Oehme, Curt
- Lebensdaten
- 1883 – 1963
- Geburtsort
- Dresden
- Sterbeort
- Heidelberg
- Beruf/Funktion
- Internist ; Arzt ; Direktor
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 117098728 | OGND | VIAF: 59852914
- Namensvarianten
-
- Oehme, Curt Oskar Alfred
- Oehme, Curt
- Oehme, Curt Oskar Alfred
- Oehme, C.
- Oehme, Kurt
- Oehme, Kurt Oskar Alfred
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Oehme, Curt
1883 – 1963
Internist
Curt Oehme forschte als langjähriger Direktor der Medizinischen Universitäts-Poliklinik Heidelberg zu Stoffwechsel und Endokrinologie. Oehme und Hermann Paal (1899–1965) beschrieben 1930 das Hormon Thyreotropin und erkannten dessen Bedeutung für die Steuerung physiologischer Prozesse. Oehme, der dem nationalsozialistischen Regime distanziert gegenüberstand, war 1945 als Mitglied des Dreizehner-Ausschusses maßgeblich an der Wiedereröffnung der Universität Heidelberg beteiligt.
Lebensdaten
Geboren am 17. Dezember 1883 in Dresden Gestorben am 5. Oktober 1963 in Heidelberg Grabstätte Friedhof Handschuhsheim in Heidelberg Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Christian Sammer (Heidelberg)
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Zitierweise
Sammer, Christian, „Oehme, Curt“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/117098728.html#dbocontent
Nach dem Abitur 1902 in Dresden studierte Oehme Humanmedizin an den Universitäten in Freiburg im Breisgau, Leipzig und Berlin. 1908 wurde er an der Universität Freiburg im Breisgau approbiert und an der Universität Leipzig mit einer Arbeit über das Knochenmark bei Rachitis zum Dr. med. promoviert. 1909 folgte er seinem Mentor Carl Hirsch (1870–1930) an die Universität Göttingen, wo er an der Medizinischen Poliklinik arbeitete, sich 1913 für Innere Medizin habilitierte und 1918 außerordentlicher Professor wurde. Als Hirsch 1919 an die Universität Bonn wechselte, übernahm Oehme die Stelle des Oberarztes an dieser Medizinischen Universitätsklinik.
1928 ging Oehme als planmäßiger Extraordinarius für Innere Medizin an die Universität Heidelberg und wurde als Nachfolger Siegfried Tannhausers (1885–1962) Direktor der Medizinischen Universitäts-Poliklinik. Auf Betreiben Ludolf von Krehls (1861–1937) erhielt Oehme 1932 Titel und Rechte eines Ordinarius. Trotz mehrfacher Versuche gelang es ihm und der Medizinischen Fakultät nicht, sein Ordinariat in einen ordentlichen Lehrstuhl umzuwidmen und ihn mit dem Direktor der Medizinischen Klink gleichzustellen.
In den Auseinandersetzungen der in den 1920er Jahren konstatierten Krise der Medizin zwischen individualisierender und standardisierender Therapie einerseits und Schul- und Heterodoxer Medizin andererseits verwies Oehme in seiner Heidelberger Antrittsvorlesung 1928 auf einen Mittelweg der prognostischen Erkenntnis. Die ärztliche Prognose rekurriere genauso auf ein objektiviertes medizinisches Wissen wie sie den jeweiligen menschlichen Einzelfall verstehend ernst nehmen müsse. Oehme arbeitete experimentell wie praktisch-klinisch; in seinen Habilitationsgutachten für die Medizinische Fakultät Heidelberg achtete er auf kontrollierte klinische Beobachtungen in für (Vergleichs-)Urteile ausreichender Zahl.
Oehme forschte in Heidelberg mit seinem Team, darunter Hermann Paal (1899–1965), zu Erkrankungen des Stoffwechsels und zu Hormonen. Sie wiesen 1930 den Zusammenhang zwischen Hypophyse und Schilddrüse durch die Beschreibung des Hormons Thyreotropin nach und zeigten den klinisch-diagnostischen Nutzen entsprechender Labortests auf das Hormon (Reid-Hunt-Reaktion). Diese Erkenntnisse standen im Kontext zu den seit den 1920er Jahren stattfindenden Forschungen zu Enzymen, Hormonen und Vitaminen. Ebenfalls forschten Oehme und seine Mitarbeiter zur Ernährungsphysiologie von Eiweißen sowie – v. a. nach 1945 – zur psychosomatischen Dimension von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Oehme wurde kein registriertes Mitglied der NSDAP, jedoch 1933 Fördermitglied der SS, Anwärter des NS-Ärztebunds, Mitglied der NS-Studentenkampfhilfe und NS-Volkswohlfahrt. Der Rektor der Universität Heidelberg, Wilhelm Groh (1890–1964), sprach sich 1936 gegen eine geplante Berufung Oehmes an die Universität Halle-Wittenberg aus. Da Oehme nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als unbelastet galt, was ein Spruchkammerverfahren 1947 bestätigte, wurde er Mitglied des Dreizehner-Ausschusses, der zwischen April und Dezember 1945 eine demokratische Universitätssatzung ausarbeitete.
In seiner Funktion als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) war Oehme 1948/49 beteiligt an entlastenden Gutachten zum Nürnberger Ärzteprozess. In den ersten Nachkriegsjahren kritisierte er die biologistisch begründete Eugenik, die Krankenmorde und das rücksichtslose Erkenntnisstreben der Medizin zwischen 1933 und 1945 öffentlich, wobei er diese Position nach 1949 nicht nur zunehmend beschwieg, sondern stellenweise auch öffentlich revidierte und bspw. 1952 die Meerwasserversuche im Konzentrationslager Dachau rechtfertigte.
Oehme förderte die Etablierung der Psychosomatik als Vorsitzender der DGIM bei deren Jahrestagung 1949 und durch die Unterstützung seines Schülers Alexander Mitscherlich (1908–1982) in den Auseinandersetzungen um dessen Dokumentation des Nürnberger Ärzteprozesses oder denen innerhalb der Medizinischen Fakultät um die Institutionalisierung der Psychosomatik. Nach seiner Emeritierung 1952 vertrat sich Oehme für ein Jahr auf seinem ehemaligen Lehrstuhl selbst und führte bis 1963 eine Privatpraxis im Heidelberger St.-Josephs-Krankenhaus.
1937 | Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (1951–1953 Präsident) |
1948/49 | Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (1957 Ehrenmitglied) |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Universitätsarchiv Heidelberg, Personal- und Quästurakten PA 1096; 5 205, Akte zur Mitgliedschaft in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Akte „verstorbene Mitglieder“ der Vereinigung der Freunde der Studentenschaft u. Rep. 10-2, Akten Bauer, Dreizehner Ausschuss. (P)
Generallandesarchiv Karlsruhe, 465 q Nr. 20 255. (Spruchkammer Heidelberg)
Universitätsarchiv Göttingen, 5 099, Privatdozentur Prof. Dr. Curt Oehme, 1913–1919. (Personalakte)
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76, Va Nr. 10 060.
Universitätsarchiv Bonn, MF-PA 245, Personalakte Curt Oehme, 1919–1928.
Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg im Breisgau, PERS 6/18 934. (Personalakte) (weiterführende Informationen)
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 4901/13 273 (Hochschullehrerkartei Oehme, Curt Oskar Alfred, 1934–1939) u. R 73/13 455. (Förderakte Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft Oehme, Curt 1933–1944) (weiterführende Informationen)
Monografien:
Über die Beziehung des Knochenmarks zum neugebildeten, kalklosen Knochengewebe bei Rachitis, 1908. (Diss. med.)
Der Energiehaushalt unter Einwirkung von Aminosäuren bei verschiedener Ernährung. T. 1: Der Einfluss des Glykokolls bei Hund und Ratte, 1940.
Am Wege gewachsen. Paralipomena, 1961.
Artikel:
Carl Hirsch, dem Bonner Kliniker, zum 60. Geburtstag, in: Medizinische Klinik 26 (1930), S. 451.
Über traumatische Venenthrombose an der oberen Extremität, in: ebd., S. 472–474.
Curt Oehme/Hermann Paal, Untersuchungen mittels der Reid-Huntschen Reaktion besonders bei Asthma bronchiale, in: ebd., S. 454–457.
Über den Beginn der Hyperthyreosen, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 57 (1931), S. 1845–1848.
Curt Oehme/Hermann Paal/Hugo Otto Kleine, Die Reid-Hunt-Reaktion. Schilddrüse und Hypophysenvorderlappen, in: Klinische Wochenschrift 11 (1932), S. 1449–1451.
Curt Oehme/Hermann Paal, Die Reid-Hunt-Reaktion. Klinisches und Experimentelles, in: Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde 44 (1932), S. 214–256.
Zur Beurteilung antithyreoidaler Wirkungen, insbesondere des Glykokolls, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 63 (1937), S. 1573–1576.
Lokalisationsprinzip und Funktionsanalyse im vegetativen Gebiet, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 70 (1944), S. 263–267.
Das ärztliche Gesetz, in: Die Wandlung 1 (1945/46), S. 323–333.
Das Medizinische Experiment am Menschen, in: Die Wandlung 2 (1946/47), S. 484–491.
Eröffnungsansprache des Vorsitzenden, in: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 55 (1949), S. 1–12.
Etwas vom Ausdruck, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 75 (1950), S. 1500–1505.
Die Bedeutung der Interpretation in der praktischen Medizin am Beispiel der an sogenannter Angina pectoris Leidenden dargestellt, in: Ärztliche Wochenschrift 13 (1958), S. 73–75.
Friedrich Bahner, Curt Oehme †, in: Ruperto Carola 34 (1963), S. 199. (P)
Karl-Heinrich Bauer, Curt Oehme. Nachruf, in: Jahrbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1963/64 (1965), S. 53–55.
Dagmar Drüll, Art. „Oehme, Oskar Curt Alfred“, in: dies. (Hg.), Heidelberger Gelehrtenlexikon. 1803–1932, 22019, S. 579 f.
Axel W. Bauer, Innere Medizin, Neurologie und Dermatologie, in: Wolfgang Uwe Eckart/Volker Sellin/Eike Wolgast (Hg.), Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, 2006, S. 719–810.
Ralf Forsbach/Hans-Georg Hofer, Internisten in Diktatur und junger Demokratie. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin 1933–1970, 2018.
Ralf Forsbach, Der Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin als Erinnerungsort der deutschen Internisten, in: Medizinhistorisches Journal 55 (2020), H. 3, S. 260–279.
Hans-Georg Hofer, Kausalität, Evidenz und Subjektivität. Paul Martinis Methodenkritik der Psychosomatischen Medizin, in: NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 29 (2021), H. 4, S. 387–416.
Fotografie, 1928, Universitätsarchiv Heidelberg.