Roselius, Ludwig
- Lebensdaten
- 1874 – 1943
- Geburtsort
- Bremen
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Kaffeekaufmann ; Industrieller ; Unternehmer
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 118749714 | OGND | VIAF: 72189455
- Namensvarianten
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- Roselius, Gerhard Ludwig Wilhelm
- Roselius, Ludwig
- Roselius, Gerhard Ludwig Wilhelm
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Roselius, Gerhard Ludwig Wilhelm
Kaffee-Kaufmann und -Industrieller, * 2.6.1874 Bremen, † 15.5.1943 Berlin, ⚰ Hannover. (evangelisch)
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Genealogie
Die Fam. Rasel ist seit Mitte d. 16. Jh. mit d. Pastor Thomas (Raselius, Roselius) in Hahnbach (Kr. Amberg, Oberpfalz) nachweisbar; dessen S Andreas (um 1562/63-1601/02) war Hofkapellmeister u. Komp. in Heidelberg (s. ADB 27; MGG; Riemann; New Grove; New Grove²; BBKL VII); dessen S Christoph Andreas (1590-n. 1644?) war 1628 Pastor in Schwarme (Kr. Diepholz, Gfsch. Hoya), dann in Bahlum (Kr. Braunschweig) (s. ADB 27; Kosch, Lit.-Lex.²); weitere Verwandte d. seit d. 19. Jh. in Bremen ansässigen Zweigs: →Christian (1871–1945), Gartenarchitekt (s. Brem. Biogr.), dessen S →Ludwig (1902–77), Komp., Musikkritiker (s. MGG; Riemann; New Grove; New Grove²); – V →Diedrich (1843–1902), ging nach Bremen, machte e. Kaufmannslehre, Prokurist in e. Großhandlung „Sammann u. Gristede“. gründete 1892 d. Fa. „Roselius & Co.“ in Bremen, S d. →Gerd (1807–58), Tischlermeister u. Brinksitzer in Bahlum, u. d. Dorothee Meier (1812–83), aus Kleinborstel (Gfsch. Hoya);
M Elise (1844–1901), T d. →Johann Windmüller, Lehrer u. Organist in Stuhr (Oldenburg), Ov – →Ludwig (1836–1908), Kaufm. in Bremen, Kassel u. Berlin: B →Friedrich (1876–1941), Kaufm., übernahm 1902 d. Filiale d. Fa. „Roselius & Co.“ in London. Aufsichtsratsvors. d. Ernst Grote AG in Hannover u. d. Focke-Wulf Flugzeugbau AG in Bremen (s. Brem. Biogr.);
Schw Emilie (Mily) (1878–1962, ⚭ →Ernst Müller-Scheeßel, 1863–1936, Maler, 1934 Prof. an d. Nord. Kunsthochschule in Bremen, s. Brem. Biogr.); Cousine →Marie (1869–1951), Päd., Leiterin d. Steilschen Anstalt bzw. d. brem. höheren Mädchenschule in Bremen (s. Brem. Biogr.);
– ⚭ 1) 1899 Anna (1874–1926), aus Hannover, T d. →Ernst Grote (1845–1927), Kaufm. in Hannover, betrieb e. Kaffeerösterei u. e. Kaffeehandel, 1922 Umwandlung d. Fa. „Ernst Grote Kaffee“ in e. AG (s. Biogr. Lex. Hannover), u. d. Julie Werner, 2) Paris 1928 Martha (Marthe) (* 1903), T d. →Franz Petrouschitz (1861–1941), aus Graz, Werkmeister, u. d. Susanne v. Langenmantel;
2 T aus 1), u. a. →Hildegard (Ps. Bettina Amberg) (1901–63), Schriftst. (s. L), 1 S aus 2) →Ludwig (* 1929), Vorstandsvors. d. HAG AG in Bremen. -
Biographie
R. besuchte in Bremen die Vor- und die Handelsschule. Nach einer dreijährigen Lehre bei der Kolonialwarenhandlung und Kaffeerösterei Ernst Grote in Hannover leistete er 1893/94 Militärdienst und trat dann in die väterliche Firma ein (1897 Prokurist), wo er Modernisierungen, v. a. eine Verbesserung der Röstmethode veranlaßte. Nach dem Tod des Vaters übernahm er 1902 mit seinem Bruder Friedrich die Firma. 1905 entwickelte R. mit Studenten und dem Chemiker Karl Wimmer das erste Verfahren zur Entkoffeinierung des Kaffees, das vermarktet werden konnte. 1906 gründete er die „Kaffee-Handels-AG“ (Kaffee HAG). R. übernahm den Aufsichtsratsvorsitz und beeinflußte alle wichtigen Entscheidungen, wobei ihm sein Talent für Werbeeffekte zustatten kam. Seit 1912 lebte er in Berlin. 1914 war die „Kaffee HAG“ ein Weltunternehmen, das seit 1911 innerhalb Europas, nach Rußland und in die USA exportierte, aber durch den Krieg in eine Krise geriet. R. trat als Propagandafachmann in den Dienst des Auswärtigen Amtes, wo er u. a. nach engl. und franz. Vorbild die Errichtung einer staatlichen Propagandazentrale forderte, und Denkschriften über die Gestaltung nationaler Kriegswirtschaft sowie Kriegszielprogramme verfaßte. 1915 wurde ihm die dt. Propaganda auf dem Balkan, dann auch in Skandinavien übertragen. 1916/17 leistete er Kriegsdienst in Frankreich.
Nach 1918 publizierte R. Artikel und „Offene Briefe“, er unterhielt Kontakte mit Persönlichkeiten aller politischen Richtungen wie dem kommunistischen Künstler Heinrich Vogeler, dem Sozialisten Alfred Faust und dem völkisch orientierten Grafen Ernst v. Reventlow. R. war beteiligt an der strukturellen Reorganisation des Auswärtigen Amtes, dem auf seinen Vorschlag hin eine Zentralstelle für Außenhandel angegliedert wurde. Seine Unternehmen baute er wieder auf, 1923 war er Mitbegründer und Geldgeber der „Focke-Wulf-Flugzeugbau AG“, deren Aufsichtsratsvorsitz er übernahm. 1929 brachte er mit dem Kakao-Instantgetränk „KABA“ einen weiteren innovativen Markenartikel heraus.
Bekannt wurde R. auch durch seine Kulturförderung, die er als Teil seiner Firmenwerbung betrachtete. Seit 1904, verstärkt seit 1912, kaufte er die Häuser der Böttcherstraße in Bremen auf. Das älteste Haus, das „Roselius-Haus“, wurde seit 1925 zu einem Kunstmuseum ausgebaut. 1926/30 ließ R. die anderen Häuser der Straße abbrechen, die östliche Seite von dem Bildhauer →Bernhard Hoetger (1874–1949), die westliche Seite von den Bremer Architekten Alfred Runge und Eduard Scotland in norddt. Stil gestalten. Zudem entstanden das „Paula-Becker-Modersohn-|Haus“, in dem er seine Sammlung von Werken der Künstlerin präsentierte, und das „Väterkunde-Museum“ mit vorgeschichtlichen Funden. Auch gab er die künstlerisch gestaltete Zeitschrift „Die Böttcherstraße“ heraus, gründete den „Angelsachsen-Verlag“ und veröffentlichte eine Fortsetzungsreihe über Dt. Kunst sowie das Wappenbuch von Otto Hupp. Über die Vorstellungen vom nordischen Menschen und Wesen näherte er sich dem Nationalsozialismus; er organisierte 1933/34 Kongresse unter Beteiligung dt. und ausländischer Vorgeschichtsforscher und Nordisten zu Themen wie der Urbevölkerung Nordwestdeutschlands, der Germanischen Völkerwanderung oder der Einwohner Germaniens, die er „nordisches Thing“ nannte. In Veröffentlichungen begrüßte er die „Machtergreifung“. Die „Böttcherstraße“ wurde seit 1935 von der NS-Propaganda diffamiert, auf →Hitlers Beschluß als Beispiel für „entartete Kunst“ jedoch unverändert belassen.
Nach Umstellung der Kriegsproduktion auf andere Lebensmittel und schweren Kriegsbeschädigungen der Fabrikanlagen und der Böttcherstraße fand nach 1945 ein schwieriger Wiederaufbau statt. R.s Sohn Ludwig übernahm als Vorstandsvorsitzender die Leitung der „Kaffee HAG“. Er verkaufte seine Anteile an der „Kaffee HAG AG“ 1979 an die „General Foods Corporation“ (USA); diese vereinigte 1981 Kaffee HAG mit der „General Foods GmbH“ in Bremen, die heute zu „Kraft Foods“ gehört. Die Immobilien der Böttcherstraße wurden 1988 an die Sparkasse in Bremen, die Kunstsammlungen an die Stadt Bremen verkauft. 2004 überließ die Sparkasse die Immobilien der Stiftung „Sparer Dank“.|
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Auszeichnungen
bulgar. Konsul (1917);
Dr. rer. pol. h. c. (Münster 1922);
Ludwig-Roselius-Allee in Bremen. -
Werke
u. a. Gegen die Zwangswirtsch. d. Reichswirtsch.min., 1919;
Briefe, 1919;
Sachverständigengutachten u. Rentenmark, 1924;
Reden u. Schrr. z. Böttcherstr. in Bremen, 1932;
Briefe u. Schrr. zu Dtld.s Erneuerung, 1933. -
Literatur
A. Faust, Mein Freund Ludwig, 1924;
B. Götte, in: Brem. Jb. 43, 1951, S. 478-87;
Hildegard Roselius. L. R. u. sein kulturelles Werk, 1954, ²1958 (P);
Kurt Roselius. in: Niedersächs. Lb., V. S. 253-69, 1962 (P);
ders., in: Brem. Biogr.;
H. Schwarzwälder, in: Berühmte Bremer, 1972 (P);
G. D. Feldman. Hugo Stinnes, Biogr. e. Industr., 1998, S. 400 ff.;
M. Anczykowski, Bernhard Hoetger – Paula Modersohn-Becker – L. R.: Verflechtungen, in: Bernhard Hoetger, Ausst.kat. Bremen 1998, S. 200-06;
N. Vetter, L. R., Ein Pionier d. dt. Öffentlichkeitsarbeit, 2002;
H. Schwarzwälder, Gr. Bremen-Lex., 2001;
Biogr. Lex. Hannover; | -
Quellen
Qu Chronik d. Fam. R., o. J. (Ms. im StA Bremen).
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Porträts
Büste v. B. Hoetger, 1922 (Bremen, Böttcherstraße), Abb. in: Bernhard Hoetger, Bildwerke 1902-1936, hg. v. H. Grape-Albers, 1994, S. 26.
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Autor/in
Herbert Schwarzwälder -
Zitierweise
Schwarzwälder, Herbert, "Roselius, Ludwig" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 47-48 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118749714.html#ndbcontent