Latscha, Jakob
- Lebensdaten
- 1849 – 1912
- Geburtsort
- Friedelsheim bei Bad Dürkheim (Pfalz)
- Sterbeort
- Frankfurt/Main
- Beruf/Funktion
- Kaufmann
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 127477969 | OGND | VIAF: 72416166
- Namensvarianten
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- Latscha, Jakob
- Latscha, Jacob
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Latscha, Jakob
Einzelhandelskaufmann, * 4.3.1849 Friedelsheim bei Bad Dürkheim (Pfalz), † 5.1.1912 Frankfurt/Main. (evangelisch)
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Genealogie
Die Fam. war seit Beginn d. 18. Jh. in d. Kurpfalz ansässig, stammte v. Bauern „Lachat“ aus d. Schweizer Jura, die als Wiedertäufer (strenggläubige Mennoniten) aus d. Kt. Bern vertrieben wurden;
V Johannes (* 1819), Landwirt, S d. Abraham Latschar;
M N. N.;
⚭ Elise Heymann;
2 S, 3 T, u. a. →Hans (1881–1967), Kaufm., Nachf. L.s. -
Biographie
Zunächst auf dem väterlichen Hof tätig, trat L. mit 18 Jahren in Mannheim eine kaufmännische Lehre in einem Textilgeschäft an und war dann in der gleichen Branche in der Kruppschen Konsumanstalt in Essen beschäftigt. In Essen gründete er mit einem Teilhaber ein Einzelhandelsunternehmen für Textilien und Lebensmittel, das seit 1877 Filialen errichtete. 1882 schied L. dort aus und übernahm in Frankfurt am Main als Alleininhaber eine kleine Kolonialwarenhandlung in der Innenstadt, der er eine Filiale angliederte. Ohne Fremdkapital arbeitete L. nach dem schon in Essen erfolgreich praktizierten Prinzip des Barverkaufs unter Ablehnung von jeder Art von Bestellung oder Zustellung der Ware – im Zeitalter des Kleinkredites und des ausgeprägten Kundendienstes ebenso revolutionär wie der Einkauf beim Lieferanten gegen Barzahlung ohne Kreditinanspruchnahme. Dadurch konnte L. mit einer geringen Gewinnspanne kalkulieren. Der Kostenminderung diente der schrittweise Ausbau eines Filialnetzes, das bald über die Grenzen der Stadt hinausging. Für den Großeinkauf errichtete L. bereits 1889 ein eigenes Lagerhaus, das systematisch vergrößert wurde, bis 1913 im Frankfurter Osthafengelände ein großes Zentralgebäude für die Leitung und Versorgung des ausgedehnten Filialnetzes errichtet werden konnte. L. trat in öffentlichen Versammlungen und in der Presse gerade auch als Geschäftsinhaber mit Nachdruck für die Sonntagsruhe im Einzelhandel und den gesetzlichen Ladenschluß um 20 Uhr ein, Ziele, die erst mit Beginn des 20. Jh. erreicht wurden. Seinen eigenen Angestellten gewährte er früh eine Umsatzbeteiligung, verbilligten Einkauf und freiwillige Sozialeinrichtungen.
Das Unternehmen wurde nach seinem Tode von L.s Söhnen fortgeführt und 1925 durch die Übernahme einer Wiesbadener Ladenkette mit 40 Filialen auf das ganze Rhein-Main-Gebiet ausgedehnt. Die Firma betrieb schließlich über 175 Filialen und überwand auch die schweren Schäden des 2. Weltkriegs relativ rasch. Erst als zunehmend die großen Selbstbedienungsläden nach amerikan. Vorbild auf dem deutschen Markt vordrangen und zu Ketten zusammengeschlossen wurden, war der bisherige Verkauf in Laden-|Filialen nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Umstellung gelang der Firma Latscha nicht schnell genug, so daß L.s Enkel Ende 1976 gezwungen waren, das Unternehmen, das – bei wechselnder Rechtsform und Firmierung – stets in Familienbesitz geblieben war, an die REWE-Leibbrand-Gruppe zu veräußern. L.s Verkaufssystem hatte sich nach neun Jahrzehnten überlebt.
L. war nicht nur ein erfolgreicher Pionier des Lebensmittel-Einzelhandels, sondern auch ein Vorkämpfer christlicher Sozialpolitik. Friedrich Naumann, der 1890-97 als Pfarrer die Innere Mission in Frankfurt vorantrieb, fand in ihm einen begeisterten Mitarbeiter. Im Auftrag der Südwestdeutschen Konferenz dieser Organisation gab L. zusammen mit Pfarrer W. Teudt 1898 eine Broschüre über Fragen der Wohnungsreform heraus. Darin wurde ein Zehnpunkteprogramm für eine staatliche Bodenpolitik zur Anlage von „Industrie-Wohnstraßen“, d. h. zum Bau von Eigenheimen für die arbeitende Bevölkerung in der Nähe ihrer Arbeitsstätten entwickelt; sie erlebte zwei Auflagen. Sichtlich war dieses Projekt von den Ideen Adolf Damaschkes beeinflußt, die L. stark beschäftigt haben. L. war auch Vorsitzender des CVJM in Frankfurt und bemühte sich um eine sinnvolle Freizeitnutzung der jungen Kaufleute. Mit ihnen veranstaltete er Waldgottesdienste im ehemaligen Reichsforst Dreieich zwischen Frankfurt und Darmstadt und erwarb dafür das alte Forsthaus Buchschlag. Ghzg. →Ernst Ludwig von Hessen überließ L. auf dessen Bitte zu günstigen Bedingungen einen Teil des Domänenwaldes bei dem Forsthaus. 1903 begann L. mit der Gründung der Villenkolonie Buchschlag. Er finanzierte das Unternehmen zunächst aus eigenen Mitteln, bis der Aufbau einer GmbH der Siedler vollendet war. In wenigen Jahren wurden hier rund 100 Familien ansässig. Die von ihnen errichteten Häuser sind z. T. für den Jugendstil repräsentativ. Buchschlag wurde 1913 eine selbständige Gemeinde und der Dichter Rudolf G. Binding, der dort seit 1910 lebte, ihr erster Bürgermeister. Heute ist es Stadtteil von Dreieich. L. betrieb seit 1910 den Bau einer zweiten Wohnkolonie, „Waldheim“, zwischen Offenbach am Main und Mühlheim, die bei seinem plötzlichen Tod 1912 noch im Aufbau war.
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Werke
Nationale Ansiedlung u. Wohnungsreform, Grundgedanken u. Vorschläge, ²1899 (mit W. Tendt).
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Literatur
J. L., Der Mann u. s. Werk (Festschr. z. 50j. Bestehen d. J. Latscha AG) (1922);
Th. Fuchs, Die Villenkolonie Buchschlag b. Frankfurt a. M., 1910;
F. Lerner (Hrsg.), Das tätige Frankfurt, 1955, S. 275 ff.;
ders., Frankfurt am Main u. s. Wirtsch., Wiederaufbau seit 1945, 1958, S. 408 ff.;
Ch. Mohr, Die Villenkolonie Buchschlag b. Darmstadt, in: G. Bott (Hrsg.), Von Morris zum Bauhaus, 1979, S. 227 ff.;
H. Obermann, 70 J. Waldgemeinde Buchschlag (1975). -
Autor/in
Franz Lerner -
Zitierweise
Lerner, Franz, "Latscha, Jakob" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 684-685 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd127477969.html#ndbcontent