Richter, Elise
- Lebensdaten
- 1865 – 1943
- Geburtsort
- Wien
- Sterbeort
- Ghetto Theresienstadt
- Beruf/Funktion
- Romanistin ; Hochschullehrerin ; Philologin ; Linguistin
- Konfession
- lutherisch
- Normdaten
- GND: 118600389 | OGND | VIAF: 19723742
- Namensvarianten
-
- Richter, Elise
- Richther, Elise
Vernetzte Angebote
- * Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950 [2003-]
- Biographische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen (BiografiA) [1998-]
- Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933-1945 [2010]
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- * Neue Deutsche Biographie (NDB) [2003] Autor/in: Hausmann, Frank-Rutger (2003)
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- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
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- * Literaturnachweis in der Neuen Deutschen Biographie (NDB)
- * Werknachweis in der Neuen Deutschen Biographie (NDB)
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- Nomination Database - Nobelprize.org [2014-]
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Richter, Elise
Romanistin, * 2.3.1865 Wien, † 21.6.1943 Ghetto Theresienstadt. (lutherisch)
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Genealogie
V →Maximilian († 1890), Dr. med., Chef d. Sanitätsdienstes d. k. k. privilegierten Südbahn;
M Emilie|(Emmy) Lackenbacher († 1889);
Schw →Helene (1861–1942 Theresienstadt, luth.), Schriftst., Anglistin, Shakespeare-Forscherin, Übers. engl. Lit., Dr. phil. h. c. (Heidelberg, Erlangen 1931) (s. Lex. d. Frau; Hall-Renner; ÖBL; G. Haenicke, Th. Finkenstaedt, Anglistenlex. 1825-1990, 1992; Wissenschafterinnen in u. aus Österr., hg. v. I. Korotin, 2002); – ledig. -
Biographie
Nach Privatunterricht legte R. 1897 als Externe die Maturitätsprüfung ab und immatrikulierte sich an der Univ. Wien. Neben Indogermanistik und Germanistik studierte sie v. a. Romanistik bei →Adolf Mussafia (1835–1905). Zu ihrem eigentlichem Lehrer wurde →Wilhelm Meyer-Lübke (1861–1936), ein exponierter Vertreter des sprachwissenschaftlichen Positivismus. Bei ihm wurde sie – als dritte Frau in Wien – 1901 promoviert. Ihre Dissertation „Zur Entwicklung der roman. Wortstellung aus der lat.“ (1903) wurde so positiv besprochen, daß R. 1904 unter Vorlage der Arbeit „Ab im Romanischen“, die durch spätlat. und roman. Belege das Weiterleben der lat. Präposition in den roman. Sprache untersucht, um die Venia legendi für Roman. Philologie mit bes. Berücksichtigung der Sprachpsychologie nachsuchte, die ihr schließlich 1907 erteilt wurde. Damit war R. die erste Privatdozentin in Österreich. 1921 wurde sie zur ao. Professorin ernannt, doch erst 1927 bezog sie Gehalt aufgrund eines Lehrauftrags für Sprachwissenschaft und Phonetik. 1922 gründete R. den Verband der Akademikerinnen Österreichs, dem sie bis 1930 angehörte.
Im Zentrum ihrer umfangreichen wiss. Arbeit stand die experimentelle Phonetik sowie die Perseveranz, also unterbewußte Vorgänge im Sprachleben. R., die regen Austausch mit dem seit 1922 in Wien lehrenden Slawisten und Begründer der Phonologie →Nikolai S. Trubetzkoy (1890–1938) pflegte, konzentrierte sich auf die Chronologie der Romanismen, d. h. derjenigen sprachlichen Erscheinungen, die von der Urzeit her nicht zur klass. Schriftsprache, sondern zu den roman. Volkssprachen führten, vernachlässigte aber auch semantische Aspekte nicht. Im Gegensatz zu damals verbreiteten Lehrmeinungen stellte sie für die historische Grammatik fest, daß diese zu mehr als Dreiviertel von der Semantik beherrscht wird. Das Projekt einer umfassenden roman. Sprachgeschichte „in fortlaufender, innerlich zusammenhängender Schilderung des Wirkens aller Faktoren“ blieb unvollendet, doch ein erster Teil „Chronologische Phonetik des Französischen bis zum Ende des 8. Jh.“ (1934) bildet R.s Opus magnum. Als Sprachwissenschaftlerin war R. origineller und moderner als Meyer-Lübke und die meisten Kollegen ihrer Zeit. Zu ihren Schülern zählen Ernst Gamillscheg, →Leo Spitzer, Christine v. Rohr, Helene Adolf und Christl Schütz.
Am 10.3.1938 beendete R. ihre Lehrtätigkeit; nach dem „Anschluß“ Österreichs an das Dt. Reich verlor sie aufgrund der NS-Rassengesetze ihren Lehrauftrag. 1940 beendete sie ihre thematisch geordnete Autobiographie „Summe des Lebens“, einen durch Nüchternheit wie analytische Schärfe bestechenden Lebensbericht. Ein Angebot, nach Großbritannien zu emigrieren, lehnten R. und ihre Schwester ab. Am 10.10.1942 wurden beide nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Abstand eines halben Jahres starben.
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Werke
Weitere W Lautbildungskunde, Einf. in d. Phonetik, 1922;
Die Entwicklung d. neuesten Französisch, 1933;
Kleinere Schrr. z. allg. u. roman. Sprachwiss., hg. v. W. Meid, 1977. – Summe d. Lebens, hg. v. Verband d. Akademikerinnen Österr.s, 1997 (P).| -
Nachlass
Nachlaß: Wiener Stadt- u. Landesbibl.
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Literatur
G. Mecenseffy, Ev. Lehrer an d. Univ. Wien, 1967, S. 198 f.;
B. Woodbridge, in: Romance Philology 26, 1972, S. 342-60 (W);
H. H. Christmann, Frau u. „Jüdin“ an d. Univ., Die Romanistin E. R. (Wien 1865 – Theresienstadt 1943), Abhh. d. Mainzer Ak. d. Wiss., 1980 (P);
Dt. u. österr. Romanisten als Verfolgte d. NS, hg. v. dems. u. F.-R. Hausmann, 1989;
F.-R. Hausmann, Dt. Romanistik im „Dritten Reich“, 2000, S. 286-95;
Desiderate d. österr. Frauenbiografieforsch., hg. v. E. Lebensaft, 2001, bes. S. 45;
Lex. d. Frau (P);
ÖBL;
Hist. Lex. Wien;
J. Dick, M. Sassenberg (Hg.), Jüd. Frauen im 19. u. 20. Jh., 1993;
E. Pulgram, in: Lex. Grammaticorum, hg. v. H. Stammerjohann, 1996 (W);
Wissenschafterinnen in u. aus Österr., hg. v. I. Korotin, 2002. -
Autor/in
Frank-Rutger Hausmann -
Zitierweise
Hausmann, Frank-Rutger, "Richter, Elise" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 525-526 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118600389.html#ndbcontent