Schanz, Paul von
- Lebensdaten
- 1841 – 1905
- Geburtsort
- Horb/Neckar (Württemberg)
- Sterbeort
- Tübingen
- Beruf/Funktion
- katholischer Theologe ; Priester ; Pädagoge ; Naturwissenschaftler ; Hochschullehrer
- Konfession
- katholisch
- Normdaten
- GND: 117104604 | OGND | VIAF: 45071781
- Namensvarianten
-
- Schanz, Paul (bis 1900)
- Schanz, Paul von
- Schanz, Paul (bis 1900)
- schanz, paul
- Schanz, P. von
- Schanz, Paweł
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Schanz, Paul von (württembergischer Personaladel 1900)
katholischer Theologe, * 4.4.1841 Horb/Neckar (Württemberg), † 1.6.1905 Tübingen.
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Genealogie
V Joseph S. (1793-1877), Soldat, Stadtknecht in H., S d. →Veit (1749–1821), Zeugmacher in H., u. d. Agathe Barth (1755–1815);
M Elisabetha (1810–83), T d. →Philipp Küster (1771–1853), Schlosser in H., u. d. Elisabeth Erath (1770–1835);
Gr-N Paul S., Dr. iur. -
Biographie
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Rottweil studierte S. 1861-65 Philosophie, Theologie, Philologie und Naturwissenschaften in Tübingen und wurde 1866 mit der Arbeit „Die iran. Religion nach den Zeugnissen der griech. und röm. Schriftsteller“ zum Dr. phil. promoviert. Im Aug. 1866 empfing er in Rottenburg/Neckar die Priesterweihe, war anschließend Vikar in Schramberg, seit Aug. 1867 Repetent am Wilhelmstift in Tübingen und legte 1869 die Lehramtsprüfung für naturwissenschaftliche Fächer ab, der sich Studienaufenthalte in Berlin und Paris anschlossen. Seit Okt. 1870 unterrichtete S. am Obergymnasium in Rottweil Naturwissenschaften und Mathematik. Seit 1875 Leiter des Rottweiler Niederen Konvikts, wurde er 1876 als Nachfolger →Moritz Aberles (1817–75), dessen bis dahin ungedruckte „Einleitung in das Neue Testament“ er bearbeitete und 1877 herausgab, o. Professor für neutestamentliche Exegese in Tübingen. 1883 wechselte er als Nachfolger →Johannes v. Kuhns (1806–87) auf den Lehrstuhl für Dogmatik und Apologetik (1899/1900 Rektor).
S. wird der „dritten Generation der Tübinger Schule“ zugerechnet. Als Dogmatiker legte er nicht wie sein Vorgänger Kuhn einen neuen theologischen Entwurf vor, zeichnete sich aber durch gediegene wissenschaftliche Arbeit aus. Als einer der ersten kath. Theologen nahm er die von der Naturwissenschaft gestellten Fragen – von Galilei bis Darwin – in ihrer Relevanz für den christlichen Glauben ernst. In seinem Hauptwerk „Apologie des Christentums“ (3 Bde., 1887/88, ³1903-06) führte er aus, daß nur das genaue Studium der Methoden und Ergebnisse der Naturwissenschaft den Theologen befähige, Antworten auf diese Fragen und Wege der Vermittlung zu finden. In der Exegese öffnete er sich in seinen grundsätzlich der biblischen Theologie verpflichteten Evangelienkommentaren vorsichtig der historisch-kritischen Methode, auch wenn er nicht alle Konsequenzen zog und etwa in der „Zweiquellentheorie“ an der vom röm. Lehramt vorgegebenen Priorität des Matthäusevangeliums festhielt. S. hatte persönliche Kontakte zu „Modernisten“ und suchte der Lösung der „biblischen Frage“ durch den umstrittenen „modernistischen“ franz. Exegeten →Alfred Loisy (1857–1940) – dessen Fragen nach dem Verhältnis von Dogma und Geschichte auch S. bewegten – gerecht zu werden. In zwei für den Rottenburger Bischof →Paul v. Keppler (1852–1926) verfaßten Gutachten zu röm. Anfragen nahm er 1899 und 1901 der Häresie verdächtigte Fakultätskollegen in Schutz und verteidigte die Ausbildung der Theologiestudenten an der staatlichen Tübinger Universität. Bei seinen neuthomistischen Gegnern (→Michael Glossner, 1837–1909; →Ernst Commer, 1847–1928), die ihn zusammen mit →Carl Braig (1853–1923) als oberflächlichen Epigonen der „Tübinger Schule“ abzutun suchten, galt S. als Mann von wenig kirchlicher Gesinnung. Die Angst vor Verketzerung machte S., der als Mitarbeiter zum Umfeld der reformkath. Zeitschriften „Hochland“ und „Freie Dt. Blätter“ zählte, sich aber nie auf eine Schulrichtung festlegte, in seinen Veröffentlichungen übervorsichtig. Dies mag dazu beigetragen haben, daß er bis heute recht unterschiedlich beurteilt wird. So hob der aus dem „modernistischen“ Aufbruch kommende Religionsphilosoph →Friedrich Heiler (1892–1967) 1947 den geistigen Weitblick von S. hervor, während ihn →Rudolf Reinhardt (* 1928) 1977 „mehr der konservativen Richtung“ zurechnete. – Ehrenkreuz d. Ordens d. württ. Krone (1900).
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Werke
Weitere W Der Kard. Nicolaus v. Cusa als Math., 1872;
Die astronom. Anschauungen d. Nicolaus v. Cusa u. seiner Zeit, 1873;
Die christl. Weltanschauung u. d. modernen Naturwiss., 1877;
Die Komp. d. Matthäusevangeliums, 1877;
Galileo Galilei u. sein Prozeß, 1878;
Gedächtnisrede auf d. hochw. Herrn J. E. v. Kuhn, 1887;
Die Lehre v. d. hl. Sakramenten d. kath. Kirche, 1893;
Das Alter d. Menschengeschlechtes, 1986;
Neue Versuche d. Apologetik gegenüber d. Naturalismus u. Spiritualismus, 1897;
Univ. u. techn. Hochschule, 1899;
Ist d. Theol. e. Wiss.?, 1900. -
Literatur
M. Gloßner, Die Tübinger kath.-theol. Schule, v. spekulativen Standpunkt krit. beleuchtet, IV. Die Epigonen, in: Jb. f. Phil. u. spekulative Theol. 16, 1903, S. 2-42;
W. Koch, in: Hochland 2, 1905, S. 458-61;
A. Koch, in: Theol. Quartalschr. 88, 1906, S. 102-23;
J. R. Geiselmann, Das Übernatürliche in d. Kath. Tübinger Schule, ebd. 143, 1963, S. 422-53;
ders., Die Kath. Tübinger Schule, Ihre theol. Eigenart, 1964;
N. N., L'apologetica moderna e l'opera di P. S., in: La Civiltà Cattolica 59/2, 1908, S. 89-98;
F. Heiler, Der Vater d. Modernismus, Alfred Loisy, 1947;
H. Fries, Theol. u. Naturwiss., Zum Werk v. P. S., in: Theol. Quartalschr. 129, 1949, S. 129-61;
ders., in: ders. u. G. Schwaiger (Hg.), Kath. Theologen Dtld.s im 19. Jh., III, 1975, S. 190-214 (W, L, P);
R. Reinhardt, Zu d. Auseinandersetzungen um d. „Modernismus“ in d. Univ. Tübingen, in: ders. (Hg.), Tübinger Theologen, 1977, S. 271-352;
ders. (Hg.), Franz Xaver Linsenmann, I, 1987, S. 230 f., 251-53, 257-65;
T. F. O'Meara, Church and Culture, German Catholic Theology 1860-1914, 1991, S. 87-99;
M. Buschkühl (Hg.), Michael Glossner u. d. Theol. seiner Zeit, Briefwechsel Michael Glossner – Ernst Commer, 1992;
O. Weiß, Das wechselvolle Geschick d. Alfred Loisy in Dtld., in: ders., Kulturen, Mentalitäten, Mythen, 2004;
BJ X, S. 264 f. u. Tl.;
Kosch, Kath. Dtld.;
BBKL (W, L);
LThK³. -
Autor/in
Otto Weiß -
Zitierweise
Weiß, Otto, "Schanz, Paul von" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 560-561 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117104604.html#ndbcontent