Galliner, Peter
Galliner, Peter (eigentlich Hans-Peter Galliner)
1920 – 2006
Journalist, Verleger, Verbandsfunktionär
- Lebensdaten
- 1920 – 2006
- Geburtsort
- Berlin
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Journalist ; Verleger ; Verbandsfunktionär
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 1255602740 | OGND | VIAF
- Namensvarianten
-
- Galliner, Hans-Peter
- Galliner, Peter
- Galliner, Hans-Peter
- Galliner, Pether
- Galliner, Hans-Pether
- mehr
Verknüpfungen
Von der Person ausgehende Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.
Orte
Symbole auf der Karte
Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.
-
Seit 1939 in London lebend, prägte Peter Galliner in den 1950er Jahren als Auslandskorrespondent und Leiter der Auslandsabteilung die Entwicklung der „Financial Times“. Von 1975 bis 1993 wirkte er als Direktor des International Press Institute und profilierte sich als international angesehener Verteidiger der Pressefreiheit. Mit seinem Engagement für Zusammenarbeit und Versöhnung bemühte er sich um eine friedlichere Kommunikation zwischen Staaten, religiösen Vertretern und politischen Gruppierungen.
Lebensdaten
Geboren am 19. September 1920 in Berlin Gestorben am 19. Dezember 2006 in Berlin Grabstätte Jüdischer Friedhof Weißensee in Berlin Konfession jüdisch -
Lebenslauf
19. September 1920 - Berlin -
Genealogie
Vater Moritz Galliner 23.4.1884–28.12.1942 aus Zinten bei Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland); Dr. iur.; Rechtsanwalt und Notar in Berlin; Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Reformgemeinde zu Berlin; Mitglied der SPD; Suizid Großvater väterlicherseits Jonas Galliner (geb. Gallinger) 3.1.1846–11.6.1930 aus Neustadt (heute Žemaičių Naumiestis, Litauen); Kantor und Lehrer; gest. in Berlin Großmutter väterlicherseits Lina Galliner, geb. Pianikowski 5.3.1848–15.5.1917 aus Alexoten (heute Aleksotas, Litauen); gest. in Berlin Mutter Henrietta Hedwig Galliner, geb. Isaac 21.5.1893–2.1.1943 aus Berlin; Suizid Großvater mütterlicherseits Hermann Isaac 31.5.1849–26.9.1896 aus Berlin; Kaufmann Großmutter mütterlicherseits Gertrud Isaac, geb. Levy 13.5.1858–9.5.1919 aus Berlin Schwester Ann Lee Galliner, verh. Anneliese Neubauer, geb. Galliner 31.5.1916 –25.12.2010 aus Brandenburg an der Havel; Sekretärin; verh. mit Wolfgang Ernst Neubauer (1912–1975); gest. in New York City 1. Heirat 1948 in Hampstead bei London Ehefrau Edith Marguerite Galliner , geb. Goldschmidt 3.5.1914–23.12.2000 aus London; Künstlerin, Keramikerin Schwiegervater Siegmund Goldschmidt geb. 3.3.1884 Schwiegermutter Hedwig Marianna Goldschmidt, geb. Heymann geb. 16.11.1881 aus Hamburg Scheidung 1985 Tochter Nicola Galliner geb. 1950 aus London; 1988–2008 Leiterin der Jüdischen Volkshochschule der Jüdischen Gemeinde zu Berlin; Initiatorin, Gründerin und Leiterin des Jüdischen Filmfestivals Berlin und Brandenburg 2. Heirat 1990 Ehefrau Helga Galliner, geb. Stenschke aus Berlin Onkel väterlicherseits Julius Galliner 3.2.1872–7.9.1949 Rabbiner in Berlin (Synagoge Fasanenstraße u. Prinzregentenstraße); 1939 Emigration in die USA; gest. in New York City Onkel väterlicherseits Siegfried Galliner 25.1.1875–3.3.1960 1914–1938 Rabbiner in Gelsenkirchen; anschließend Emigration nach Großbritannien; gest. in London Onkel väterlicherseits Arthur Galliner 9.10.1878–12.12.1961 Maler, Kunsthistoriker; 1939 Emigration nach Großbritannien; gest. in London Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.Galliner, Peter (1920 – 2006)
-
Vater
23.4.1884–28.12.1942
aus Zinten bei Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland); Dr.·iur.; Rechtsanwalt und Notar in Berlin; Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Reformgemeinde zu Berlin; Mitglied der SPD; Suizid
-
Großvater väterlicherseits
Jonas Galliner
3.1.1846–11.6.1930
aus Neustadt (heute Žemaičių Naumiestis, Litauen); Kantor und Lehrer; gest. in Berlin
-
Großmutter väterlicherseits
Lina Galliner
5.3.1848–15.5.1917
aus Alexoten (heute Aleksotas, Litauen); gest. in Berlin
-
-
Mutter
Hedwig Galliner
21.5.1893–2.1.1943
aus Berlin; Suizid
-
Großvater mütterlicherseits
Hermann Isaac
31.5.1849–26.9.1896
aus Berlin; Kaufmann
-
Großmutter mütterlicherseits
Gertrud Isaac
13.5.1858–9.5.1919
aus Berlin
-
-
Schwester
Ann Lee Galliner
31.5.1916 –25.12.2010
aus Brandenburg an der Havel; Sekretärin; verh. mit Wolfgang Ernst Neubauer (1912–1975); gest. in New York City
-
1.·Heirat
in
Hampstead bei London
-
-
2.·Heirat
-
-
-
Biografie
Galliner wuchs in einer assimilierten und liberal geprägten jüdischen Familie in Berlin auf, die nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 Diskriminierungen erlebte. Nach seinem Ausscheiden aus der Hohenzollern-Schule in Berlin-Schöneberg besuchte er von 1936 bis 1938 eine jüdische Privatschule. Infolge der Novemberpogrome 1938, bei denen die Wohnung der Familie und die Kanzlei des Vaters geplündert worden waren, emigrierte Galliner auf Initiative der Eltern Anfang 1939 nach Großbritannien, wo er in London (East End) in einer Ledergerberei entfernter Verwandter arbeitete.
Von Juni 1940 bis Juli 1941 als sog. Enemy Alien auf der Isle of Man im Lager Onchon interniert, arbeitete Galliner hier in der Lagerbibliothek und lernte u. a. den Soziologen Norbert Elias (1897–1990) kennen, dem er zeitlebens als Freund verbunden blieb und dessen literarischer Agent er später wurde. Galliner, der die Zeit seiner Internierung später als „seine Universität“ bezeichnete, war nach seiner Freilassung bis ca. 1944 als Hilfsarbeiter in der St. Pancras Public Library in London tätig, danach in den Bibliotheken der Nachrichtenagentur Reuters und der Tageszeitung „Financial Times“. 1946 reiste er erstmals wieder nach Deutschland; vom Tod seiner Eltern, die angesichts ihrer drohenden Deportation Suizid begangen hatten, erfuhr er erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs.
1947 schlug Galliner eine journalistische Karriere bei der „Financial Times“ in London ein und berichtete unter Chefredakteur Gordon Newton (1907–1998) v. a. über die Entwicklungen in Nachkriegsdeutschland. Protegiert von dem Herausgeber Charles Garrett Ponsonby Moore (1910–1989), avancierte Galliner Anfang der 1950er Jahre zum Leiter des Auslandsressorts der „Financial Times“, für die er ein großes Netzwerk von Auslandskorrespondenten aufbaute. 1960 nahm er das Angebot Axel Springers (1912–1985) an, Vorsitzender der Geschäftsführung des Ullstein-Verlags in Berlin zu werden und veranlasste in dieser Funktion u. a. die Übernahme des Internationalen Wirtschafts-Verlags (September 1962) und des Hadert-Lexikon Verlags (Januar 1963). Infolge von internen Differenzen u. a. mit Springer wurde er im Oktober 1964 wieder abberufen und kehrte nach London zurück, wo er von 1965 bis 1970 als Vizepräsident und Geschäftsführer der British Printing Corporation Publishing Group wirkte.
Galliner arbeitete anschließend als Verlagsberater und wurde 1975 geschäftsführender Direktor des 1946 gegründeten International Press Institute (IPI) in Zürich. Er veranlasste den Umzug des IPI nach London, das unter seiner Ägide bis 1993 von 27 auf 70 teilnehmende Staaten anwuchs. Durch sein Engagement für die Durchsetzung und Wahrung der Pressefreiheit, für den Schutz von Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Recherche und Berichterstattung sowie gegen Tendenzen der Pressekonzentration fand Galliner internationale Anerkennung. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit legte er auf junge Demokratien in Ländern mit diktatorischer Vergangenheit, so etwa in Spanien nach dem Ende der Franco-Diktatur und in Staaten des ehemaligen Ostblocks nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Im Rahmen des von ihm gegründeten Unternehmens „International Encounters Ltd.“ organisierte Galliner von ca. 1995 bis 2000 u. a. in Istanbul und Córdoba (Spanien) internationale Konferenzen über Pressearbeit sowie über die Bedeutung der Medien in der Demokratieentwicklung und in der Annäherung der monotheistischen Weltreligionen.
-
Auszeichnungen
1961 Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland 1963–1971 Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels 1982 Orden de Isabel la Católica des spanischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten und Kooperation 1990 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland 1998 Europäischer Medienpreis der Europäischen Kulturstiftung Pro Europa (weiterführende Informationen) 1998 Mitglied des Gründungsbeirats der Europäischen Journalisten-Fellowships der Freien Universität Berlin 2000 Mitglied der Deutsch-Britischen Gesellschaft, Berlin Teilnehmer des Bergedorfer Gesprächskreises der Körber-Stiftung Mitglied des Advisory Board des European Institute of the Media, Düsseldorf Mitglied des International Advisory Board MTV (Hungarian Radio and Television Corp.), Budapest -
Quellen
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien und Quellen:
Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam, Rep. 36 A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II), Nr. 10 918. (zu Dr. Moritz Galliner und Hedwig Galliner, geb. Isaak)
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Entschädigungsamt Berlin, 324.882 Peter Galliner, 53.569 Hedwig Galliner, 53.568, Moritz Galliner.
The National Archives, Kew, London, HO 396 WW2 Internees (Aliens) Index Cards 1939–1947; Referenznummer: Ho 396/174.
Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, HA/BV 97.2,1921. (Mitgliedsakte des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels)
Unternehmensarchiv Ullstein, Berlin, Auskunft zu Galliners beruflichen Tätigkeit beim Verlag v. 9.2.2023.
Bundespräsidialamt, Berlin, Auskunft zu Galliners Auszeichnungen v. 24.2.2023.
persönliche Gespräche Galliners mit der Autorin, 1997–2006.
-
Werke
The Springer Empire, in: The Times v. 17.4.1968.
Eine unsichere Welt gibt der Presse die Möglichkeit, an der Gestaltung der Zukunft mitzuwirken, 1975.
Monitoring Report on the Situation with Regard to the Present Practices Related to the Free Movement of Journalists in Russia, o. J.
Peter Galliner/Simone Ladwig-Winters (Hg.), Freiheit und Bindung. Zur Geschichte der Jüdischen Reformgemeinde zu Berlin von den Anfängen bis zu ihrem Ende 1939, 2004.
-
Literatur
Paul Lendvai, Abschied von einem Medienpionier, in: Neue Zürcher Zeitung v. 10.1.2007.
Peter Galliner. Director of the International Press Institute who championed the Freedom of the Press as the Lifeblood of Civil Liberty, in: The Times v. 31.1.2007.
Tim von Arnim, „Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen.“ Der Unternehmer Axel Springer, 2012, S. 181 f.
Simone Ladwig-Winters, Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933, 3. vollst. überarb. u. erw. Aufl. 2022, S. 222.
-
Porträts
Fotografien, u. a. mit Egon Bahr und Axel Springer, Ullstein Bild.
-
Autor/in
→Simone Ladwig-Winters (Berlin)
-
Zitierweise
Ladwig-Winters, Simone, „Galliner, Peter“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/1255602740.html#dbocontent