Zülch, Klaus-Joachim
- Lebensdaten
- 1910 – 1988
- Geburtsort
- Allenstein (Ostpreußen, heute Olsztyn, Polen)
- Sterbeort
- Berlin-West
- Beruf/Funktion
- Neurologe ; Neuropathologe
- Konfession
- evangelisch-reformiert
- Normdaten
- GND: 105980528 | OGND | VIAF: 108705564
- Namensvarianten
-
- Zülch, Klaus-Joachim Fürchtegott
- Zülch, Klaus-Joachim
- Zülch, Klaus-Joachim Fürchtegott
- Zülch, Klaus J.
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- Zülch, Klaus Joachim
- Zülch, Klaus Joachim F.
- Zülch, Klaus Joachim Fürchtegott
- Zülch, Klaus-Joachim
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Personen im NDB Artikel
- Georges Schaltenbrand (1897–1979)
- Hans-Dieter Mennel (geb. 1938)
- Heiko Bewermeyer (geb. 1940)
- Heinrich Pette (1887–1964)
- Hugo Spatz (1888–1969)
- Konstantin-Alexander Hossmann (geb. 1937)
- Otfrid Foerster (1873–1941)
- Paul Kleihues (1936–2022)
- Wilhelm Tönnis (1898–1978)
- Wolf-Dieter Heiss (geb. 1939)
- Wolfgang Wechsler (1930–2012)
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Zülch, Klaus-Joachim Fürchtegott
1910 – 1988
Neurologe, Neuropathologe
Klaus-Joachim Zülch spezialisierte sich auf die Neuropathologie, in der seine Hirntumor-Klassifizierung zeitweise international maßgeblich war. Als Direktor der Abteilung für Allgemeine Neurologie des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Köln-Merheim und Chefarzt der dortigen Neurologischen Klinik verfasste er mehrere hundert Publikationen und Vorträge über Hirntumore, die Pathogenese von Hirninfarkten und Hirndurchblutungsstörungen sowie zur Geschichte der Neurologie.
Lebensdaten
Geboren am 11. April 1910 in Allenstein (Ostpreußen, heute Olsztyn, Polen) Gestorben am 2. Dezember 1988 in Berlin-West Grabstätte Erbgrab in Bad Karlshafen (Hessen) Konfession evangelisch-reformiert Klaus Joachim Zülch, Archiv der Max-Planck-Gesellschaft (InC) -
Autor/in
→Bernd Holdorff (Berlin)
-
Zitierweise
Holdorff, Bernd, „Zülch, Klaus-Joachim“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/105980528.html#dbocontent
Nach dem Besuch der Grund- und Volksschule sowie des humanistischen Gymnasiums von 1916 bis zum Abitur 1928 in Allenstein (Ostpreußen, heute Olsztyn, Polen) studierte Zülch an den Universitäten Marburg an der Lahn, Rostock, Wien, Heidelberg und Berlin Medizin. 1932 war er dank eines Sir-Daniel-Stevenson-Stipendiums an der schottischen Universität Aberdeen allgemein- und neurochirurgisch tätig. 1935 legte er das Staatsexamen ab und arbeitete anschließend an der Neurologischen Abteilung des Wenzel-Hanke-Krankenhauses und dem assoziierten Forschungsinstitut unter dem Neurologen und Neurochirurgen Otfrid Foerster (1873–1941) in Breslau (Schlesien, heute Wrocław, Polen), bei dem er mit der Dissertation „Über die primäre Kleinhirnrindenatrophie“ zum Dr. med. promoviert wurde. Mit Unterstützung der Rockefeller-Stiftung war er 1936 Assistent an der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg unter Georges Schaltenbrand (1897–1979) und wechselte 1937 an das Hirnforschungsinstitut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin-Buch unter Hugo Spatz (1888–1969), wo er sich der morphologischen Forschung widmete und 1939 die am selben Institut entstandene Abteilung für Tumorforschung und experimentelle Pathologie unter dem Neurochirurgen Wilhelm Tönnis (1898–1978) übernahm. Im selben Jahr verbrachte er als Gastarzt drei Monate in Breslau bei Foerster, der ihm ein Vorbild war und dem er mehrere Gedenkschriften und 1966 eine Biografie (engl. 1969) widmete.
Seit 1933 Mitglied der SA und seit 1937 der NSDAP, leistete Zülch von 1939 bis 1943 Kriegsdienst als Truppen- und Lazarettarzt, u. a. 1941/42 am Fachlazarett für Hirn-, Rückenmark- und Nervenverletzungen in Berlin-Reinickendorf, erlitt Schussverletzungen und habilitierte sich 1940 während einer Beurlaubung an der Berliner Universität mit der Arbeit „Oligodendrogliome“ für Neurologie und Psychiatrie. Er war 1943 bis 1945 leitender Arzt an verschiedenen Hirnverletzten-Lazaretten und nach Kriegsende bis 1946 am Lazarett für Rückenmark- und Nervenverletzungen in Hamburg-Blankenese. Aufgrund seiner SA- und NSDAP-Mitgliedschaft zu klinischen Aufgaben nicht zugelassen, betrieb Zülch zwischen 1948 und 1950 eine private ärztliche Praxis. Nach der Einstufung als „entlastet“ im Entnazifizierungsverfahren 1948 wirkte er als Gastdozent an der Neurologischen Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf unter Heinrich Pette (1887–1964) und erhielt 1949 die außerplanmäßige Professur für Neurologie. 1950/51 folgten Gasttätigkeiten in Antwerpen am Bunge-Institut und in Rio de Janeiro an der brasilianischen Staatsuniversität. 1951 war Zülch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Hirnforschung unter Tönnis in Bochum-Langendreer und wurde noch im selben Jahr Leiter der für ihn eingerichteten Abteilung für Allgemeine Neurologie des nach Köln verlegten Max-Planck-Instituts für Hirnforschung. 1959 wurde er zugleich Direktor der neu eingerichteten Neurologischen Abteilung im Städtischen Krankenhaus in Köln-Merheim mit einer eigenen Bettenabteilung.
Zülchs Forschungsschwerpunkte waren seit den Jahren in Berlin-Buch und in den Kriegslazaretten die Hirntraumatologie und Hirnschwellung, der Hirndruck sowie die Hirntumorklassifikation, wozu sich sein Institut zum Referenzzentrum im Auftrag der World Health Organization (WHO) entwickelte. Die Zülch'sche Fassung der Hirntumorklassifikation ist eine wesentliche Grundlage für die derzeit gültige, erweiterte Klassifikation der WHO. Ferner forschte Zülch zu Schlaganfällen und deren verschiedenen Entstehungen und Lokalisationen, einschließlich der von ihm herausgehobenen sog. Grenzzoneninfarkte im Grenzgebiet zwischen Hirnarterien-Versorgungsarealen. Der von ihm oft benutzte Begriff der „cerebro-vaskulären Insuffizienz“ ist heute nicht mehr adäquat, weil andere Mechanismen wie Thrombosen und Embolien im Vordergrund stehen. Zur Schlaganfall-Typisierung wurden seit den 1960er Jahren neuroradiologische Methoden der Angiografie und seit 1976 die Computertomografie in Zülchs Klinik eingesetzt (The Cerebral Infarct. Pathology, Pathogenesis, and Computed Tomography, 1985).
Zülch verfasste als morphologisch ausgerichteter Kliniker mit breitem Spektrum mehrere hundert Publikationen, v. a. zur Neurochirurgie, aber auch zur Geschichte der Neurologie. Als Mitherausgeber von Fachzeitschriften, wie der 1978 von ihm gegründeten „Neurosurgical Review“, als Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des „Handbook of Clinical Neurology“ (1966–1982) und aufgrund seiner zahlreichen Kongressreisen und seines polyglotten Sprachvermögens trug er zur Integration der bundesdeutschen Neurologie in die internationale neurologisch-neuropathologische Wissenschaftsgemeinschaft bei. Zu seinen Schülern zählen Heiko Bewermeyer (geb. 1940), Wolf-Dieter Heiss (geb. 1939), Konstantin-Alexander Hossmann (geb. 1937), Paul Kleihues (1936–2022), Hans-Dieter Mennel (geb. 1938), Wolfgang Wechsler (1930–2012) und Volker Zimmermann. Der Klaus-Joachim Zülch-Preis, 1989 von seiner Schwester Gertrud Reemtsma (1916–1996) zur Würdigung wissenschaftlicher neurologischer Grundlagenforschung eingerichtet, wurde 2020 wegen Zülchs erst jetzt publik gemachter NS-Belastung umbenannt in „The International Prize for Translational Neuroscience of the Gertrud Reemtsma Foundation“.
1960–1963 | Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (1980 Ehrenmitglied) |
1968 | Vorsitzender der Deutschen Neuroradiologischen Arbeitsgemeinschaft |
1971 | Mitglied der Leopoldina |
1980 | Dr. h. c. Universität Mainz |
1980 | Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (1984 Ehrenpräsident) |
1981 | Wilhelm-Erb-Denk-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Neurologie |
1984 | Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1986 | Otfrid-Foerster-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie |
1990 | Klaus-Joachim Zülch Prize der Gertrud Reemtsma Foundation (seit 2020 The International Prize for Translational Neuroscience) (weiterführende Informationen) |
Nachlass:
Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem, Abt. IX, Rep. 1/Zülch.
Weitere Archivmaterialien:
Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft Berlin-Dahlem, SESA 55/Zülch. (Separatasammlung)
Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin. (Personalakte)
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 9 361-I/4099. (NSDAP-Mitgliederverzeichnis)
Monografien:
Rudolf Kautzky/Klaus Joachim, Neurologisch-neurochirurgische Röntgendiagnostik und andere Methoden zur Erkennung intrakranialer Erkrankungen, 1955, 2. Aufl. mit Sigurd Wende/Andreas Tänzer u. d. T. Neuroradiologie auf neuropathologischer Grundlage, 1976, engl. 1982.
Die Gehirngeschwülste in biologischer und morpholgischer Darstellung, 1951, 31958, engl. 1957, 3. überarb. Aufl., 1986.
Otfrid Foerster. Arzt und Naturforscher, 1966, engl. 1969.
Atlas of Gross Neurosurgical Pathology, 1975.
The Cerebral Infarct. Pathology, Pathogenesis, and Computed Tomography, 1985.
Die geschichtliche Entwicklung der deutschen Neurologie. Historical Development of German Neurology, 1987.
Artikel:
The Place of Neurology in Medicine and its Future, in: Pierre J. Vinken/George Willem Bruyn (Hg.), Handbook of Clinical Neurology, Bd. 1, 1969, S. 1–44.
Klaus Joachim Zülch/Norbert Müller, Associated Movements in Man, in: ebd., S. 404–426.
„Idiopathic“ Facial Paresis, in: Pierre J. Vinken/George Willem Bruyn (Hg.), Handbook of Clinical Neurology, Bd. 8, T. 2, 1970, S. 241–302.
Klaus Joachim Zülch/Hans-Dieter Mennel, The Biology of Brain Tumours, in: Pierre J. Vinken/George Willem Bruyn (Hg.), Handbook of Clinical Neurology, Bd. 16, 1974, S. 11–55.
Klaus Joachim Zülch/Hans-Dieter Mennel/Volker Zimmermann, Intracranial Hypertension. in: ebd., S. 89–149.
Klaus Joachim Zülch/P. Pilz, Thrombangitis Obliterans (von Winiwarter-Buerger), in: Pierre J. Vinken/George Willem Bruyn (Hg.), Handbook of Clinical Neurology, Bd. 55, T. 3, 1989, S. 307–316.
Mitherausgeber:
Zeitschrift für Neurologie (seit 1974 Journal of Neurology) 193–228, 1968–1982.
Neurosurgical Review 1-5, 1978–1982.
N. N., Obituary Klaus-Joachim Zülch, in: Neurosurgical Review 12 (1989), S. 5–7. (P)
Hans-Dieter Mennel, Klaus Joachim Zülch. Neurochirurgie, Neurologie und die neuropathologischen Grundlagen, in: Zentralblatt für Neurochirurgie 63 (2002), S. 29–35.
Paul Kleihues/David N. Louis/Bernd W. Scheithauer/Lucy B. Rorke/Guido Reifenberger/Peter C. Burger/Webster K. Cavenee, The WHO Classification of Tumors of the Nervous System, in: Journal of Neuropathology and Experimental Neurology 61 (2002), S. 215–225.
Annegret Lucie Henning, Klaus Joachim Zülch. Sein Leben, sein Werk, Werkverzeichnis, 2004. (P) (Onlineressource)
Heiko Bewermeyer/Hans-Dieter Mennel, Klaus Joachim Zülch. Ein bedeutender Neurologe und Neuropathologe, 2006.
Hans-Dieter Mennel, Klaus-Joachim Zülch, in: Hanns Hippius/Bernd Holdorff/Hans Schliack (Hg.), Nervenärzte, Bd. 2, 2006, S. 213–222. (P)
Michael Martin/Heiner Fangerau/Axel Karenberg, Die zwei Lebensläufe des Klaus Joachim Zülch (1910–1988), in: Der Nervenarzt 91 (2020), Supplement 1, S. 61–70.