Rabel, Ernst
- Lebensdaten
- 1874 – 1955
- Geburtsort
- Wien
- Sterbeort
- Zürich
- Beruf/Funktion
- Jurist ; Hochschullehrer
- Konfession
- katholisch
- Normdaten
- GND: 11874335X | OGND | VIAF: 3266114
- Namensvarianten
-
- Rabel, Ernst
- Rabel', Ėrnst
- Rabel, Ernesto
- Rabel, Ernestus
- Rabelʹ, Ėrnst
- Rāberu, Erunsuto
Vernetzte Angebote
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Rabel, Ernst
Jurist, Rechtsvergleicher, * 28.1.1874 Wien, † 7.9.1955 Zürich. (katholisch)
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Genealogie
V Albert (jüd.), aus Austerlitz (Mähren), Dr. iur., k. u. k. Hof- u. Ger.advokat in W.;
M Berta Ettinger;
⚭ Göttingen 1912 Anni Weber (1889–1979), emigrierte 1939 über Belgien in d. USA;
1 S Friedrich Karl (* 1914), emigrierte 1939 über Belgien in d. USA, 1 T Elisabeth (Lili) (1913–85), emigrierte 1940 in d. USA. -
Biographie
Nach Abitur (1891) und juristischem Studium in Wien (1. Staatsprüfung 1893) sowie kurzer Tätigkeit in der Anwaltskanzlei seines Vaters folgte R. Ludwig Mitteis (1859–1921), der seine Promotion (1895) betreut hatte, nach Leipzig. Dort habilitierte er sich 1902 mit geschichtlichen Studien über „Die Haftung des Verkäufers wegen Mangels im Rechte“ (1902, Neudr. 1973). Als Professor für röm. und dt. bzw. schweizer. bürgerliches Recht war R. in Leipzig (1904–06), Basel (1906–10), Kiel (1910/11), Göttingen (1911–16), München (1916–26) und Berlin (1926–35) tätig, wobei sich sein Lehrauftrag in den beiden letztgenannten Universitäten auch auf die Rechtsvergleichung erstreckte. Aufgrund seiner jüd. Abstammung wurde R. 1935 in den Ruhestand versetzt. 1939 emigrierte er in die USA, wo er Forschungsstipendien des American Law Institute, der Law School der University of Michigan in Ann Arbor und der Harvard Law School erhielt. Nach dem Krieg kehrte R. zu längeren Aufenthalten nach Deutschland zurück und lehrte als Honorarprofessor in Tübingen sowie an der FU Berlin, die ihn in die Rechte eines Emeritus einsetzte.
R.s Name ist eng verbunden mit der wiss. Rechtsvergleichung in Deutschland: Auf seine Initiative hin wurde 1916 in München das Institut für Rechtsvergleichung gegründet; 1926-37 war R. der erste Direktor des Instituts für Ausländisches und Internationales Privatrecht der Ks. Wilhelm-Gesellschaft Berlin (heute: MPI in Hamburg) und seit 1961 trägt die „Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht“ amtlich nach ihrem Begründer und langjährigen (1927-36) Herausgeber den Titel „Rabels Zeitschrift“. R.s Engagement für die Rechtsvergleichung begann während des 1. Weltkriegs mit Blick auf internationale Rechtsfragen nach Kriegsende. An deren Lösung beteiligte er sich später auch als Mitglied der ständigen Schiedskommissionen für Deutschland und Italien (1928–35) sowie Norwegen (1919–36), welche Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Versailler Vertrag zu entscheiden hatten, sowie als Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag (1925–28) für dt.-poln. Prozesse. Vor allem aber wies R. immer wieder darauf hin, daß eine umfassende Erforschung ausländischer Rechte im Interesse der zunehmend durch internationale Kontakte gekennzeichneten Wirtschaft liege. Dem Recht des privaten Rechtsverkehrs war dann auch die Arbeit in den Münchener und Berliner Instituten gewidmet. Diese Forschungen prägte R. entscheidend dadurch, daß er sich dafür einsetzte, nicht allein Gesetzesparagraphen zu vergleichen, sondern das tatsächlich geltende Recht, unter Einschluß von Literatur und Rechtsprechung, zu untersuchen.
R.s wissenschaftliche Arbeiten zeigen verschiedene Facetten der Rechtsvergleichung. Die frühen Werke verfolgen rechtsgeschichtliche Fragestellungen, die von R. häufig historisch rechtsvergleichend untersucht werden. Das bekannteste Beispiel für diese Methode, die er auch schon in seiner Habilitationsschrift über die Verkäuferhaftung anwandte, stellt die Abhandlung über „Nachgeformte Rechtsgeschäfte“ (1906/07) dar, in der antike röm. mit griech.-hellenist. Geschäftsformen in Verbindung gesetzt werden. Abgeschlossen wurde diese Periode von R.s Schaffen durch die „Grundzüge des röm. Privatrechts“, worin er die Gesamtstruktur des spätklassischen Privatrechts prägnant darstellte. In der Folgezeit stand dann die Vergleichung geltenden Privatrechts im Mittelpunkt von R.s Forschungen, wobei er die Methode der von ihm so genannten „dogmatischen“ oder „systematischen“ Vergleichung anwandte. R. verfolgte diese Perspektive in zahlreichen Aufsätzen sowie in seinen Hauptwerken „Das Recht des Warenkaufs“ (2 Bde., 1936 [Neudr. 1957, 1964], 1958 postum) und „The Conflict of Laws“ (4 Bde. 1945 [²1958], 1947 [²1963], 1958 postum). Diese Untersuchungen sind zugleich Beispiele für besondere Verwendungen der Rechtsvergleichung durch R. Die Arbeit zum Warenkauf, in welcher die Regelungen dieser Materie in den Privatrechten der gesamten Welt zusammengestellt werden, bildete die Grundlage für Arbeiten an einer Kodifikation des internationalen Kaufrechts. Für ein solches Gesetz setzte sich R. intensiv als Mitglied des ital. Völkerbundinstituts für Vereinheitlichung des Privatrechts (seit 1927) ein. Der 1935 veröffentlichte Entwurf eines einheitlichen Kaufrechts, der dann 1964 durch internationale Abkommen verwirklicht wurde, ist entscheidend von ihm geprägt worden. Demgegenüber führen die Bände des „Conflict of Laws“ zum Gebiet des Internationalen Privatrechts. In diesem Werk vertieft R. seine Lehre|von einer rechtsvergleichenden Auslegung von Kollisionsnormen, d. h. derjenigen Rechtssätze, die über das anzuwendende Recht bei internationalen Rechtsfällen entscheiden. Diesen Ansatz begründete er 1931 in einem vielbeachteten Aufsatz über „Das Problem der Qualifikation“ (separater Neudr. 1956). R.s Arbeit erhielt breite internationale Anerkennung.|
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Auszeichnungen
Geh. JR (1922);
Vors. d. internationalen Vereinigung f. vgl. Rechtswiss. (1925–33);
Vors. d. jur. Fachausschusses d. Notgemeinschaft d. Dt. Wiss. (1927–33);
Komturkreuz d. griech. Erlöserordens (1935);
Dr. h. c. (Athen 1937, Löwen 1954);
Ehrenmitgl. d. Münchner Jur. Stud.ges.;
Ehrenzeichen d. Notgemeinschaft d. dt. Wiss.;
korr. Mitgl d. Ak. d. Wiss. in Turin (1954) u. Bologna (1954);
Mitgl. d. Rechtsvgl. Inst. in Mexico (1954) u. Cordoba (Argentinien) (1954);
Arnes-Preis d. Harvard Law School (1954);
Gr. BVK mit Stern (1954);
Antonio Feltrinelli-Preis f. Rechtswiss. d. Ac. Nazionale dei Lincei Rom (1954);
Ehrenpräs. d. dt. Ges. f. Rechtsvergleichung (1954);
Ehrenmitgl. d. American Foreign Law Association (1954). -
Werke
Weitere W Die Übertragbarkeit d. Urheberrechts nach d. österr. Gesetze v. 26. Dec. 1895, in: Grünhut's Zs. 27, 1900, S. 71-182, selbst. 1899;
Grundzüge d. röm. Privatrechts;
in: F. v. Holtzendorff u. J. Kohler (Hg.), Enz. d. Rechtswiss., ⁷1915, S. 399-540, selbst. ²1955;
Ges. Aufss., I: Arbb. z. Privatrecht 1907-1930, hg. v. H. G. Leser, 1965, II: Arbb. z. internat. Rechtsprechung u. z. internationalen Privatrecht 1922-1951, hg. v. dems., 1965, III: Arbb. z. Kechtsvergleichung u. z. Rechtsvereinheitlichung 1919-1954, hg. v. dems., 1967 (W-Verz.), IV: Arbb. z. altgriech., hellenist. u. röm. Rechtsgesch. 1905-1949, hg. v. H. J. Wolff, 1971;
Vorträge, Unprinted Lectures, Schrr. aus d. Nachlaß, in: Rabels Zs. f. ausländisches u. internationales Privatrecht 50, 1986, S. 282 ff. (Einf. v. J. Thieme, S. 251 ff.; P
). -
Mithg: ZSRGR, 1926-34;
Rhein. Zs. f. Zivil- u. Prozeßrecht d. In- u. Auslandes, 1906-26;
Romanist. Btrr. z. Rechtsgesch., H. 1-6, 1916-33;
Btrr. z. ausländ, u. internat. Privatrecht, H. 1-12, 1928-35;
Index Interpolationum quae in Justiniani digestis inesse dicuntur I-III, 1929.1931.1935 (mit E. Levy). -
Literatur
W. Kunkel. E. R. als Rechtshist., in: FS E. Rabel II, 1954, S. 1-6;
G. Husserl, in: Jur.ztg. 1956, S. 385-434;
M. Rheinstein, Gedächtnisrede, in: Jur. Rdsch. 1956, S. 135-38;
H. J. Wolff, in: ZSRGR73, 1956, S. XI-XXVIII (P);
H. G. Leser, Ein Btr. E. R.s z. Privatrechtsmethode:, Die wohltätige Gewohnheit, den Rechtsfall vor d. Regel zu bedenken', in: FS E. v. Caemmerer, 1978, S. 891-906;
F. Gamillscheg, in: F. Loos (Hg.), Rechtswiss. in Göttingen, 1987, S. 456-70 (P);
D. S. Clark, The influence of E. R. on American law, in: M. Lutter, E. C. Stiefel, M. H. Hoeflich (Hg.), Der Einfluß dt. Emigranten auf d. Rechtsentwicklung in d. USA u. in Dtld., 1993, S. 107 ff.;
G. Kegel, E. R. (1874-1955), Vorkämpfer d. Weltkaufrechts. in: H. Heinrichs u. a., Dt. Jur. Jüd. Herkunft, 1993, S. 571-93 (P);
A.-M. v. Lösch, Der nackte Geist, Die Jur. Fak. d. Berliner Univ. im Umbruch v. 1933, 1999, S. 366-72;
Th. Breisach, Jüd. Univ.professoren im Kgr. Bayern, 2000, bes. S. 365-68;
R. Zimmermann, „In d. Schule v. Ludwig Mitteis“, E. R.s rechtshist. Ursprünge, in: Rabels Zs. f. ausländ, u. Internat. Privatrecht 65, 2001, S. 1-38;
Kosch, Biogr. Staatshdb.;
BHdE II, S. Hofer, in: M. Stolleis (Hg.), Jur., Ein biogr. Lex., 1995, S. 508 f.;
Göppingen;
G. Kleinheyer u. J. Schröder (Hg.), Dt. u. Europ. Jur. aus neun Jh., ⁴1996, S. 504 f.;
D. Coester-Waltjen, in: Gr. jüd. Gel. an d. Münchener Jur. Fak., hg. v. P. Landau u. H. Nehlsen, 2001, S. 77-97. -
Porträts
Büste v. I. Zweigert, 1960 (Hamburg, MPI f. Ausländ. u. Internat. Privatrecht), Abb. in: Rabels Zs. f. ausländisches und internationales Privatrecht 26, 1961, S. 1;
Fotos im Archiv z. Gesch. d. MPG Berlin. -
Autor/in
Sibylle Hofer -
Zitierweise
Hofer, Sibylle, "Rabel, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 64-65 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11874335X.html#ndbcontent