Raschke, Martin
- Lebensdaten
- 1905 – 1943
- Geburtsort
- Dresden
- Sterbeort
- bei Nevel (Rußland)
- Beruf/Funktion
- Schriftsteller
- Konfession
- keine Angabe
- Normdaten
- GND: 11951432X | OGND | VIAF: 823955
- Namensvarianten
-
- Merz, Otto (Pseudonym)
- Anders, Peter (Pseudonym)
- Raschke, Martin
- Merz, Otto (Pseudonym)
- merz, otto
- Anders, Peter (Pseudonym)
- anders, peter
- Anders, Pether (Pseudonym)
- anders, pether
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-
Raschke, Martin Gerhard (Pseudonym Otto Merz, Peter Anders)
Schriftsteller, * 4.11.1905 Dresden, ⚔ 24./25.11.1943 bei Nevel (Rußland).
-
Genealogie
V Karl Friedrich Emil († 1929), städt. Verw.beamter in D.;
M Olga Johanna;
⚭ →Jutta Lucchesi (* 1906), Tänzerin u. Tanzpäd. an d. Wigman-Schule in D.;
2 T. -
Biographie
R. besuchte das Wettiner Gymnasium in Dresden, wo er u. a. mit Heinz Greif und Rudolf Braune seit Ende 1924 die respektlos kritische, politisch linke Schülerzeitschrift „MOB“ (4 Hefte, 1925) herausgab, die großes Lob in der literarischen Öffentlichkeit u. a. von Kurt Tucholsky und Kurt Hiller fand. R.s erster Roman „Fieber der Zeit“ (1930) verarbeitet diese von Jugendbewegung und sozialistischen Ideen beeinflußte Phase. 1925-29 studierte R. Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte in Leipzig, München und Berlin, ohne einen Abschluß zu erlangen. Das Manifest „Wir werden sein“ (1926) in der Nachfolge Nietzsches und der Lyrikband „Winde, Wolken, Palmen“ (1926) brachten ihn vorübergehend dem Kreis um →Klaus Mann nahe. Zunächst meist in Berlin lebend, seit 1932 wieder in Dresden, schrieb R. seit 1929 zahlreiche Kritiken für die „Literarische Welt“. Einen Namen machte er sich v. a. als Programmatiker (unter d. Einfluß Gottfried Benns), Mitherausgeber – mit A. Artur Kuhnert, unterstützt von seinem Freund →Günter Eich (1907–72) sowie dem Verleger Wolfgang Jess – und Autor der Zeitschrift „Die Kolonne“ (1929-32), die sich anfangs als „Zeitung der jungen Gruppe Dresden“ ausgab. In diesem bedeutenden Medium publizierte eine homogene Gruppe jüngerer, unpolitischer Autoren, von denen eine Reihe nach 1945 literaturgeschichtliche Bedeutung erreichte (u. a. Peter Huchel, →Elisabeth Langgässer, →Martha Saalfeld, →Horst Lange, →Oda Schaefer, Richard Billinger, →Theodor Kramer). R. bekämpfte mit der „Kolonne“ die Neue Sachlichkeit und die proletarisch-revolutionäre Literatur, plädierte für eine neue formbewußte und mythisierende Naturdichtung und vertrat ein Konzept zwischen Moderne und Antimoderne.
In Zusammenarbeit mit Eich entstanden seit 1930 zahlreiche Hörfunkarbeiten. Besonders erfolgreich – und finanziell einträglich – war die Serie „Dt. Kalender, Monatsbilder vom Königswusterhäuser Landboten“ (1933-40). Diese unterhaltende Idyllenproduktion, die an →Matthias Claudius' „Wandsbecker Bothen“ anknüpfte und Landleben, Brauchtum und Häuslichkeit verherrlichte, wurde propagandistisch instrumentalisiert und trug zu einer positiven Haltung des NS-Regimes gegenüber R. bei. Seine Romane und Erzählungen seit 1933 zeigen einen an der großen Prosaform scheiternden Erzähler, der sich, mit dem Anspruch auf Klassizität und fortwährende Sinnstiftung, verschiedener Modelle bürgerlicher Unterhaltungsliteratur bediente (Die ungleichen Schwestern, 1939).
Erst in „Simona oder die Sinne“ (1943) vermochte sich der von →Gerhart Hauptmann zu den großen Begabungen der dt. Literatur gezählte Autor von restriktiven literaturpolitischen Vorgaben und stilistischen Schwächen freizuschreiben. Seine Stärken kamen aber v. a. in der Form des – inhaltlich teils problematischen – (Kriegs-)Tagebuchs und im Essay zur Geltung. Einige seiner besten Texte erschienen postum aus dem 1942 unter dem Titel „Zwiegespräche im Osten“ nur stilisiert und zensiert veröffentlichten Manuskript „Im Schatten der Front“, das aus seiner Arbeit als Kriegsberichterstatter in einer Propagandakompanie (seit 1941) hervorgegangen war.
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Werke
Weitere W u. a. Die Flöten, Essay, 1940;
Tagebuch ' d. Gedanken, 1941;
Hinweis auf M. R., hg. v. D. Hoffmann, 1963 (P; Biogr. Nachwort, S. 171-83) ;
Jahr über d. Stadt, Essays u. Reflexionen, hg. v. N. Weiss, 1993 (P). – Hg.: Neue lyr. Anthol., 1932;
Dt. Gesang, 1940. -
Literatur
Erhart Kästner, in: Jahresring 1957/58, 1957, S. 99-107 (P);
J. P. Dolan, Die Rolle d. „Kolonne“ in d. Entwicklung d. modernen dt. Naturlyrik, Ph. D. Univ. of Pennsylvania 1976 (Mikrofilm 1985);
ders., The Theory and Practice of apolitical Literature: „Die Kolonne“, in: Studies in Twentieth Century Literature 1, 1977, S. 157-71;
H. Peitsch, „Am Rande d. Krieges“?, Nichtnazist. Schriftst. im Einsatz d. Propagandakompanie gegen d. Sowjetunion, in: Kürbiskern, 1984, H. 3, S. 126-49;
ders., Ästhet. Introversion u. NS, in: Leid d. Worte, Panorama d. lit. NS, hg. v. J. Thunecke, 1987, S. 321-47;
W. Wessels, Hörspiele im Dritten Reich, 1985;
M. Scheffel, Magischer Realismus, 1990;
W. Haefs, M. R. (1905-1943), Chronik u. Dok., 1993 (Bibliogr.);
A. Vieregg, Der eigenen Fehlbarkeit begegnet? Günter Eichs Realitäten 1933-1945, 1993;
E. Nicolai, „Wohin es uns treibt …“, Die lit. Generationsgruppe Klaus Manns 1924-1933, 1998;
H.-U. Wagner, Günter Eich u. d. Rundfunk, Essay u. Dok., 1999;
ders., in: Rundfunk u. Gesch. 28, Nr. 1/2, 2002, S. 5-21;
Gedenktage d. mitteldt. Raumes, 1980;
ebd., 1993 (P);
Kunisch;
Kunisch-Wiesner;
Kosch, Lit.-Lex.³;
Killy. -
Porträts
Zeichnung v. E. Hassebrauk, 1940, Abb. in: D. Hoffmann, E. Hassebrauk, hg. v. H. Döbele, 1981.
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Autor/in
Wilhelm Haefs -
Zitierweise
Haefs, Wilhelm, "Raschke, Martin" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 160-161 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11951432X.html#ndbcontent