Oertzen, Hans-Ulrich von
- Lebensdaten
- 1915 – 1944
- Geburtsort
- Berlin
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Offizier ; Widerstandskämpfer ; Widerstandskämpfer
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 130187151 | OGND | VIAF: 72492762
- Namensvarianten
-
- Oertzen, Hans-Ulrich von
- Oertzen, Hans-Ulrich
- Oertzen, Hans Ulrich von
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- Adolf Hitler (1889–1945)
- Axel von dem Bussche (1919–1993)
- Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907–1944)
- Edgar Röhricht (1892–1967)
- Fabian von Schlabrendorff (1907–1980)
- Henning von Oertzen
- Henning von Tresckow (1901–1944)
- Joachim von Kortzfleisch (1890–1945)
- Karl Freiherr von Thüngen (1893–1944)
- Richard von Weizsäcker (1920–2015)
- Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff (1905–1980)
- Wessel Freytag von Loringhoven (1899–1944)
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Oertzen, Hans-Ulrich von
1915 – 1944
Offizier, Widerstandskämpfer
Hans-Ulrich von Oertzen arbeitete im Herbst 1943 mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907–1944) an der Planung des Unternehmens „Walküre“ und gehörte zum Kern der Verschwörer des 20. Juli 1944. Am Tag des Attentats auf Adolf Hitler (1889–1945) agierte er als Verbindungsoffizier für den Wehrkreis Berlin und sorgte für die Umsetzung der vorbereiteten Befehle für den Staatsstreich. Um Verhören und einer möglichen Preisgabe von Mitverschwörern zu entgehen, nahm er sich am Folgetag das Leben.
Lebensdaten
Geboren am 6. März 1915 in Berlin Gestorben am 21. Juli 1944 (Suizid) in Berlin Grabstätte Begräbnisstätte der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in Berlin-Wilmersdorf Konfession evangelisch -
Autor/in
→Lars-Broder Keil (Berlin)
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Zitierweise
Keil, Lars-Broder, „Oertzen, Hans-Ulrich von“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/130187151.html#dbocontent
Aus einem alten, mecklenburgischen Adelsgeschlecht stammend, wuchs von Oertzen nach dem Tod seines Vaters im Ersten Weltkrieg bei seiner Mutter in Berlin auf, die es ohne eigenes Gut oder nennenswertes Vermögen schwer hatte, die Familie zu versorgen. Er lebte seit 1922 mehrere Jahre auf dem Gut seines Onkels Henning von Oertzen im mecklenburgischen Rattey und besuchte seit 1928 das humanistische Friedenauer Gymnasium in Berlin, anschließend als Stipendiat die Internatsschule Schloss Salem am Bodensee.
Nach dem Abitur im April 1933 trat von Oertzen in Hannover der Reichswehr bei. Er sah in der parlamentarischen Demokratie kein zukunftsfähiges politisches Modell für Deutschland und zeigte sich in Gesprächen mit seinem väterlichen Freund Edgar Röhricht (1892–1967) zunächst als begeisterter Anhänger des Nationalsozialismus. Die 1934 im Rahmen des „Röhm-Putsches“ begangenen Morde empörten den 19-Jährigen, letztendlich aber akzeptierte er sie. Von Oertzen absolvierte seit 1933 eine Ausbildung als Nachrichtenoffizier in Hannover, wo er zuletzt als Adjutant eines Kompaniechefs tätig war.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich diente von Oertzen 1938/39 als Adjutant beim Heeresgruppenkommando in Wien. Dort störte er sich am harschen Auftreten von Militär und SS, hielt dieses jedoch noch für vertretbar. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er als Kompaniechef im Hauptquartier des Armee-Oberkommando 12 im Frankreichfeldzug eingesetzt, diente 1940 als Lehroffizier an der Heeresnachrichtenschule in Halle an der Saale, wurde im Januar 1941 als Nachrichtenoffizier zur auf dem Balkan stationierten Panzergruppe 1 versetzt und stieß nach dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion zum Panzerarmee-Nachrichten-Regiment 1.
1942 absolvierte von Oertzen einen Generalstabslehrgang in Berlin. Im Februar 1943 in den Generalstab der Heeresgruppe Mitte versetzt, diente er als Zweiter Quartiermeister unter Henning von Tresckow (1901–1944), einem zentralen Akteur des militärischen Widerstands, dessen Persönlichkeit ihn tief beeindruckte. Von Oertzen nahm Tresckow durch seine militärischen und organisatorischen Fähigkeiten für sich ein und zählte u. a. mit Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff (1905–1980) und Fabian von Schlabrendorff (1907–1980) zu dessen engsten Vertrauten. Zudem erhielt er Kenntnis von Tresckows Plänen, Adolf Hitler (1889–1945) zu töten. Briefe an seine Frau zeigen, dass für von Oertzens Wandlung zum Widerstandskämpfer zudem Berichte aus dem kriegsgeplagten Deutschland und eine als zunehmend unerträglich empfundene NS-Propaganda entscheidend waren.
Im Herbst 1943 wurde von Oertzen auf Initiative Tresckows in das Allgemeine Heeresamt im Berliner Bendlerblock kommandiert, wo er mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907–1944) die komplexen Pläne und Befehle für den Staatsstreich ausarbeitete. Zudem war er in die v. a. von Wessel Freytag von Loringhoven (1899–1944) verantwortete Sprengstoffbeschaffung involviert. Anfang Juli 1944 wurde er unter einem Vorwand nach Berlin abkommandiert, wo er u. a. die für den Staatsstreich vorgesehenen Truppen inspizierte. Am 20. Juli 1944 agierte von Oertzen auf sich allein gestellt im Wehrkreiskommando Berlin und gab als Verbindungsoffizier des Wehrkreises Berlin die ersten „Walküre“-Befehle weiter.
Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler verhielt sich von Oertzen zunächst unauffällig. In einer ersten Vernehmung durch Generalleutnant Karl Freiherr von Thüngen (1893–1944), den Inspekteur des Heerersatzwesens, im Auftrag von General Joachim von Kortzfleisch (1890–1945), dem Befehlshaber im Wehrkreis III in Berlin, stritt er am 21. Juli ab, mit Stauffenberg bekannt zu sein, eine Sekretärin erinnerte sich jedoch an ein Treffen der beiden Männer im Herbst 1943. Um Mitwisser zu schützen und einem Verhör durch die Gestapo zu entgehen, entschloss sich von Oertzen am selben Tag zum Suizid.
1939 | Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse mit Schwertern |
1939–1944 | Verwundetenabzeichen 1939 (Stufe Schwarz); Eisernes Kreuz 1939 2. Klasse; Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern; Medaille Winterschlacht im Osten; Wehrmacht Dienstauszeichnung 4. Klasse; Bulgarien – Militärorden für Tapferkeit, 4. Klasse, 1. Stufe |
1961 | Justus-von-Liebig-Preis für Welternährung der Alfred Toepfer Stiftung F. V. S. |
1992 | Gedenktafel und Gedenkstele, Dorfkirche von Rattey, eingeweiht im Beisein von Richard von Weizsäcker (1920–2015) und Axel von dem Bussche (1919–1993). |
2019 | Gedenkveranstaltung der Familie von Oertzen in Rattey |
2020 | Stolperstein auf Schloss Spetzgart, verlegt von dem Künstler Gunter Demnig (geb. 1947). |
Nachlass:
Privatbesitz.
Tagebuch von Ingrid Simonsen (verw. von Oertzen):
Privatbesitz.
Gedruckte Quellen:
20. Juli 1944. Ein Drama des Gewissens und der Geschichte. Dokumente und Berichte, hg. v. d. Bundeszentrale für Heimatdienst Bonn, 1961.
Edgar Röhricht, Pflicht und Gewissen. Erinnerungen eines deutschen Generals 1932 bis 1944, 1965.
Hans-Adolf Jacobsen (Hg.), Spiegelbild einer Verschwörung. Die Opposition gegen Hitler und der Staatsstreich vom 20. Juli 1944 in der SD-Berichterstattung, Bd. 2, 1989.
Philipp Freiherr von Boeselager, Der Widerstand in der Heeresgruppe Mitte, in: Beiträge zum Widerstand 1933–1945, H. 40, 1990.
Horst Mühleisen, Patrioten im Widerstand. Carl-Hans Graf Hardenbergs Erlebnisbericht, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 41 (1993), H. 3, S. 419–477, bes. S. 461–464. (Onlineressource)
Reinhild Gräfin von Hardenberg, Auf immer neuen Wegen. Erinnerungen an Neuhardenberg und den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, 2002, 22005.
Philipp Freiherr von Boeselager, Wir wollten Hitler töten. Ein letzter Zeuge des 20. Juli erinnert sich, 2011.
Monografien:
Peter Hoffmann, Widerstand – Staatsstreich – Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler, 1969, 41985.
Gerd R. Ueberschär, Das Dilemma der deutschen Militäropposition, 1988. (Onlineressource)
Klaus-Jürgen Müller, 20. Juli 1944. Der Entschluß zum Staatsstreich, 1989. (Onlineressource)
Lars-Broder Keil, Hans-Ulrich von Oertzen. Offizier und Widerstandskämpfer. Ein Lebensbild in Briefen und Erinnerungen, 2005. (P)
Gerhard Ringshausen, Hans-Alexander von Voß. Generalstabsoffizier im Widerstand, 2008.
Linda von Keyserlingk-Rehbein, Nur eine „ganz kleine Clique“? Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944, 2018.
Winfried Heinemann, Unternehmen „Walküre“. Eine Militärgeschichte des 20. Juli 1944, 2019.
Henning von Buchwaldt (Hg.), Hans-Ulrich von Oertzen (1915–1944), 2020.
Aufsätze und Artikel:
Peter Steinbach/Johannes Tuchel, Art. „Oertzen, Hans-Ulrich von“, in: dies. (Hg.), Lexikon des Widerstandes 1933–1945, 2. überarb. u. erw. Aufl. 1998, S. 150.
Gerhard Ringshausen, Hans-Alexander von Voß (1907–1944). Offizier im Widerstand, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 52 (2004), H. 3, S. 361–407. (Onlineressource)
Peter Helms, Die Gedenktafel für Hans-Ulrich von Oertzen (1915–1944) in der Kirche zu Rattey, in: Mecklenburgia sacra. Jahrbuch für Mecklenburgische Kirchengeschichte 7 (2004), S. 108–111.
Peter Hoffmann, Oberst i. G. Henning von Tresckow und die Staatsstreichspläne im Jahr 1943, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55 (2007), H. 2, S. 331–364. (Onlineressource)
Lars-Broder Keil, Art. „Oertzen, Hans-Ulrich von“, in: Harald Schultze/Andreas Kurschat (Hg.), „Ihr Ende schaut an...“. Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts, 2. erw. u. verb. Aufl. 2008, S. 400–402. (P)
Peter Hoffmann, Kuriergepäck und Pistolen. Neue Quellen zu den Attentatsplänen in der Heeresgruppe Mitte im März 1943, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 56 (2008), H. 3, S. 415–430. (Onlineressource)
Antje Vollmer/Lars-Broder Keil, Hans-Ulrich von Oertzen (1915–1944). „Aber reiten muss ich selber“, in: dies. (Hg.), Stauffenbergs Gefährten. Das Schicksal der unbekannten Verschwörer, 2013, S. 117–134.
Gemälde (Öl/Leinwand) des jungen von Oertzen als Soldat v. Elisabeth von Oertzen (1887–1938), ca. 1936. Das Gemälde wurde vom Reichsministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung aufgekauft, Verbleib unbekannt.
Gemälde (Öl/Leinwand) v. Klaus Maertens (1915–1988), 1963 (nach einer Fotografie), im Besitz der Schule Schloss Salem.
Gemälde (Öl/Leinwand) v. Peggy Steike (geb. 1975), 2019 (nach einer Fotografie), im Besitz der Familie von Oertzen.