Suhr, Otto
- Lebensdaten
- 1894 – 1957
- Geburtsort
- Oldenburg
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Sozialwissenschaftler ; Politiker ; Bürgermeister
- Konfession
- -
- Normdaten
- GND: 11875775X | OGND | VIAF: 40173909
- Namensvarianten
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- Suhr, Ernst Heinrich Hermann Otto
- Suhr, Otto
- Suhr, Ernst Heinrich Hermann Otto
- Suhr
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Suhr, Ernst Heinrich Hermann Otto
Sozialwissenschaftler, Politiker, * 17. 8. 1894 Oldenburg, † 30. 8. 1957 Berlin, ⚰ Berlin, Waldfriedhof Zehlendorf, Ehrengrab. (evangelisch)
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Genealogie
V →Heinrich (1862–1955), Postsekr. in O., 1903 in Osnabrück, 1907 Oberpostsekr. in Leipzig, S d. →Johann Heinrich (1822–1902, Landmann, Arbeiter, u. d. Marie Wagener (1818–92;
M Clara (* 1874), T d. Johann Heinrich Herrmann Runge (* 1845), Zimmermeister, u. d. Maria Adolfine Julia Lina Mathilde Gehra (* 1842);
B Werner (Ps. Peter Deust) (1900–66), Verkaufspsychol., Ind.berater, Journ., Schriftst., Ballett- u. Tanzkritiker, 1946 (s. Wi. 1955–1967);
– ⚭ Leipzig 1921 →Susanne (1898–1989, jüd.), Bibl., Redakteurin (s. W), T d. →Julius Pawel, Kaufm., u. d. Goldine Korach; kinderlos. -
Biographie
Nach dem Schulbesuch in Oldenburg, Osnabrück und Leipzig (Abitur Städt. Oberrealschule 1914), dem Studium der Volkswirtschaft, Geschichte und Zeitungswissenschaften in Leipzig seit 1911 sowie dem zwischenzeitlichen Kriegsdienst 1914–18 arbeitete S. 1920/21, noch vor Studienabschluß, als Pressereferent der „Reichszentrale für Heimatdienst“ in Kassel und seit Okt. 1922 als politischer Sekretär des Kasseler Ortskartells des „Allgemeinen Dt. Gewerkschaftsbundes“ (ADGB), wo er sich für die Arbeiterbildung und die Volkshochschule engagierte. 1923 in Leipzig bei →Walter Goetz zum Dr. phil. promoviert, war S. nach einem Lehrauftrag der Univ. Jena seit Okt. 1925 Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung des „Allgemeinen freien Angestelltenbundes“ (AfA) in Berlin. Ihn beschäftigte das Konzept der Wirtschaftsdemokratie, und er erforschte die wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik der Arbeitnehmergruppe der Angestellten. Nebenberuflich lehrte er seit 1926 an der Dt. Hochschule für Politik. S. analysierte die Weltwirtschaftskrise als Ergebnis der Unzulänglichkeit der Organisation des Kapitalismus und sah die Nationalsozialisten als die größte Gefahr für die Republik. Im Okt. und Nov. 1931 war S. Mitglied des|von Reichskanzler Brüning als Beratungsgremium berufenen „Wirtschaftsbeirats“. In der NS-Zeit gelang es ihm, als Wirtschaftsjournalist materiell zu überleben, zeitweilig tauchten er und seine Frau an wechselnden Orten unter. Seine Kontakte zu Sozialdemokraten und Gewerkschaftern, besonders zu →Adolf Reichwein, behielt S. bei. Nach Ende der NS-Herrschaft arbeitete S. anfangs leitend in der Zentralverwaltung Industrie für die sowjet. Besatzungszone, mußte diese Position als Gegner der Zwangsvereinigung von KPD und SPD und Geschäftsführer der SPD in West-Berlin 1946 aber wieder aufgeben. Zwar plädierte S. für eine „Gesellschaftsordnung mit planmäßiger Wirtschaftsführung“, doch mit Priorität für die Freiheit des Individuums. Entsprechend gehörte er zu den Führern der Opposition im „Freien Dt. Gewerkschaftsbund“ (FDGB) und wurde Vorstandsmitglied der abgespaltenen „Unabhängigen Gewerkschaftsopposition“ in Westberlin. Einer einseitigen Westbindung stand S. anfangs skeptisch gegenüber, doch sah er angesichts der Politik der SED und der Sowjetunion bald keine andere Wahl. Als Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung (1946–50) und dann Präsident des Abgeordnetenhauses (1951–55) nahm S. entscheidenden Einfluß auf die Entstehung der Berliner Nachkriegsverfassungen. Verfassungsfragen beschäftigten S. 1948/49 auch als Berliner Vertreter im Parlamentarischen Rat in Bonn. Das Mandat als Bundestagsabgeordneter (seit 1949) gab er 1952 wieder auf. Im selben Jahr wurde er Honorarprofessor für politische Theorie an der FU Berlin. Die Wahl zum Regierenden Bürgermeister 1955 bedeutete einerseits die Krönung seiner Laufbahn als Politiker, zwang ihn aber andererseits, der Politik Vorrang vor der Wissenschaft einzuräumen und die Position als Direktor der Hochschule für Politik (seit 1948) aufzugeben. Als Regierender Bürgermeister förderte S. v. a. Wohnungsbau und Verkehrsprojekte und vertrat energisch die Interessen Westberlins gegenüber den Bundesinstitutionen und den Alliierten. Vor seinem Amtsantritt als Präsident des Bundesrates starb S. an der Hodgkinschen Krankheit.
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Auszeichnungen
A Rr.kreuz d. sächs. Militär- St. Heinrichs-Ordens (1918);
Vorstandsmitgl. d. Inst. f. Wirtsch.forsch. Berlin;
Gr. BVK (1954);
Ehrenbürger v. Fort Worth (Texas) (1955);
Carl-Schurz-Plakette (1956);
O.-S.-Allee Berlin-Charlottenburg (1957);
Gedenkstein Berlin-Kreuzberg Oranienstraße/Ecke Alexandrinenstraße (O.-S.-Siedlung) (1958);
Gedenkmarke d. Landespostdirektion Berlin (1958);
O.-S.-Inst. d. FU Berlin (1958). -
Werke
Die berufsständ. Vfg.bewegung in Dtld. bis z. Rev. v. 1848, Diss. Leipzig 1923;
Die d. Unternehmer, 1924;
Die Welt d. Wirtsch. v. Standort d. Arbeiters, 1926;
Die Lebenshaltung d. Angestellten, 1928;
Eine Auswahl aus Reden u. Schrr., Mit e. biogr. Einl. v. Susanne Suhr, Geleitwort v. Ernst Fraenkel, 1967 (P);
L D. Prowe, Weltstadt in Krisen, 1949–1958, Mit e. Vorwort v. Hans Herzfeld, 1973;
H. Buchstein, Pol.wiss. u. Demokratie, Wiss.konzeption u. Demokratietheorie soz.demokrat. Nachkriegspolitologen in Berlin, 1990;
H. Hülsbergen, in: Berlin Lb. VII, S. 465–83;
G. Lange, O. S., Im Schatten v. Ernst Reuter u. Willy Brandt, 1994 (P);
R. Appel, Die Regierenden v. Berlin seit 1945, 1996, S. 137–51 (P);
Widerstand in Berlin gegen d. NS-Regime 1933 bis 1945, VII, 2004;
Munzinger;
Berliner Biogr. Lex.;
Schumacher, M. d. B.;
– Nachlaß: Landesarchiv Berlin. -
Porträts
Bronzebüste v. R. Sintenis, 1958 (Berlin, Rathaus Schöneberg);
„Bildnis O. S. II“, Gem. v. K. Schmidt-Rottluff, 1959 (Berlin, Brücke-Mus.);
Bronzerelief (Berlin-Kreuzberg, Kommandantenstr. 29/31). -
Autor/in
Christoph Stamm -
Zitierweise
Stamm, Christoph, "Suhr, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 691-692 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11875775X.html#ndbcontent