten ihm einen Ehrensold. Sein Name und die Bedeutung seiner Erfindung sind in der Fachwelt heute fast vollständig in Vergessenheit geraten.
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Literatur
K. Billig, in: Wiss. Zs. d. Hochschule f. Maschinenbau Karl-Marx-Stadt 3, 1961, H. 3, S. 5-17 (P);
E. Schwenk, 80 J. Kunstharze – Fast vergessene Erfinder, Firmenschr. d. Hoechst AG, 1982, S. 4-6 (P);
K. Fischer, Kunstharze in Sachsen, in: Sächs. Heimat, 1983, H. 3. -
Autor/in
Ernst Schwenk -
Zitierweise
Schwenk, Ernst, "Meyer, Carl Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 361 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd140118896.html#ndbcontent