Sander, Fritz
- Lebensdaten
- 1889 – 1939
- Geburtsort
- Wien
- Sterbeort
- Prag
- Beruf/Funktion
- Jurist ; Rechtssoziologe ; Soziologe
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 140473750 | OGND | VIAF: 5291033
- Namensvarianten
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- Sander, Friedrich
- Sander, Fritz
- Sander, Friedrich
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Sander, Fritz
Jurist, Rechtssoziologe, * 8.6.1889 Wien, † 3.10.1939 Prag. (jüdisch)
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Biographie
S. studierte 1907-11 Rechtswissenschaften in Wien, wo er 1912 zum Dr. iur. promoviert wurde und sich 1920 bei →Hans Kelsen (1881–1973) mit einer Schrift über „Die transzendentale Methode der Rechtsphilosophie und der Begriff des Rechtsverfahrens“ für Allgemeine Staatslehre, Rechtsphilosophie und deren Geschichte habilitierte. 1921 wurde er ao., 1926 o. Professor an der Dt. TH Prag, 1931 o. Professor für Allgemeine Staatslehre, tschechoslowak. Verfassungsrecht, Verwaltungslehre und Verwaltungsrecht an der Dt. Univ. Prag (Dekan 1933/34). Hier stand S. einer sudetendt. nationalistischen Studentengruppierung nahe, weshalb er vermutlich ungeachtet seiner jüd. Herkunft nach der dt. Besetzung der Tschechoslowakei im Amt blieb.
Für S.s wissenschaftlichen Weg ist zunächst die Konversion von einem überzeugten Anhänger Kelsens und seiner als „jungösterr. Schule“ titulierten Richtung der Wiener Rechtstheoretischen Schule zu deren scharfem Kritiker von wesentlicher Bedeutung. Die von S. zusätzlich gegen Kelsen erhobenen Plagiatsvorwürfe wurden in einem von Kelsen selbst angestrengten Disziplinarverfahren als unbegründet zurückgewiesen. S. suchte unter Verwerfung der Kategorie eines eigenständigen normativen Sollens und der als Dogma apostrophierten Normativität des Rechts die Rechtswissenschaft in strenger Parallele zu den Prinzipien der Transzendentalphilosophie Kants zu konzipieren und das dort entwickelte begrifflich-systematische Instrumentarium, das auf Naturerkenntnis und Naturwissenschaften bezogen war, auf|Rechtserkenntnis und Rechtswissenschaft zu übertragen. Der Theorie der Erfahrung sollte so eine Theorie der Rechtserfahrung korrespondieren, wobei der Erfahrungsbegriff antiempiristisch gefaßt war. In seinen späteren Schriften beschäftigte er sich mit Fragen der Rechtssoziologie und legte eine „Allgemeine Gesellschaftslehre“ (1930) sowie eine „Allgemeine Staatslehre“ (1936) vor. Hinzu traten Publikationen zum tschechoslowak. Staats- und Verwaltungsrecht. Seine ebenso umfänglichen wie umständlichen und oft nur schwer verständlichen Schriften mit ihrer artifiziellen Terminologie haben kaum bleibende Wirkung entfaltet. In der Rechtswissenschaft wie in der Rechtssoziologie ist S. heute praktisch ein Unbekannter. Sein Name lebt v. a. als Bestandteil der „Sander/Kelsen-Kontroverse“ fort.|
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Auszeichnungen
Mitgl. d. Dt. Ges. d. Wiss. u. Künste in d. ČSR;
Mitgl. d. Internat. Vereinigung f. Rechts- u. Sozialphilos. Berlin. -
Werke
Weitere W Rechtsdogmatik oder Theorie d. Rechtserfahrung?, 1921;
Staat u. Recht, Prolegomena zu e. Theorie d. Rechtserfahrung, 1922 (Neudr. 1969);
Kelsens Rechtslehre, Kampfschr. wider d. normative Jurisprudenz, 1923;
Das Verhältnis v. Staat u. Recht, 1937;
Grundriß d. Tschechoslowak. Vfg.rechtes, 1938;
zahlr. Aufss. in jur., rechtsphil. u. rechtstheoret. Fachzss. -
Literatur
R. Dolp, Die Rechtslehre F. S.s, in: Zs. f. öff. Recht 5, 1953, S. 192-225;
ders., F. S.s soziol. Staats- u. Völkerrechtslehre, ebd. 28, 1977, S. 231-49;
R. A. Métall, Hans Kelsen, Leben u. Werk, 1969;
H. Holzhey, Rechtserfahrung u. Rechtswiss., e. fragwürdige Alternative, Zu S.s Streit mit Kelsen, in: Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer u. Kritiker, 1988, S. 47-75;
St. L. Paulson (Hg.), F. S./Hans Kelsen, Die Rolle d. Neukantianismus in d. Reinen Rechtslehre, 1988;
P. Goller, Naturrecht, Rechtsphil. oder Rechtstheorie?, Zur Gesch. d. Rechtsphil. an Österr.s Universitäten (1848–1945), 1997;
International Soziologenlex.;
Biogr. Lex. Böhmen;
ÖBL. -
Autor/in
Horst Dreier -
Zitierweise
Dreier, Horst, "Sander, Fritz" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 420-421 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd140473750.html#ndbcontent