Matthes, Josef Friedrich
- Lebensdaten
- 1886 – 1943
- Geburtsort
- Würzburg
- Sterbeort
- Konzentrationslager Dachau
- Beruf/Funktion
- Journalist ; Schriftsteller ; Separatistenführer ; Politiker ; Redakteur
- Konfession
- römisch-katholisch, seit ca. 1918 freireligiös
- Normdaten
- GND: 1028426615 | OGND | VIAF: 283730750
- Namensvarianten
-
- Matthes, Pepi
- Matthes, Josef Friedrich
- Matthes, Pepi
- Matthes, Josef
- Matthes, Josef F.
- Matthes, Josef Pepi
- Matthes, Joseph Friedrich
- Matthes, Joseph
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Matthes, Josef ( Pepi ) Friedrich
1886 – 1943
Journalist, Schriftsteller, Separatistenführer
Seit 1904 als zunächst linksliberal, dann vorübergehend sozialdemokratisch orientierter Journalist v. a. in Oberhausen, Aschaffenburg und Passau tätig, war Josef Friedrich Matthes 1923 mit Hans Adam Dorten (1880–1963) ein Hauptprotagonist des Rheinlandseparatismus und avancierte zum „Ministerpräsidenten“ der „Rheinischen Republik“. 1927 emigrierte er nach Frankreich, wo er erneut journalistisch tätig war. 1941 vom Vichy-Regime an das NS-Regime ausgeliefert, starb Matthes 1943 im Konzentrationslager Dachau.
Lebensdaten
Geboren am 10. Februar 1886 in Würzburg Gestorben am 9. Oktober 1943 in Konzentrationslager Dachau Konfession römisch-katholisch, seit ca. 1918 freireligiös -
Autor/in
→Martin Schlemmer (Duisburg)
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Zitierweise
Schlemmer, Martin, „Matthes, Josef Friedrich“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/1028426615.html#dbocontent
Matthes besuchte von 1896 bis 1902 Gymnasien in Würzburg, Rothenburg ob der Tauber und Münnerstadt (Unterfranken), ohne das Abitur abzulegen. 1903/04 als Theaterkritiker des liberalen „Coburger Tageblatts“ tätig, arbeitete er anschließend bis 1907 als Redakteur, dann Chefredakteur des „General-Anzeigers“ in Oberhausen und Duisburg, ehe er für zwei Jahre in die Schweiz übersiedelte und Reisen nach Paris und Belgien unternahm. Zu dieser Zeit litt Matthes an einer Nervenkrankheit, hielt sich nach seiner Rückkehr nach Deutschland Ende 1908 für einige Monate im unterfränkischen Bad Brückenau auf und übernahm 1909 die Redaktion der gemäßigt-liberalen „Aschaffenburger Zeitung“.
Nach Beginn des Ersten Weltkriegs war Matthes als seit 1915 amtierender Schriftleiter der „Passauer Zeitung“ Befürworter eines nationalen „Burgfriedens“. Dieser Linie blieb er bis zum Kriegsende treu. Seine schriftstellerische Tätigkeit hatte v. a. die Auseinandersetzung mit der Beichtpraxis der katholischen Kirche, namentlich im Falle der Kinderbeichte, zum Gegenstand. 1919 trat Matthes der SPD bei und übernahm im selben Jahr die Leitung der „Volkszeitung“ in Aschaffenburg, die er auf einen linksliberalen, pazifistischen sowie antiklerikalen Kurs brachte. Sein polarisierender, z. T. aggressiver journalistischer Stil brachte ihm zahlreiche Gegner ein, auch innerhalb der SPD, aus der er 1920 ausgeschlossen wurde. 1921 wegen der Beleidigung des Aschaffenburger Oberbürgermeisters Wilhelm Matt (1872–1936) zu sechs Monaten Haft verurteilt, übersiedelte Matthes im selben Jahr nach Frankfurt am Main, wo er 1922/23 die Boulevardzeitung „Die Fackel“ herausgab.
Matthes übersiedelte 1923 nach Düsseldorf, wo er begann, sich für den rheinischen Separatismus zu engagieren. Zunächst in der Redaktion eines von den französischen Besatzungsbehörden herausgegebenen Nachrichtenblatts tätig, gründete er im Juli 1923 die v. a. aus ehemaligen Anhängern des Separatisten Joseph Smeets (1893–1925) bestehende Gruppe „Frei Rheinland“, die dessen Rheinisch-Republikanische Volkspartei fortsetzte, während die Düsseldorfer Ortsgruppe unter Führung von Matthes als Rheinischer Unabhängigkeitsbund firmierte und v. a. im Norden der Rheinprovinz aktiv war. Im August 1923 fusionierte der Bund mit der von Hans Adam Dorten (1880–1963) geführten Rheinischen Volksvereinigung zur offen separatistischen Vereinigten Rheinischen Bewegung. Diese veranstaltete – scharf abgelehnt von der deutschen Presse und den deutschen Behörden – mehrere Versammlungen, darunter eine Kundgebung am 30. September 1923 in Düsseldorf mit mehreren Tausend Teilnehmern, die nach dem Eingreifen französischer Besatzungskräfte und deutscher Polizei zahlreiche Verletzte und Todesopfer forderte.
Unter führender Beteiligung von Matthes wurde am 25. Oktober 1923 im Koblenzer Schloss die „Rheinische Republik“ proklamiert und eine „Vorläufige Regierung der Rheinischen Republik“ gebildet, in der er als „Ministerpräsident“ und „Generalbevollmächtigter Nord“ von Düsseldorf aus agierte. Nach den Vorstellungen von Matthes, der sich auf die Anerkennung des französischen Präsidenten der Interalliierten Rheinlandkommission Paul Tirard (1879–1945) stützen konnte, sollte die „Rheinische Republik“ der Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich dienen und pazifistischen, antimilitaristischen wie antinationalistischen Zielen verpflichtet sein; ein detailliertes staatspolitisches Programm für die avisierte Republik ist nicht überliefert. Ob Matthes mit den separatistischen Exil-Organisationen im benachbarten Lothringen (Metz) wie der „Ligue d’Amitié Franco-Rhénane – La Halte“ in Verbindung stand, ist nicht bekannt.
Als sich abzeichnete, dass die „Rheinische Republik“ aufgrund innerer Streitigkeiten, äußerer Widerstände seitens der Verwaltung und Bevölkerung sowie mangelnder Unterstützung durch die Besatzungsmächte Frankreich und Belgien nicht verwirklicht werden würde, begab sich Matthes 1924 in das französische Exil. Er engagierte sich für autonomistische Publikationsorgane im wieder französisch gewordenen Elsass, ehe er 1927 in Meudon bei Paris ein internationales Pressebüro einrichtete. 1941 wurde Matthes, nachdem ihn die Gestapo ausfindig gemacht hatte, durch das Vichy-Regime an das „Dritte Reich“ ausgeliefert und nach Stationen im Polizeigefängnis Nürnberg und Konzentrationslager Sachsenhausen als politischer Häftling in das Konzentrationslager Dachau verbracht, wo er – laut Totenschein wegen „Versagen von Herz und Kreislauf bei Leberkrebs“ – im Oktober 1943 starb.
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv, Koblenz, Bestand ZSg 105. (Sammlung Otto Jung betreffend Rheinlandbesetzung und Separatismus)
Landeshauptarchiv, Koblenz, Bestand 710,12, Nr. 3806 (P), Nr. 3812 (P), Nr. 3830 (P), Nr. 3834 (P), Nr. 3836 (P). (Besatzungszeit und Separatismus)
Arolsen Archives (International Center on Nazi Persecution), Bad Arolsen, vier Datensätze zu Matthes, u. a. Sterbeurkunde. (Onlineressource)
Stadtarchiv Düsseldorf, Film Nr. 7–4–3–198_2629 u. 2630. (Einwohnermeldekartei 1926–1959)
Gedruckte Quellen:
Hans-Jürgen Krüger (Bearb.), Rheinische Republik der Separatisten. Katalog zur Ausstellung im Landeshauptarchiv Koblenz, 1983. (P)
Joachim Kermann/Hans-Jürgen Krüger (Bearb.), 1923/24. Separatismus im rheinisch-pfälzischen Raum, 1989. (P)
Monografien:
„Der Jünglingsredakteur“. Tagbuchaufzeichnungen, 1908.
Gedichte und Gedanken, 1908.
Wenn Kinder beichten. Eine Anklage, 1908.
Pädagogische Sünden im Beichtstuhl. Eine Anklage von Pepi Matthes, 1909.
Kriegslieder, 1914.
Gedichte, 1919.
Erbsünde. Roman, 1921. (Zeitungsdruck)
Okkultismus? Eine populärwissenschaftliche Skizze, 1921.
Que fut la République rhénane? Was war die Rheinische Republik 1923?, 1936.
Bühnenwerke:
Herodes. Drama in fünf Aufzügen, 1908 oder 1909.
Frau Marion. Schauspiel in fünf Aufzügen, 1909.
Ein Tagebuch. Kammerspiel, 1914. (Bühnendruck, Uraufführung in den Nürnberger Kammerspielen 1917)
„Ich hatt‘ einen Kameraden“. Schwank in drei Aufzügen, 1915. (Bühnendruck)
Die große Flucht. Fünf Stationen, 1915. (Bühnendruck)
Monografien:
Max Springer, Loslösungsbestrebungen am Rhein (1918–1924), 1924.
Erwin Bischof, Rheinischer Separatismus 1918–1924. Hans Adam Dortens Rheinstaatbestrebungen, 1969.
Klaus Reimer, Rheinlandfrage und Rheinlandbewegung (1918–1933). Ein Beitrag zur Geschichte der regionalistischen Bestrebungen in Deutschland, 1979.
Martin Süß, Rheinhessen unter französischer Besatzung. Vom Waffenstillstand im November 1918 bis zum Ende der Separatismusunruhen im Februar 1924, 1988.
Martin Schlemmer, „Los von Berlin“. Die Rheinstaatbestrebungen nach dem Ersten Weltkrieg, 2007.
Michael Schweikl, Die Stadt Passau in der Weimarer Republik (1919–1933). Städtische Strukturpolitik, Partizipation der Bürger, und städtische Institutionen in der Zeit der ersten deutschen Demokratie, 2016.
Philipp Bender, Eine Rheinische Republik? Die ersten Rheinstaatsbestrebungen 1918/19 in Zeiten des völker- und verfassungsrechtlichen Umbruchs, 2019.
Aufsätze:
Ignaz Wrobel (i. e. Kurt Tucholsky), Für Joseph Matthes, in: Die Weltbühne 25 (1929), Nr. 33, S. 233–236.
Herbert Müller Werth, Die Separatistenputsche in Nassau unter besonderer Berücksichtigung des Stadt- und Landkreises Wiesbaden, in: Nassauische Annalen 79 (1968), S. 245–328.
Dietrich Schlegel, Vor 50 Jahren. Der Separatismus nach dem Ersten Weltkrieg, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 71 (1974), S. 217–245.
Anton Golecki, Vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende der Weimarer Republik, in: Geschichte der Stadt Koblenz, hg. v. Energieversorgung Mittelrhein GmbH, Bd. 2, 1993, S. 119–169, hier S. 152–155.
Peter Körner/Roger Martin, Der ewige Rebell. Josef „Pepi“ Matthes, in: Helmut Teufel/Klaus Eymann (Hg.), Von Tag zu Tag. Zeitungsgeschichte und Zeitgeschehen am bayerischen Untermain. Zum 50. Jahrestag der Lizenzierung des „Main-Echos“ am 24. November 1945, 1995, S. 105–110.
Michael Schweikl, Der Redakteur der „Passauer Zeitung“ Josef Friedrich Matthes (1886–1943). Annäherungen an einen liberalen Rebellen und an sein Verhältnis zur katholischen Kirche und zu Obrigkeiten, in: Passauer Jahrbuch 62 (2020), S. 251–279. (P)
Michael Schweikl, Josef Friedrich Matthes (1886–1943). Aschaffenburgs „Bürgerschreck“ oder „doch ein großer Anreger“?, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 14 (2021), S. 109–148. (P)
Lexikonartikel:
Franz Brümmer, Art. „Matthes, Pepi“, in: ders., Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Bd. 4, 61913, S. 386. (Onlineressource)
Franz Mader, Art. „Matthes, Josef Friedrich“, in: ders., Tausend Passauer. Biographisches Lexikon zu Passaus Stadtgeschichte, 1995, S. 152.
Wolfgang Schütz, Art. „Matthes“, in: ders., Koblenzer Köpfe. Lebensbeschreibungen über Personen der Stadtgeschichte und Namensgeber für Straßen und Plätze, [2002], S. 255 f.
Gerhard Gräber, Art. „Rheinische Republik“, in: Historisches Lexikon Bayerns, 2006. (P) (Onlineressource)
Rudolf Morsey, Art. „Rheinische Volksvereinigung, 1920–1923/24“, in: Historisches Lexikon Bayerns, 2016. (P) (Onlineressource)