Stepun, Fedor
- Lebensdaten
- 1884 – 1965
- Geburtsort
- Moskau
- Sterbeort
- München
- Beruf/Funktion
- Philosoph ; Publizist ; Erzähler ; Soziologe ; Essayist ; Kulturphilosoph ; Hochschullehrer
- Konfession
- mehrkonfessionell
- Normdaten
- GND: 11875355X | OGND | VIAF: 86856610
- Namensvarianten
-
- Stepun, Fedor Avgustovič
- Steppuhn, Friedrich August (bis 1914)
- Lugin, N. (Pseudonym)
- Luganov, Nikolai (Pseudonym)
- Luganov, N. (Pseudonym)
- Stepun, Fedor
- Stepun, Fedor Avgustovič
- stepun, fedor avgustovic
- Steppuhn, Friedrich August (bis 1914)
- steppuhn, friedrich august
- Lugin, N. (Pseudonym)
- lugin, n.
- Luganov, Nikolai (Pseudonym)
- luganov, nikolai
- Luganov, N. (Pseudonym)
- luganov, n.
- Steppuhn, Friedrich
- Stepun, F.
- Stepun, F. A.
- Stepun, Fedor A.
- Stepun, Fedor Augustovich
- Stepun, Fedor Avgustovich
- Stepun, Fedor Avgustovič
- Stepun, Fjodor
- Stepun, Fjodor A.
- Stepun, Fjodor Augustowitsch
- Stepun, Friedrich August
- Stiepun, Fiodor
- Степун, Федор Августович
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Stepun, Fedor Avgustovič (bis 1914 auch Friedrich August Steppuhn, Pseudonym N. Lugin, Nikolai und N. Luganov)
Philosoph, Publizist, Erzähler, Soziologe, Essayist, * 19. 2. 1884 Moskau, † 23. 2. 1965 München, ⚰ München, Nordfriedhof. (reformiert, später russisch-orthodox)
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Genealogie
V →August Steppuhn (1854–1914, Fabrikdir. in Kondrowo (Gouv. Kaluga), Kaufm. in Kokand u. Moskau, S e. ostpreuß. Gutsbes.;
M Marija Fedorovna (1861–1941, ⚭ 2] →Pavel Leppowicz, Ing.), T d. →Friedrich Argelander, aus im Ostseeraum ansässiger Hugenottenfam., Kaufm. in Moskau;
B Oskar Avgustovič Steppuhn (1885–1954), Prof. f. Biochemie in Moskau, Dir. d. Chemopharmazeut. Forsch.inst. d. Obersten Wirtschaftsrates d. Sowjetunion (s. Kürschner, Gel.-Kal. 1931), Vladimir Avgustovič Steppuhn (n. 1885-n. 1960), Schausp. am Moskovskij Chudožesvennyj Akademičeskij Teatr, Schw →Margarita Avgustovna Steppuhn (1897–1972, Opernsängerin, Übers. b. d. UNO, Marija Avgustovna († n. 1957), Natal`ja Avgustovna († v. 1957);
– ⚭ 1) Moskau 1906 Anna Aleksandrovna Serebriannikov († 1908, vermutl. Freitod), T e. Kaufm. in Vilnius, 2) Moskau 1911 Natal`ja Nikolaevna Nikol`skaja (1886–1961), T e. Kunsthandwerkers u. e. Volksbuchautorin in Moskau. -
Biographie
S. besuchte die dt. Realschule in Moskau, wo ihn u. a. der Übersetzer →Arthur Luther unterrichtete. Weitgehend assimiliert und seit 1900 russ. Staatsbürger, ging er 1902 zum Philosophiestudium nach Heidelberg. Hier wurde er 1910 bei →Wilhelm Windelband mit einer Arbeit über den Religionsphilosophen Vladimir Solov’ev zum Dr. phil. promoviert. Mit →Richard Kroner, →Georg Mehlis, Sergej Gessen u. a. gründete S. die internationale Philosophiezeitschrift „Logos“ und war 1910–14 Mitherausgeber ihrer russ. Ausgabe. Zum „Logos“-Kreis zählten auch Jonas Cohn, Edmund Husserl, Emil Lask, Heinrich Rickert, Georg Simmel und Max Weber. Früh sensibilisiert für die soziale Frage, verkehrte S. in Heidelberg und Moskau mit russ. Sozialrevolutionären und war eng mit Eugen Leviné befreundet.
In Rußland blieb dem „Neukantianer“ eine akademische Karriere verwehrt. Bis 1914 lebte er von Einkünften als Vortragsredner und Publizist. S. nahm als russ. Artillerieoffizier am 1. Weltkrieg teil, publizierte aber gleichzeitig antimilitaristische Kriegsbriefe, die ein Bekenntnis zur transnationalen Identität enthalten (dt. Ausg. Wie war es möglich, Briefe e. russ. Offz., 1929, ²1963). In der Februarrevolution 1917 wurde er zum Frontvertreter gewählt und Adjutant des Armeekommissars Savinkov; von Juli bis Mitte Sept. 1917 leitete er die Politische Abteilung im Kriegsministerium der Provisorischen Regierung. Während des Kriegskommunismus 1918–21 lebte er in einer Landkommune und wirkte in Moskau als Theaterdramaturg, Redner und Publizist, lehnte Dienstleistungen für die Sowjetmacht jedoch ab. Ein Beitrag von ihm in einem Buch über Oswald Spengler führte auf Betreiben Lenins 1922 zu seiner Ausweisung. Als sowjet. Staatsbürger ohne Rückkehrrecht ging S. nach Deutschland und wurde um 1930 in Sachsen eingebürgert.
In russ. Exilkreisen wurde S. v. a. als redaktioneller Mitarbeiter der Zeitschrift „Sovremennye zapiski“ (1920–40) bekannt. In politischen Essays rief er zur Synthese demokratischer Kräfte auf, als Literaturkritiker förderte er Exilautoren, allen voran Ivan Bunin. Gleichzeitig entfaltete S. eine rege Vortragstätigkeit und publizistische Aktivitäten im gesamten dt.sprachigen Raum, v. a. als Autor der Zeitschrift „Hochland“. Nach Zwischenstationen in Berlin und Freiburg (Br.), wo er 1923–25 lebte, Maxim Gorkij traf und im Seminar von Husserl auch Dmitrij Čiževskij, Hans-Georg Gadamer und Helmuth Plessner kennenlernte, trug S. seit 1926 als planmäßiger ao. Professor maßgeblich zur Etablierung der Soziologie an der TH Dresden bei. Zum dortigen Freundeskreis gehörten u. a. Paul Tillich, Robert Ulich, Elsa Brändström und die Kunstsammlerin Ida Bienert. 1928 erschien S.s autobiographischer Roman „Die Liebe des Nikolai Pereslegin“ ( ³1951) als erstes Buch des Carl Hanser Verlags in München. Für die Exilpresse berichtete S. aus Deutschland, schrieb über christliche Politik im Zeitalter der Diktaturen und propagierte, als Mitherausgeber und Stammautor der Zeitschrift „Novyj Grad“ (1931–39), die Idee einer eigenständigen russ. Demokratie. 1937 aus dem Hochschuldienst entlassen und öffentlicher Wirkungsmöglichkeiten weitgehend beraubt, verfaßte er seine Erinnerungen (Vergangenes u. Unvergängliches, 3 Bde., 1947–50, russ. 1956). 1944–47 lebte er in Rottach-Egern, danach in München.
Nach Kriegsende trat S. als Publizist, Redner, Universitätslehrer und Schriftsteller, seit 1947 auch mit Radiobeiträgen erneut an die Öffentlichkeit. Er unterstützte Kulturinitiativen wie die VHS Ulm und das Dt. Institut für Film und Fernsehen in München. Als Honorarprofessor an der Univ. München (1946–59) vermittelte und repräsentierte er russ. Geschichte als europ. Geistesgeschichte und als Alternative zum „Bolschewismus“. S. plädierte im Kalten Krieg für den Dialog mit sowjet. Reformkräften und begrüßte die Literatur der „Tauwetterperiode“, u. a. mit Beiträgen über →Boris Pasternak. Er förderte aktiv die ökumenische Bewegung. Durch seine Erinnerungen wurde S. v. a. als Porträtist des „Silbernen Zeitalters“ vorrevolutionärer und früher sowjet. Kultur einem breiten Publikum bekannt.
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Auszeichnungen
A Willibald-Pirckheimer-Medaille (1964);
Vors. d. Solov`ev-Ges. Dresden, Mitgl. d. Kant-Ges., d. dt. Ges. f. Soziol., Rel. u. Kultursoziol., d. Ges. f. Christl.-jüd. Zus.arb. (1948) u. d. PEN d. BRD (1949);
(Gründungs-?)Mitgl. d. Dt. Ges.. f. Osteuropa-Kunde (1949);
Mitgründer d. Münchner Zweigstelle d. Londoner Exil-PEN-Zentrums (1958);
Vorstandsvors. d. „Ges. russ. Schriftst. im Ausland“ (1963). -
Werke
Weitere W Žizn i tvorčestvo (Leben u. Schöpfertum), 1923;
Osnovye problemy teatra (Grundprobleme d. Theaters), 1923;
Theater u. Kino, 1932, ²1953 u. d. T. Theater u. Film;
Das Antlitz Rußlands u. d. Gesicht d. Rev., 1934;
engl. 1935;
Dostojewski, Weltschau u. Weltanschauung, 1950;
Bolschewismus u. Christl. Existenz, 1959;
Dostojewski u. Tolstoj, Christentum u. soz. Rev., 1961;
Mystische Weltschau, Fünf Gestalten d. russ. Symbolismus, 1964;
Čaemaja Rossija (Essays), hg. v. A. Ermičev, 1999, darin: A. Ermičev, F. A. S., Christianskoe videnie Rossii (Eine christl. Vision v. Rußland), S. 446–67;
Sočinenija (Essays), hg. v. V. Kantor, 2000 (Einl., Komm., W);
Pis`ma F. A. Stepuna I. A. Buninu (Briefe S.s an Bunin), eingel. v. Ch. Hufen, komm. v. R. Davies u. Ch. Hufen, in: S dvuch beregov, Russkaja literatura XX veka v Rossii i za rubežom, red. v. R. Davies u. V. A. Keldyš, 2002, S. 82–166;
Russ. Demokr. als Projekt, Schrr. im Exil 1924–1936, hg. v. Ch. Hufen, 2004 (P);
Žizn'i tvorčestvo (Sammlung), Izbrannye sočinenija, hg. v. V. K. Kantor, 2009;
Paul Tillich im Dialog mit d. Kultur- u. Rel.philos. F. S., Mit e. Einl. hg. v. A. Christophersen, in: Zs. f. neuere Theol.gesch. 18, 2011, S. 102–72;
– Nachlaß:
Yale Univ. New Haven (Connecticut, USA), Beinecke Rare Books and Manuscripts Library (Mss. u. Korr., v. a. 1945–65), Univ.bibl. Regensburg (Bibl. S.). -
Literatur
J. Kühn, Zum 80. Geb.tag F. S.s, in: Ruperto-Carola 36, 1964, S. 2–10 (P);
A. Stammler, in: Novyj žurnal 1966, Nr. 82, S. 247–56;
G. M. Fridlender, in: Russkaja literatura, 1989, Nr. 3, S. 109–12;
L. Bossle, F. S., Der Begründer d. Soziol. Lehrtradition in Dresden, in: Dresdner Hh. 25, 1991, S. 45–52 (P);
M. V. Bezrodnyj, Zur Gesch. d. russ. Neukantianismus, Die Zs. „Logos“ u. ihre Redakteure, in: Zs. f. Slawistik 37, 1992, S. 489–511;
G. A. Time, Vozvraščenija F. S. (Die mehrfache Wiederkehr F. S.s), ebd., 2003, Nr. 3, S. 210–16;
Ch. Hufen, F. S., Ein pol. Intellektueller aus Rußland in Europa, Die J. 1884–1945, 2001 (Qu, W, L, P, P-Verz., Liste d. Vorlesungen u. Seminare S.s an d. TH Dresden);
ders., Russe als Beruf, Anmm. zu F. S., in: Osteuropa 54, 2004, H. 11, S. 47–62;
U. Schmid, Rußland u. Dtld., F. S. schrieb zw. d. Kulturen, in: NZZ v. 6. 4. 2002;
V. Kantor, Die artist. Epoche u. ihre Folgen, Gedanken b. Lesen v. F. S., in: Forum f. osteurop. Ideen- u. Zeitgesch. 9, 2005, H. 2, S. 11–38;
Kürschner, Gel.-Kal. 1961;
W. Kasack, Lex. d. Russ. Lit. d. 20. Jh., 1992;
Professoren TU Dresden;
Internat. Soziologenlex.;
RGG⁴;
Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
Munzinger. -
Porträts
Fotos verschollener Plastiken v. A. Rickert, 1923, Abb. in: Russ. Demokr. (s. W), u. v. W. Rössler, 1937;
Foto e. Gem. v. K. Morell-Krahmer, 1949;
Fotos verschollener Zeichnungen v. W. Schmid, 1944, Abb. in: Vergangenes, Bd. 1, u. v. S. Ivanoff (diese u. weitere Fotos im Nachlaß, Yale Univ.);
Foto v. P. Swiridoff, in: ders., Das Gesicht, 1961, S. 30;
Scherenschnitt v. H. Hausmann-Kohlmann, 1941 (Dresden, Dt. Fotothek). -
Autor/in
Christian Hufen -
Zitierweise
Hufen, Christian, "Stepun, Fedor" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 264-265 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11875355X.html#ndbcontent