Ratzenhofer, Gustav
- Lebensdaten
- 1842 – 1904
- Geburtsort
- Wien
- Sterbeort
- auf See zwischen Amerika und Europa
- Beruf/Funktion
- Militärschriftsteller ; Soziologe ; Offizier ; Philosoph ; Militärschriftsteller
- Konfession
- keine Angabe
- Normdaten
- GND: 140235116 | OGND | VIAF: 103774073
- Namensvarianten
-
- Ratzenhofer, Gustav
- Renehr, Gustav
Vernetzte Angebote
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- * Literaturnachweis in der Neuen Deutschen Biographie (NDB)
- * Werknachweis in der Neuen Deutschen Biographie (NDB)
- Index Theologicus (IxTheo)
- Personen im Wien Geschichte Wiki [2012-]
Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
Orte
Symbole auf der Karte
Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.
-
Ratzenhofer, Gustav (Pseudonym Gustav Renehr)
Offizier, Soziologe, Militärschriftsteller, * 4.7.1842 Wien, † 8.10.1904 auf See zwischen Amerika und Europa.
-
Genealogie
V →Johann (1812–59), Uhrmacher u. Uhrenhändler in W., S d. →Matthäus (1767–1839), Uhrmacher in W. (s. J. Abeler, Ullstein Uhrenbuch, 1975, S. 302;
M N. N. (wohl früh †);
⚭ Marie (1848–98), aus Leitmeritz, T d. →Josef v. Herget (1812–73), k. k. Statthaltereirat in Prag, u. d. Huberta Freiin v. Malowitz u. Košoř (1821-1906);
S →Gustav (* 1875, ⚭ Hedwig v. Ratzenhofer), Dr. iur., Oberlandesger.rat in W., Mitgl. d. Abrechnungsger.hofs., Mitarb. an Reform d. Geschäftsordnung d. österr. Gerichte (s. Jb. d. Wiener Ges., 1929), →Emil (* 1877), österr. Gen., 1915 stellv. Feldeisenbahnchef b. österr. Oberkommando, Sektionschef im Bundesmin. f. Heerwesen, Mitarb. d. Carnegie-Werks üb. Wirtsch.- u. Soz.gesch. d. 1. Weltkriegs, Ing., Verlagsleiter (s. Jb. d. Wiener Ges., 1929; Teichl);
E →Emil (* 1914), 1945-48 im väterl. Buchverlag, seit 1948 bei d. Fa. Elin in W., Eiskunstläufer, 1943-49 österr. Meister im Paarlauf (s. Teichl), →Herta (* 1921), Mittelschullehrerin, Eiskunstläuferin, 1943-49 österr. Meisterin im Paarlauf (s. Teichl). -
Biographie
Nach dem Besuch von Volks- und Realschule in Wien schloß R. eine Lehre als Uhrmacher ab. Als 17jähriger Kadett ins Feldjägerbataillon 2 in Mauer bei Wien eingetreten, nahm er 1859 am Feldzug gegen Frankreich und (1864 Lt.) 1866 am Feldzug gegen Preußen und Italien teil. 1868-70 absolvierte er die Wiener Kriegsschule und wurde anschließend dem Generalstab zugeteilt. 1874-76 zum Büro für Kriegsgeschichte des k. k. Generalstabs abkommandiert und 1876-79 als Hauptmann des Generalstabskorps im k. k. Kriegsarchiv in Wien tätig, war er 1879-89 Mitglied des Generalstabs und Truppenoffizier. Seine weiteren Stationen waren Oberst (1889), Kommandeur des Infanterieregiments 8 (1893) und der 60. Infanteriebrigade (1894), Generalmajor (1895) und schließlich Präsident des Militärobergerichts in Wien (1898) und Feldmarschalleutnant (1898). Nach politischen Konflikten über die Praxis der Militärgerichtsbarkeit trat R. 1901 in den Ruhestand.
Neben seinen zahlreichen militärwissenschaftlichen Publikationen arbeitete der Autodidakt R. während seiner aktiven Militärzeit und insbesondere danach auch gesellschaftswissenschaftlich. Unter dem Eindruck der Schriften Darwins übertrug er dessen Konzepte auf menschliche Gesellschaften, womit er zu den prominentesten Repräsentanten des „Sozialdarwinismus“ im dt.sprachigen Raum zählte. Ähnlich wie der brit. Soziologe Herbert Spencer und sein Freund und Landsmann →Ludwig Gumplowicz (1838–1909) sah auch R. in unterschiedlichen ethnischen Rassen die entscheidenden Akteure in Geschichte und Gesellschaft. Beeinflußt durch die Ideen von Auguste Comte, verstand er die Soziologie als prädestinierte Führerin gesellschaftlicher Entwicklungen. Die Grundzüge seiner positivistischen Soziologie legte er dar in „Soziologie, Positive Lehre von den menschlichen Wechselbeziehungen“ (postum 1907). R. bemühte sich um die Herausarbeitung von Typen menschlicher Assoziationen: Er reduzierte soziale Erscheinungen auf chem., physikal. und biolog. Faktoren und postulierte, daß der Mensch, von seinen basalen biolog. Antrieben gesteuert, bestrebt sei, sich in einem Zustand der „absoluten Feindschaft“ gegen andere Menschen durchzusetzen. Schon in seinen frühen Werken (u. a. Wesen u. Zweck d. Pol., Als Theil d. Sociol. u. Grundlage d. Staatswissenschaften, 3 Bde., 1893) hatte R. seine Sicht von der Dynamik der sozialen Kräfte als Kampf zwischen sozialen Gruppen entwickelt. Mit „Die Kritik des Intellects, Positive Erkenntnistheorie“ (1902, Neudr. 1968) präsentierte er die Grundzüge seiner Erkenntnislehre, die durchgehend auf einem evolutionistischen Monismus basiert, für den alles Geschehen Äußerung einer transzendenten „Urkraft“ (Selbsterhaltung, Anziehung u. Abstoßung) ist. Im Sept. 1904 referierte er, der neben →Georg Simmel und Ferdinand Tönnies die Soziologie vertrat, in St. Louis (Missouri) auf dem Weltkongreß der Künste und Wissenschaften über sein soziolog. System. Auf der Rückfahrt verstarb er. Insgesamt zählt R. zu den frühen Pionieren der noch nicht etablierten Soziologie im dt.sprachigen Europa des 19. Jh. Seine Konzepte beeinflußten den amerik. Soziologen Albion W. Small (1854–1926) an der University of Chicago, sind für die heutige Soziologie jedoch allenfalls von antiquarischem Interesse. – Mitgl. d. Inst. Internat. de Sociol., Paris (1895).
-
Werke
Weitere W Die takt. Lehren d. Krieges 1870/71, 1873;
Unsere Heeresverhältnisse, 1873;
Hdb. f. d. prakt. Uebungen d. Inf.-Waffe, ⁴1874;
Im Donaureich, 2 Bde., 1877/78 (Ps. Gustav Renehr);
Die Staatswehr, Wiss. Unters. d. öff. Wehrangelegenheiten, 1881;
Moltke u. Gambetta, Stud. über d. Kriegszüge Dtld.s u. d. franz. Rep. 1870–71, 1882;
|Die prakt. Uebungen d. Inf.-Waffe, ⁴1885;
Die sociolog. Erkenntnis, Positive Philos. d. socialen Lebens“ 1898, Neudr. 1968;
Der positive Monismus u. d. einheitl. Princip aller Erscheinungen, 1899;
Was wollen, was können, was sollen d. Deutschen im Donaureich?, 1899;
Positive Ethik, Die Verwirklichung d. Sittl.-Seinsollenden, 1901. -
Literatur
O. Gramzow, G. R. u. seine Philos., Zur Einf. u. Kritik, 1904;
L. Gumplowicz, La sociologia e G. R., in: Rivista italiana di sociologia 9, 1905, S. 269;
A. W. Small, An Exposition of the Main Developments in Sociological Theory from Spencer to R., 1905;
ders., R.s Sociology, in: American Journal of Sociology 13, 1908;
A. F. Bentley, Simmel, Durkheim and R., ebd. 32, 1926;
R. Schmid, G. R., Sociological Positivism and the Theory of Social Interests, in: H. E. Barnes (Hg.), An introduction to the history of sociology, 1948;
F. Oberhuber, in: Archiv f. d. Gesch. d. Soziol. in Östen., Newsletter Nr. 22 v. Juli 2001, S. 11-25;
International Soziologenlex.;
Meyers Gr. Konversations-Lex. ⁶1908;
Enc. Britannica, 141973;
The New Enc. Britannica, 151992 (P);
ÖBL. -
Porträts
in: Soziol., Positive Lehre v. d. menschl. Wechselbeziehungen, Aus d. Nachlasse hg. v. seinem Sohne, Mit d. Bildnis d. Vf., 1907.
-
Autor/in
Dirk Kaesler -
Zitierweise
Kaesler, Dirk, "Ratzenhofer, Gustav" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 188-189 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd140235116.html#ndbcontent