Olberg, Oda
- Lebensdaten
- 1872 – 1955
- Geburtsort
- Lehe bei Bremerhaven
- Sterbeort
- Buenos Aires
- Beruf/Funktion
- Journalistin ; Publizistin ; Krankenschwester ; Redakteurin ; Übersetzerin
- Normdaten
- GND: 124747566 | OGND | VIAF: 66842688
- Namensvarianten
-
- Olberg, Oda Elisabeth
- Olberg-Lerda, Oda
- Graccus; Omega („Ω“)
- Olberg, Oda
- Olberg, Oda Elisabeth
- Olberg-Lerda, Oda
- Graccus; Omega („Ω“)
- graccus; omega
- Lerda, Oda
- Lerda-Olberg, Oda
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Olberg, Oda Elisabeth (verheiratete Oda Olberg-Lerda)
Pseudonyme: Graccus; Omega („Ω“)
1872 – 1955
Journalistin, Publizistin
Die Journalistin und politische Redakteurin Oda Olberg gehörte zu den ersten professionell arbeitenden Vertreterinnen ihres Berufszweigs. Sie war in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine der bekanntesten Mitarbeiterinnen der Wiener „Arbeiter-Zeitung“ und weiterer bedeutender sozialistischer Organe. Ihr journalistisches und publizistisches Werk galt der Beseitigung sozialer Ungerechtigkeit und dem Kampf gegen totalitäre Entwicklungen in Italien, Deutschland und Österreich.
Lebensdaten
Geboren am 2. Oktober 1872 in Lehe bei Bremerhaven Gestorben am 11. April 1955 in Buenos Aires -
Autor/in
→Ilse Korotin (Wien)
-
Zitierweise
Korotin, Ilse, „Olberg, Oda“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/124747566.html#dbocontent
Olberg wuchs in einer konservativen großbürgerlichen Familie auf, besuchte Gymnasialkurse in Leipzig und war – nachdem sie aus finanziellen Gründen nicht Medizin studieren konnte – als Krankenpflegerin tätig. Als frühe Anhängerin sozialistischen Gedankenguts verfasste sie seit ihrem 17. Lebensjahr politische Artikel, in denen sie im Stil von Sozialreportagen das Massenelend der Arbeiterklasse, im Besonderen die Kinderarbeit, die verheerenden Wohnverhältnisse und die hohe Säuglingssterblichkeit, thematisierte.
1896 veröffentlichte Olberg ihr Erstlingswerk „Das Elend in der Hausindustrie der Konfektion“, in dem sie auf Basis eigener Recherchen die schwierige Situation der Heimarbeiterinnen in der Textilindustrie beschrieb. Das Buch rief in der deutschen Sozialdemokratie großes Aufsehen hervor und weckte das Interesse des SPD-Vorsitzenden August Bebel (1840–1913). Gesundheitlich angegriffen ging Olberg 1896 nach Italien und heiratete im selben Jahr den Journalisten und Politiker Giovanni Lerda (1853–1927), mit dem sie 1898 infolge innenpolitischer Unruhen in die Schweiz floh.
1899 von dort ausgewiesen und nach Italien zurückgekehrt, wurde Olberg Leiterin der Auslandsredaktion der sozialistischen Parteizeitung „Avanti!“ und begann um 1902 als freie Journalistin und Korrespondentin in Turin zu arbeiten. Regelmäßige Beiträge im Berliner „Vorwärts“ und in der Wiener „Arbeiter-Zeitung“, in den bedeutenden sozialdemokratischen Theorie-Organen „Die Neue Zeit“ und „Der Kampf“ sowie in Joseph Blochs (1871–1936) „Sozialistischen Monatsheften“ machten sie zu einer weithin anerkannten Größe in der deutschen und österreichischen Sozialdemokratie. Zu ihrem Freundeskreis zählte u. a. Viktor Adler (1852–1918), der sie mehrfach in Italien besuchte.
Ebenso präsent war Olberg in zentralen Organen der österreichischen Frauenbewegung, u. a. „Die Frau“ und „Die Unzufriedene“. In ihrer Streitschrift „Das Weib und der Intellectualismus“ (1902) wandte sie sich vehement gegen den Neurologen Paul Julius Möbius (1853–1907) und dessen Pamphlet „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ (1900). Olbergs Schrift fand u. a. bei Luise Kautsky (1864–1944) und dem Soziologen Robert Michels (1876–1936) positive Aufnahme, wurde zeitgenössisch jedoch nur wenig rezipiert.
Nach der Machtübernahme Benito Mussolinis (1883–1945) im Oktober 1922 kritisierte Olberg wiederholt die politischen Zustände im faschistischen Italien, ehe ihr die journalistische Arbeit untersagt wurde. Nach dem Tod ihres Ehemanns floh sie 1927 nach Argentinien, kehrte 1928 nach Deutschland zurück und ließ sich Ende 1928 in Wien nieder, wo sie erneut für die „Arbeiter-Zeitung“ tätig wurde und die totalitären Bewegungen Italiens, Deutschlands und Österreichs bekämpfte. In der Schrift „Nationalsozialismus“ (1932) warf Olberg dem Faschismus und Nationalsozialismus politische Beliebigkeit und fehlende Programmatik vor; das in der Arbeiterklasse vorhandene „Streben nach Idealen“ sah sie im Sozialismus und in der SPD verwirklicht.
Infolge der Februarkämpfe 1934 und des Verbots der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs durch die Regierung von Engelbert Dollfuß (1892–1934) ging Olberg nach Buenos Aires, wo einer ihrer Söhne lebte. Als Mitarbeiterin zahlreicher Exilzeitungen schrieb sie in den 1930er Jahren u. a. für das „Argentinische Tageblatt“ (Buenos Aires), „Das Andere Deutschland“ (Buenos Aires), den „Neuen Vorwärts“ (Paris), die „Neue Volks-Zeitung“ (New York City) und die „Deutschen Blätter“ (Santiago de Chile). Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Olberg, inzwischen schwer erkrankt, noch gelegentlich für die Wiener „Arbeiter-Zeitung“, kehrte jedoch nicht mehr aus dem Exil zurück.
Neben ihrem umfangreichen journalistischen und publizistischen Werk wurde Olberg durch ihre langjährige Auseinandersetzung mit den rassentheoretischen Überlegungen der Eugenikbewegung bekannt. 1906 erschienen in der von Karl Kautsky (1854–1938) herausgegebenen Wochenschrift „Die Neue Zeit“ Olbergs „Bemerkungen über Rassenhygiene und Sozialismus“, die sich vornehmlich auf die Arbeiten Wilhelm Schallmeyers (1857–1919) bezogen, einem Begründer der „Rassenhygiene“ in Deutschland. Das Problem der sozialen „Degeneration“ v. a. als Folge der kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse deutend, erhob Olberg selbst eugenische Forderungen. Sie verstand diese als zentralen Teil des „Klassenkampfes“, da sie auf die Erreichung menschenwürdiger Lebensbedingungen zielen und der Bekämpfung des Alkoholismus, der Geschlechtskrankheiten und der Säuglingssterblichkeit dienen würden.
Nachlass:
nicht bekannt.
Gedruckte Quellen:
Luise Kautsky, Oda Olberg (1872–1955), in: dies., Starke Frauen. 15 Porträts von Jenny Marx bis Rosa Luxemberg, hg. v. Günter Regneri, 2018, S. 79–82.
Das Elend in der Hausindustrie der Konfektion, 1896.
Das Weib und der Intellectualismus, 1902.
Der Fascismus in Italien, 1923.
Zur Stellung der sozialistischen Partei zur Geburtenbeschränkung, in: Otto Jenssen (Hg.), Der lebendige Marxismus. Festgabe zum 70. Geburtstage von Karl Kautsky, 1924, S. 347–365.
Matteotti, 1924.
Die Entartung in ihrer Kulturbedingtheit. Bemerkungen und Anregungen, 1926.
Frauenarbeit und Gesellschaftsentwicklung, in: Käthe Leichter (Red.), Handbuch der Frauenarbeit in Österreich, hg. v. d. Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien, 1930, S. 328–360.
Nationalsozialismus, 1932.
Der Mensch sein eigener Feind. Betrachtungen über Gerechtigkeit, 1948.
Artikel:
über 100 Artikel, vorwiegend aus „Arbeiter-Zeitung“ u. „Der Kampf“, recherchierbar in: Anno. Historische Zeitungen und Zeitschriften der Österreichischen Nationalbibliothek.
Monografien:
Ernst Glaser, Im Umfeld des Austromarxismus, 1981, S. 125 f.
Alfred Magaziner, Die Bahnbrecher. Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung, 1985, S. 168–172.
Doris Byer, Rassenhygiene und Wohlfahrtspflege. Zur Entstehung eines sozialdemokratischen Machtdispositivs in Österreich bis 1934, 1988, S. 127–134.
Angelika Czipin, Das Schreiben der Frauen. Wiener Tageszeitungsjournalistinnen in der Ersten Republik und die Geschichte ihrer Vorgängerinnen, 1996. (ungedr. Diplomarbeit, Universität Wien)
Martina Pietsch, Oda Olberg. Leben und Werk 1872–1955. Eine qualitative Analyse ihrer journalistischen und publizistischen Arbeiten, 2005. (ungedr. Diplomarbeit, Universität Wien)
Aufsätze und Artikel:
Werner Röder/Herbert A. Strauss, Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, 1980, S. 539.
Fritz Hausjell, Oda Olberg-Lerda. „Die beste sozialistische Journalistin“, in: Medien & Zeit. Forum für historische Kommunikationsforschung 2 (1987), S. 17–21. (Onlineressource)
Fritz Hausjell, Österreichische Journalisten und Publizisten im Exil (1933/34–1945). Eine Fallstudie, in: Friedrich Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft, Bd. 1, 1987, S. 304–334.
Ilse Korotin, Oda Olberg-Lerda (1872–1955), in: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 50 (1995), Nr. 3, S. 37–44. (Onlineressource)
Ilse Korotin, „Bemerkungen über Rassenhygiene und Sozialismus“. Oda Olberg-Lerda, die eugenische Bewegung und ihre Rezeption durch die Linke, in: Doris Ingrisch/Ilse Korotin/Charlotte Zwiauer (Hg.), Die Revolutionierung des Alltags. Zur intellektuellen Kultur von Frauen im Wien der Zwischenkriegszeit, 2004, S. 101–119.
Bruno Jahn (Bearb.), Die deutschsprachige Presse. Ein biographisch-bibliographisches Handbuch, Bd. 2, 2005, S. 774.
Ilse Korotin, „Das Weib und der Intellectualismus“ (1902). Oda Olbergs Streitschrift gegen Paul Julius Möbius. Ein Diskurs aus sozialistischer Perspektive, in: Susanne Blumesberger (Hg.), Frauen schreiben gegen Hindernisse. Zu den Wechselwirkungen von Biografie und Schreiben im weiblichen Lebenszusammenhang, 2010, S. 35–46.
John Haag, Art. „Olberg, Oda (1872–1955)“, in: Women in World History. A Biographical Encyclopedia, o. J. (Onlineressource)
Zeitgenössische Würdigungen und Nachrufe:
Luise Kautsky, Oda Olberg. 60 Jahre, in: Arbeiter-Zeitung, Nr. 273 v. 2.10.1932, S. 2 f. (Onlineressource)
N. N., Oda Olberg. 60 Jahre, in: Das kleine Blatt, Nr. 273 v. 2.10.1932, S. 6 f. (Onlineressource)
Luise Kautsky, Oda Olberg. 60 Jahre, in: Die Unzufriedene, Nr. 40 v. 8.10.1932, S. 3. (Onlineressource)
Luise Kautsky, Oda Olberg. Aus Anlaß ihres 60. Geburtstages, in: Die Frau, hg. v. Adelheid Popp, 1932, Nr. 11, S. 12 f.
Ernst Lakenbacher, Oda Olberg. 70 Jahre, in: Das Andere Deutschland 5 (September 1942), S. 19.
N. N., Oda Olberg-Lerda, in: Arbeiter-Zeitung, Nr. 93 v. 22.4.1955, S. 2.
Fotografie, ca. 1930, Abbildung in: Luise Kautsky, Oda Olberg. 60 Jahre, in: Arbeiter-Zeitung, Nr. 273 v. 2.10.1932, S. 3. (Onlineressource)
Fotografie, ca. 1930, Abbildung in: N. N., Oda Olberg. 60 Jahre, in: Das kleine Blatt, Nr. 273 v. 2.10.1932, S. 6. (Onlineressource)