Genealogy

V →Johann(es) Niklas (1808–1872), Chemiker, Pharmazeut in Dithmarschen, Hamburg u. Kopenhagen, Prof. d. theoret. u. techn. Chemie am Technol. Inst. in St. P., Staatsrat, Min.beamter, Rübenzuckerfabr., Fabr. in Zürich (s. HBLS; Pogg. III; DBE), S d. Johannes, Bauer in Heuwisch (Holstein), u. d. Catharina Margarete Bartels;
M Elisabeth Charlotte (1813–1899), T d. Christoph (?) Heinrich Zwerner, Handschuhmacher oder Klempnermeister in St. P., u. d. Charlotte Ulrike Wieland;
Schw Margarete (* 1855);
– ⚭ 1) Hamburg 1881 Elisa (1858–93), T d. →Carl Wilhelm Friedrich Hüttlinger (1827–1893), aus Schwabach, Kaufm. in Hamburg, u. d. Julia Rodríguez (1834–1899), 2) London 1895 Elisabeth Ethel (1868 – n. 1953), aus Peckham, T d. →George Bell Doughty (1833?-1909), Doz. am Dulwich College;
4 S aus 1) (1 früh †) Gisbert (1882 – v. 1953, ⚭ Maria Rebecca Blumhardt, 1876–1963), Importeur in Victoria (Brit. Columbia), →Felix (1887–1943, ⚭ Emma Enole Clara Josefa v. Mendelssohn, 1890–1957, T d. →Franz v. Mendelssohn, 1865–1935, Bankier, Finanzfachmann in B., s. NDB 17), Chemiker in Frankfurt/M., Roland (1891–1918), 2 T aus 1) Irene (1885–1973, ⚭ →Fritz Pfuhle, 1878–1969, aus B., Maler, Graphiker in Danzig u. Reinbek b. Hamburg, 1910–45 Prof. an d. TH Danzig, s. ThB; Vollmer; AKL; Hann. Professoren), Leonie (1888–1910, ⚭ →Albert Petersson, 1870–1914, aus Landskrona, Chemiker, Ing. in Odda, Norwegen, s. Nordisk familjebok), 1 T aus 2) Ethel (1895–1973, ⚭ Johannes v. Gwinner, 1887–1959, aus Frankfurt/M., S d. →Arthur v. Gwinner, 1856–1931, Bankier, s. NDB VII).

Biography

Nach Schulbesuch in München und Zürich (Industrieabschluß 1871) belegte W. einen zweijährigen Kurs in Chemischer Technologie am Eidgenössischen Polytechnikum Zürich. Er war 1873 für die Duisburger Eisenhütte Vulkan und 1874 für die Kattundruckerei Gabriel Schießer nahe Zürich tätig, ehe er im Juli 1875 an der Univ. Zürich mit einer am Polytechnikum bei →Emil Kopp (1817–1875) erarbeiteten Studie über Diclorbenzol zum Dr. phil. promoviert wurde und zur Anilinfarbenfabrik „Williams, Thomas & Dower“ in Brentford (Großbritannien) wechselte, wo er 1876 auf theoretischem Weg den gelben Farbstoff Chrysoidin fand. Dies und weitere Arbeiten, wie die Entdeckung der Tropäoline, machten ihn zu einem der Pioniere auf dem Gebiet der Azofarben, einer kommerziell erfolgreichen Klasse künstlicher Textilfarbstoffe. Ebenfalls 1876 erschien seine Abhandlung „Zur Kenntnis des Baus und der Bildung färbender Kohlenstoffverbindungen“, in der er eine allgemeine Theorie zum chemischen Charakter von Farbstoffen, die Chromophor-Auxochrom-Theorie, formulierte, die der Farbenindustrie die Entwicklung neuer Produkte erheblich vereinfachte. 1879 wechselte W. zur Farbenfabrik „Leopold Cassella & Co.“ in Frankfurt/M. und 1880 als Dozent an die Chemieschule in Mühlhausen (Elsaß), blieb aber externer Projektpartner für Cassella. Nach einer Anstellung 1882–85 als Leiter der neuen Farbenfabrik des „Vereins Chemischer Fabriken in Mannheim“ wechselte er endgültig in die akademische Welt. An der TH Berlin habilitierte er sich 1886 für Bleicherei, Färberei und Zeugdruck, erhielt 1888 einen bezahlten Lehrauftrag und vertrat 1890 für ein Semester cum spe die vakante Professur für Technische Chemie, auf die er im April 1891 berufen wurde (1897/98 Rektor, 1898/99 Prorektor). W. arbeitete weiter zur Farbstoffchemie, hierbei auch zu Patentrechtsfragen, und gab das Handbuch „Chemische Technologie der Gespinstfasern“ (2 Bde., 1910–17) heraus. Er wandte sich Fragen der Silikatchemie (Glasu. Keramikerzeugung) und der Ammoniaksynthese zu, wirkte auf internationalen Kongressen, Weltausstellungen und in Präsidien von Fachverbänden, gründete 1889 das populärwissenschaftliche Magazin „Prometheus, Illustrirte Wochenschrift über die Fortschritte in Gewerbe, Industrie und Wissenschaft“ und beteiligte sich 1914/15 mit englandkritischen Aufsätzen in der „Chemiker-Zeitung“ am „Krieg der Geister“. Er erwirkte den 1903–05 erfolgten Neubau des Technisch-Chemischen Instituts. Seine Farbstofftheorie hat bis heute im Kern Gültigkeit. Zu seinen Schülern zählen →William Dupré Treadwell (1885–1959) und →Fritz Ullmann (1875–1939).

Awards

|Silberne Medaille d. Pariser Weltausst. (1878);
Jurymitgl. d. Weltausst. in Chicago (1893) u. Paris (1900);
Präs. d. Internat. Kongresses f. angew. Chemie in Berlin (1903);
Vizepräs. (1905/06) u. Präs. (1909) d. Dt. Chem. Ges.;
Vizepräs. d. Ver. z. Beförderung d. Gewerbefleißes in Preußen (1914);
Ehrenmitgl. d. Soc. Industrielle du Mulhouse;
Geh. Reg.rat;
Komtur d. österr. Franz-Joseh-Ordnes mit Stern;
Kommandeur d. franz. Ehrenlegion;
preuß. Kronen-Orden III. Kl.;
Rr. d. preuß. Roten Adler-Ordens IV. Kl.

Works

Weitere W u. a. Zur Kenntniss d. Metadichlorbenzols u. seiner Derivate, Ueber aromat. Nitrosamine, 1875 (Diss.);
Chem. Homol. u. Isomerie in ihrem Einflusse auf Erfindungen aus d. Gebiete d. organ. Chemie, Eine patentrechtl. Stud. v. Standpunkte d. Chemikers, 1889;
Die dt. chem. Ind. in ihren Beziehungen z. Patentwesen, Mit bes. Berücksichtigung d. Erfindungen aus d. Gebiete d. org. Chemie, 1893;
Narthekion, nachdenkl. Betrachtungen e. Naturforschers, 3 Bde., 1901–08;
Die chem. Ind. d. Dt. Reiches im Beginne d. zwanzigsten Jh., 1902;
– Hg. d. Zs. Die chem. Ind., seit 1903.

Literature

|A. Binz, in: Zs. f. Angew. Chemie 32, 1915, S. 193–96;
E. Noelting, in: Chem. Berr. 49, 1916, S. 1751–832 (W-Verz., P);
J. D’Ans, Zum 100. Geb.tage v.|O. N. W., in: Chemiker-Ztg. 77, 1953, S. 279–81;
E. Knobloch (Hg.), The Shoulders on Which We Stand, Wegbereiter d. Wiss., 2004, S. 206 f. (P);
Matschoss, Technik;
Lex. bed. Chemiker;
Pogg. III–V;
Lex. Naturwiss.;
Forscher u. Erfinder.

Portraits

|Photogrr., 1906/07, Abb. in: DigitaltMuseum (Internet).

Author

Citation

Engel, Alexander, "Witt, Otto Nikolaus" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 320-321 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117416614.html#ndbcontent