Ahlers, Conrad
- Lebensdaten
- 1922 – 1980
- Geburtsort
- Hamburg
- Sterbeort
- Bonn
- Beruf/Funktion
- Journalist ; Politiker
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 123440084 | OGND | VIAF: 50574926
- Namensvarianten
-
- Ahlers, Conny
- Ahlers, Conrad
- Ahlers, Conny
- Ahlers, Konrad
- Ahlers, Konny
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Ahlers, Conrad
Namensvariante: Conny Ahlers
1922 – 1980
Journalist, Politiker
Als stellvertretender Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ veröffentlichte Conrad Ahlers im Oktober 1962 den Artikel „Bedingt abwehrbereit“, der die „Spiegel-Affäre“ auslöste und zum Rücktritt von Franz Josef Strauß (1915–1988) als Bundesverteidigungsminister führte. Ahlers wurde 1969 Regierungssprecher der sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt (1913–1992) und war von 1972 bis 1980 Abgeordneter des Deutschen Bundestags für die SPD.
Lebensdaten
Geboren am 8. November 1922 in Hamburg Gestorben am 18. Dezember 1980 in Bonn Grabstätte Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Martin Doerry (Hamburg)
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Zitierweise
Doerry, Martin, „Ahlers, Conrad“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/123440084.html#dbocontent
Ahlers wuchs in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie auf und erhielt 1941 das Abitur an der Oberschule am Stadtpark in Hamburg. Danach meldete er sich freiwillig zu den Fallschirmjägern, kämpfte an der Ostfront sowie in Italien, nahm 1944 an der Schlacht am Monte Cassino teil und wurde zweimal leicht verwundet. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und kurzer britischer Kriegsgefangenschaft besuchte er Vorlesungen in Volkswirtschaftslehre und Jura an der Universität Hamburg. 1948 brach er das Studium ab und arbeitete anschließend als Journalist in London (BBC) und Hamburg (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt).
1951 wechselte Ahlers als Mitarbeiter des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung in den Staatsdienst. 1952 wurde er Pressereferent in der Dienststelle Blank, dem Vorläufer des Bundesverteidigungsministeriums. 1954 kehrte er zurück in den Journalismus und schrieb für mehrere überregionale Zeitungen. 1961 wurde er stellvertretender Chefredakteur beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in Hamburg, dessen Herausgeber, Rudolf Augstein (1923–2002), v. a. Ahlers Kompetenz in verteidigungspolitischen Fragen schätzte.
Am 8. Oktober 1962 veröffentlichte Ahlers mit dem Bonner „Spiegel“-Kollegen Hans Schmelz (1917–1987) die Titelgeschichte „Bedingt abwehrbereit“, der die mangelhafte Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und die Risiken einer atomaren Kriegsstrategie behandelte, wie sie u. a. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (1915–1988) vertrat. Die Veröffentlichung des Artikels, von Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876–1967) am 7. November 1962 im Bundestag vor dem Hintergrund der Kubakrise als „Abgrund von Landesverrat“ bezeichnet, führte zur Inhaftierung von Ahlers, Schmelz, Augstein und vier weiteren „Spiegel“-Redakteuren. Da Strauß im Bundestag die Unwahrheit über die von ihm betriebene Festnahme von Ahlers während dessen Urlaub in Malaga (Spanien) gesagt hatte, musste er am 30. November 1962 seinen Rücktritt erklären. Ahlers konnte am 22. Dezember 1962 nach 55 Tagen die Untersuchungshaft verlassen; das Verfahren wurde 1965 eingestellt, der Vorwurf des Geheimnisverrats erwies sich als unbegründet.
Als Ende 1966 die Große Koalition gebildet wurde, gewann der SPD-Politiker Herbert Wehner (1906–1990) den mit ihm befreundeten Ahlers für das Amt des stellvertretenden Regierungssprechers hinter Günter Diehl (1916–1999). Im Vorfeld der Wahl des ehemaligen NSDAP-Mitglieds Kurt Georg Kiesinger (1904–1988) zum Bundeskanzler am 1. Dezember 1966 steuerte Ahlers ein entscheidendes Dokument aus dem „Spiegel“-Archiv bei: ein Memorandum aus dem Jahr 1944, in dem Kiesinger, damals stellvertretender Leiter der Rundfunkpolitischen Abteilung des Auswärtigen Amts, beschuldigt wurde, antijüdischer Propaganda im Weg zu stehen, was ihn nun, 1966, entlastete.
Ahlers, der zum engeren Beraterkreis Kiesingers zählte, fungierte während der Großen Koalition als Vermittler zwischen dem CDU-Kanzler und SPD-Vizekanzler Willy Brandt (1913–1992). Seit 1968 Mitglied der SPD, rückte Ahlers nach Brandts Wahl zum Bundeskanzler 1969 in die Funktion des Regierungssprechers und beamteten Staatssekretärs auf. Bis zum Ausscheiden aus dem Amt 1972 warb er v. a. für die Neue Ostpolitik von Brandt und Egon Bahr (1922–2015) und brachte es dank großer medialer Präsenz zu einer gewissen Popularität. Zunächst Teil von Brandts Entourage, machte sich Ahlers als eher konservativer Freigeist mit seinem unabhängigen Auftreten bald Feinde in der SPD; der spätere Kanzler Helmut Schmidt (1918–2015) sowie SPD-Fraktionschef Wehner grenzten sich bald von ihm ab.
1972 kandidierte Ahlers für die SPD bei der Bundestagswahl und gewann trotz erheblichen Widerstands der Jungsozialisten das Direktmandat im Wahlkreis Bad Kreuznach. Als Mitglied des Verteidigungsausschusses und Major der Reserve blieb er seinen militärpolitischen Interessen verbunden. Zugleich veröffentlichte er politische Kolumnen und amtierte zeitweise als Chefredakteur des SPD-Blatts „Hamburger Morgenpost“. Dabei sparte er nicht mit Kritik an Bundeskanzler Schmidt, den er etwa als „staatsbürgerlichen Moralisten“ verspottete. 1979 zum Intendanten der Deutschen Welle gewählt, legte Ahlers sein Bundestagsmandat nieder und trat im März 1980 sein neues Amt an. Am 18. Dezember 1980 starb er an einem Herzinfarkt.
1941/45 | Eisernes Kreuz I. Klasse |
1963 | Joseph-E.-Drexel-Preis für „hervorragende Arbeiten auf dem Gebiete des Pressewesens im Allgemeinen“ |
1968 | Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (abgelehnt) |
Nachlass:
Archiv der sozialen Demokratie, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, 1/CAAA. (weiterführende Informationen)
Weitere Archivmaterialien:
Spiegel-Archiv, Hamburg, Handakte Conrad Ahlers. (Manuskripte und Artikel über Ahlers)
Bundesarchiv, Koblenz, B 563-1, Kartei/A-130/0268. (zentrale Personenkartei der Deutschen Dienststelle, WASt).
Monografien:
Die Bedeutung der allgemeinen und aktuellen politischen Information für die Regierungspolitik, 1968.
Conrad Ahlers/Léo Hamon, La coopération franco-allemande. Deutsch-französische Zusammenarbeit 1963–1969, 1969.
Trägt die öffentliche Meinung der Bundesrepublik die Deutschlandpolitik der Bundesregierung? Möglichkeiten des innerdeutschen Gesprächs, 1970.
Artikel und Aufsätze:
Selbstkritik der Jugend, in: Neues Hamburg, 1947/48, S. 148–151.
Conrad Ahlers/Hans Schmelz, Bedingt abwehrbereit, in: Der Spiegel 41/1962. (Onlineressource)
Lebendige Demokratie. Zuversicht und Zweifel nach dem Nürnberger Parteitag der SPD, in: Die Neue Gesellschaft 15 (1968), S. 208–210.
Zweiter für immer und ewig, in: Monat (September 1969), S. 34.
Mehr Demokratie wagen! Zur Informationsarbeit der Bundesregierung, in: Neue Gesellschaft 17 (1970), S. 350 f.
Was ist heute das Thema der Politik?, in: Wolfgang Böhme (Hg.), Die politischen Wirkungen von Funk und Fernsehen. Wie gefährlich sind die sogenannten Massenmedien wirklich?, 1970, S. 52–69.
Aktuelle Probleme der Informationspolitik der Bundesregierung, in: Ratifizieren oder nicht? Die großen Reden der Debatte über die Ostverträge im Bundestag, 23.-25. Februar 1972, 1972, S. 3–19.
Wenn das Glück Helmut Schmidt verlässt..., in: Stern, 45/1974.
Bemerkungen zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, in: Helmut Quaritsch (Hg.), Die Selbstdarstellung des Staates. Vorträge und Diskussionsbeiträge der 44. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1976 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1977, S. 145–157.
Öffentlichkeitsarbeit des Staates. Propaganda, Mitteilung, Dialog?, in: ders. (Hg.), Der öffentliche Dienst und die Medien, 1979, S. 183–198.
Erhöht deutscher Rüstungsexport die Konfliktgefahr?, in: Wolfgang Fechner/Dieter O. A. Wolf (Hg.), Sicherheit und Frieden. Politik zwischen Verteidigung und Rüstungskontrolle, 1979, S. 145–158.
Ein „Abgrund von Landesverrat“, in: Roderich Klett (Hg.), Stationen einer Republik, 1979, S. 131–147.
Hamburger Morgenpost, in: Heinz-Dietrich Fischer (Hg.), Chefredakteure. Publizisten oder Administratoren? Status, Kompetenzen und kommunikative Funktion von Redaktionsleitern bei Tages- und Wochenzeitungen, 1980, S. 235–268.
Das Ende, das ein Anfang war. Die letzten Tage des Dritten Reiches. Erinnerungen von Conrad Ahlers, Walter Dirks, Ingeborg Drewitz u. a. Mit einer Einleitung von Thomas Urban, 1981.
Gedruckte Interviews:
Rückblick in den „Abgrund“. Ein Zeit-Gespräch mit Rudolf Augstein und Conrad Ahlers, in: Die Zeit v. 21.5.1965.
„In diesem Sinne Propaganda“. Interview mit Conrad Ahlers, in: Der Spiegel, 27/1968.
„Ich halte mich nicht für bedeutend“, Interview mit Conrad Ahlers, in: Der Spiegel, 32/1972.
„Es konnte nicht gutgehen“. Interview mit Conrad Ahlers, in: Der Spiegel, 49/1978.
Aufsätze und Artikel:
Walter Henkels, „Herr Ahlers, waren Sie denn im Gefängnis?“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 3.1.1968.
Alois Rummel, Conrad Ahlers. Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, in: Alois Rummel (Hg.), Wer uns regiert, 1969, S. 151–157.
Martin Bernstorf, Wer hat Angst vor Conrad Ahlers? Der Regierungssprecher fühlt sich als Zensor der deutschen Presse, in: Christ und Welt v. 13.2.1970.
Manfred Sadlowski (Hg.), Handbuch der Bundeswehr und der Verteidigungsindustrie, 1979, S. 13.
Angela Bottin (Hg.), Hamburger Akademische Rundschau. Begleitband: Berichte, Dokumentation, Register, 1991, S. 89.
Klaus Dreher, Kein Kommentar (über die Regierungssprecher der Bundesrepublik), in: Süddeutsche Zeitung Magazin v. 9.6.1995.
Claus Jacobi, 1966. Große Koalition unter einem NSDAP-Mitglied, in: Welt am Sonntag v. 2.5.1999.
N. N., Art. „Ahlers, Conrad“, in: Rudolf Vierhaus/Ludolf Herbst (Hg.), Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949–2002, Bd. 1, 2002, S. 7.
Kay Müller/Franz Walter, Schnoddrig, lässig, unabhängig: Conrad Ahlers, in: dies. (Hg.), Graue Eminenzen der Macht. Küchenkabinette in der deutschen Kanzlerdemokratie. Von Adenauer bis Schröder, 2013, S. 97–100.
Darstellungen der „Spiegel-Affäre“:
Alfred Grosser/Jürgen Seifert (Hg.), Die Spiegel-Affäre, Bd. 1: Die Staatsmacht und ihre Kontrolle, 1966.
Thomas Ellwein/Manfred Liebel/Inge Negt (Hg.), Die Spiegel-Affäre, Bd. 2: Die Reaktion der Öffentlichkeit, 1966.
David Schoenbaum, Die Affäre um den Spiegel – Ein Abgrund von Landesverrat, 1968, Neudruck 2002.
Joachim Schöps (Hg.), Die Spiegel-Affäre des Franz Josef Strauß, 1983.
Peter Merseburger, Rudolf Augstein. Biographie, 2007.
Martin Doerry/Hauke Janssen (Hg.), Die Spiegel-Affäre. Ein Skandal und seine Folgen, 2013.
„Spiegel“-Artikel über Ahlers:
Dosierte Wahrheit, in: Der Spiegel, 46/1962. (Titelgeschichte über die Verhaftung von Conrad Ahlers in Malaga und die Folgen)
Lieber SPIEGEL-Leser, in: Der Spiegel, 52/1966. (Rudolf Augstein über den Abschied von Conrad Ahlers vom Spiegel)
Ein Traumspiel, in: Der Spiegel, 4/1967. (Artikel über die Berufung von Ahlers zum Stellvertretenden Leiter des Bundespresseamtes in Bonn)
Große Lage, in: Der Spiegel, 42/1968. (Titelgeschichte über die umstrittene Amtsführung des Chefs des Bundespresseamts, Günter Diehl, und seines Stellvertreters Conrad Ahlers. Supplement: Immer mit einem Bein im anderen Lager. Spiegel-Reporter Hermann Schreiber über Conrad Ahlers)
Anständig auseinander, in: Der Spiegel, 35/1969. (Artikel über Konflikte zwischen Ahlers und Bundeskanzler Kiesinger)
Beispiel Kolle, in: Der Spiegel, 5/1970. (Artikel über die Veränderungen im Bundespresseamt nach der Berufung von Ahlers zum Regierungssprecher)
Schneller Brüter, in: Der Spiegel, 43/1971. (Artikel über die geplante Kandidatur von Ahlers für den Bundestag)
Der Herr C und A, in: Der Spiegel, 25/1972. (Artikel über den Konflikt zwischen Ahlers und Herbert Wehner)
Kontakt fehlt, in: Der Spiegel, 31/1972. (Artikel über den Streit zwischen Ahlers und den Jungsozialisten)
Ritz-ratze, in: Der Spiegel, 39/1972. (Artikel über den Widerstand linker Genossen gegen die Kandidatur von Ahlers für den Bundestag)
Im Abseits, in: Der Spiegel, 7/1973. (Artikel über die von Ahlers neben seinem Bundestagsmandat ausgeübte Tätigkeit als Kolumnist verschiedener Blätter)
Nachrufe:
Willy Brandt, Immer aufrichtig und engagiert. Zum Tod von Conrad Ahlers, in: Sozialdemokratischer Pressedienst v. 19.12.1980.
Werner Holzer, Zum Tode von ‚Conny‘ Ahlers, in: Frankfurter Rundschau v. 20.12.1980.
Klaus Dreher, Ende eines unruhigen Lebens, in: Süddeutsche Zeitung v. 20.12.1980.
Claus Jacobi, Ein Mann unter lauter Staatsmännern, in: Welt am Sonntag v. 21.12.1980.
Rolf Zundel, Keine Angst vorm Risiko. Conrad Ahlers. Journalist und Politiker mit fröhlicher Unbotmäßigkeit, in: Die Zeit v. 26.12.1980
Betr.: Conrad Ahlers, Hausmitteilung, in: Der Spiegel, 53/1980.
Journalisten beim Bund. Rudolf Augstein über Conrad Ahlers und Günter Gaus, in: Der Spiegel, 6/1981.
TV-Dokumentationen:
Porträt Conrad Ahlers, TV-Magazin „Panorama“, Norddeutscher Rundfunk, 20.5.1968.
Wegelagerer und Wichtigtuer. Wie die „Spiegel-Affäre“ die Republik veränderte, TV-Reportage von Grit Fischer und Maik Gizinski, Norddeutscher Rundfunk, 25.7.2012.
Bedingt abwehrbereit. Die Geschichte hinter der „Spiegel-Affäre“, TV-Reportage von Stefan Aust und Frank Gensthaler, Bayerischer Rundfunk, 7.5.2014.
TV-Spielfilm:
Die Spiegel-Affäre, Regie: Roland Suso Richter (geb. 1961), 2014; mit Sebastian Rudolph (geb. 1968) als Rudolf Augstein, Francis Fulton Smith (geb. 1966) als Franz Josef Strauß und David Rott (geb. 1977) als Conrad Ahlers.
Fotografien, Digitales Bildarchiv des Bundesarchivs.
Fotografien, „Spiegel“-Bildarchiv, Hamburg.