Ziemssen, Hugo
- Lebensdaten
- 1829 – 1902
- Geburtsort
- Greifswald
- Sterbeort
- München
- Beruf/Funktion
- Internist ; Pathologe ; Arzt
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 117597457 | OGND | VIAF: 37697857
- Namensvarianten
-
- Ziemssen, Hugo Wilhelm
- seit 1871: von Ziemssen, Hugo Wilhelm
- Ziemssen, Hugo
- Ziemssen, Hugo Wilhelm
- seit 1871: von Ziemssen, Hugo Wilhelm
- Ziemssen, Hugo von
- Ziemssen v.
- Ziemssen von
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- Ziemssen, H. von
- Ziemssen, Hugo W. von
- Ziemssen, Hugo Wilhelm von
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- Adolf Eckstein (1842–1904)
- Felix von Niemeyer (1820–1871)
- Friedrich Albert von Zenker (1825–1898)
- Heinrich Haeser (1811–1885)
- Hermann Rieder (1858–1932)
- Hugo Ruehle (1824–1888)
- Max Stumpf (1852–1925)
- Max von Pettenkofer (1818–1901)
- Oskar Panizza (1853–1921)
- Paul Krabler (1841–1907)
- Rudolf Virchows (1821–1902)
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Ziemssen, Hugo Wilhelm (seit 1871 von Ziemssen)
1829 – 1902
Internist, Pathologe
Hugo von Ziemssen, einer der bedeutendsten Mediziner des 19. Jahrhunderts, brachte erstmals mit der 1878 erfolgten Gründung eines Medizinisch-Klinischen Instituts in München medizinisch-naturwissenschaftliche Forschung und ärztliche Praxis vorbildhaft zusammen. Er erkannte früh die Bedeutung der Prävention von Krankheiten, was sich in seinem statistischen Beweis der Effizienz der Pettenkoferschen Hygienemaßnahmen zur Seuchenbekämpfung zeigt.
Lebensdaten
Geboren am 13. Dezember 1829 in Greifswald Gestorben am 21. Januar 1902 in München Grabstätte Alter Südlicher Friedhof in München Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Werner E. Gerabek (Würzburg)
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Zitierweise
Gerabek, Werner E., „Ziemssen, Hugo“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/117597457.html#dbocontent
Nach dem Abitur 1848 am Humanistischen Gymnasium in Greifswald studierte Ziemssen Medizin an den Universitäten in Greifswald, Berlin (1849) und Würzburg (1850/51), wo er als Privatassistent Rudolf Virchows (1821–1902) arbeitete. Von 1852 bis 1854 setzte er sein Studium an der Universität Greifswald fort und wurde hier 1854 mit der Dissertation „De gangraenae nosocomialis historia et literatura“ (1853) zum Dr. chir. et med. promoviert. 1852/53 arbeitete Ziemssen als Volontärassistent an der Geburtshilflichen Klinik in Greifswald und bestand 1854 in Berlin das medizinische Staatsexamen.
Danach war Ziemssen bis 1861 in Greifswald unter Heinrich Haeser (1811–1885), dann unter Felix von Niemeyer (1820–1871) und Hugo Ruehle (1824–1888) Assistent an der Medizinischen Klinik. 1856 mit der Arbeit „Die Electricität in der Medicin“ für Medizin habilitiert, wurde Ziemssen zum Privatdozenten und 1861 zum außerordentlichen Professor für Medizin und Leiter der Poliklinik an der Universität Greifswald ernannt. Zugleich war er amtlich bestellter Pockenarzt.
1863 wurde Ziemssen als Professor für Klinische Medizin an die Universität Erlangen berufen, wo er den Lehrstuhl für Spezielle Pathologie und Therapie erhielt und die Leitung der Medizinischen Klinik und Poliklinik übernahm. 1864 lehnte er einen Ruf nach Greifswald ab sowie später Rufe nach Basel, Bern, Dorpat (Russland, heute Tartu, Estland), Jena, Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland), Gießen und Breslau (Schlesien, heute Wrocław, Polen).
Während des Deutsch-Französischen Kriegs führte Ziemssen 1870 einen Sanitätszug nach Frankreich und arbeitete in Metz (Lothringen, heute Frankreich) in verschiedenen Krankenhäusern. 1874 wurde er zum ordentlichen Professor für Specielle Pathologie und Therapie und Direktor der 2. Medizinischen Klinik (Städtisches Allgemeines Krankenhaus oder Klinikum links der Isar) nach München berufen und war von 1885 bis zu seinem Tod Direktor der 1. Medizinischen Klinik. In München wirkte er als Geheimer Rat, Obermedizinalrat sowie Vorstand des Medizinalkomitees und rief die bereits 1868 in Erlangen eingeführte Institution der „Unterärzte“ ins Leben, die fortgeschrittenen Medizinstudenten praktische klinische Erfahrungen ermöglichte. Des Weiteren intensivierte er die Ausbildung in der Laryngologie, Otologie und Dermatologie. Die bauliche Umsetzung seines wissenschaftlichen Programms gelang Ziemssen 1878 mit der Gründung des Medizinisch-Klinischen Instituts im Krankenhaus links der Isar, das erstmals in Deutschland medizinisch-naturwissenschaftliche experimentelle Forschung mit ärztlicher Ausbildung verband. Dieses Institut war beispielhaft für andere Universitäten; so wurde 1879 in Leipzig ein ähnliches Klinisches Institut gegründet. Ziemssens Beschäftigung mit physikalischen, hydrotherapeutischen und elektrischen Heilverfahren führte 1898 in München zur Gründung des Lehrstuhls für Physikalische Therapie und Röntgenologie.
1862 veröffentlichte Ziemssen die Monografie „Pleuritis und Pneumonie im Kindesalter“ sowie 1863 mit Paul Krabler (1841–1907) die auf medizinischen Statistiken der großen Greifswalder Masernepidemie von 1861 basierende Stdudie „Klinische Beobachtungen über die Masern und ihre Complicationen“. 1866 begründete er in Erlangen mit Friedrich Albert von Zenker (1825–1898) die Fachzeitschrift „Deutsches Archiv für klinische Medicin“, die bis 1965 erschien und eine der bedeutendsten medizinischen Zeitschriften war. 1874 rief Ziemssen als Herausgeber das „Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie“ (17 Bde.) ins Leben, in dem zahlreiche Autoren das medizinische Wissen zusammenfassten. Ziemssen verfasste die Beiträge „Croup“ (Bd. 4, mit Johann Steiner), „Krankheiten des Oesophagus“ (Bd. 7, mit Zenker), „Chorea“ (Bd. 12), „Die Krankheiten des Kehlkopfes“ (Bd. 5), „Meningitis cerebro-spinalis-epidemica“ (Bd. 2) und „Physiologie der Haut“ (Bd. 14). Wegweisend waren seine Arbeiten zur Elektrophysiologie, insbesondere zur Wirkung der Elektrizität auf das Herz.
Als Verfechter der experimentell-naturwissenschaftlichen medizinischen Forschung realisierte Ziemssen dieses Konzept in der Weiterentwicklung des Krankenhauswesens (Neugestaltung des städtischen Krankenhauses links der Isar), mit der Reform des klinischen Unterrichts und in der Forschung, in dem er Krankheitsbilder hinsichtlich Pathophysiologie, Verlauf und Therapie erforschte und physikalische Methoden der Elektrodiagnostik v. a. bei Herzerkrankungen und der Hydrotherapie einführte. Als Angehöriger des Gesundheitsrats der Stadt München reorganisierte Ziemssen mit Max von Pettenkofer (1818–1901) erfolgreich und nach Gesichtspunkten der medizinischen Hygiene die Abwasserbeseitigung der Stadt. Zu seinen Schülern zählen der Internist und Radiologe Hermann Rieder (1858–1932), seit 1898 Direktor des in München neugeschaffenen Instituts für Physikalische Therapie und Röntgenologie (Rieder-Institut), der Münchner Gynäkologe Max Stumpf (1852–1925) sowie der Psychiater, Schriftsteller und Satiriker Oskar Panizza (1853–1921).
1865 | Ritter des Bayerischen Verdienst-Ordens vom Heiligen Michael, 1. Klasse |
1871 | Ritter des Verdienst-Ordens der Bayerischen Krone (persönlicher Adel) |
1880 | Obermedizinalrath |
1884 | Ehrenmitglied der Universität Kiew |
1884 | Ehrenmitglied der russischen Militär- und Sanitäts-Akademie |
1885 | Bayerischer Geheimer Rat |
1885 | Ehrenmitglied der Physikalisch-Medicinischen Gesellschaft, Würzburg |
1885 | Komturkreuz des kaiserlich-österreichischen Franz-Joseph-Ordens |
1890 | Ehrenmitglied der Gesellschaft der Wiener Ärzte |
1891 | Russischer St. Stanislausorden I. Klasse |
1896 | Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte |
1898 | Ehrenmitglied der Russischen Gesellschaft der Ärzte, St. Petersburg |
1899 | Königlicher Preußischer Kronenorden II. Klasse mit dem Stern |
1899 | Ehrenbürger der Stadt München |
1903 | Ziemssenstraße, München (weiterführende Informationen) |
2002 | Hugo-von-Ziemssen-Posterpreis der Medtronic GmbH, verliehen anlässlich der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung Herztage (weiterführende Informationen) |
Hugo Wilhelm von Ziemssen-Preis für herausragende medizinische Publikationen der Münchner Medizinischen Klinik Innenstadt (zweijährlich) |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Universitätsarchiv Greifswald, PA 612, 1856–1863. (Personalakte)
Universitätsarchiv Erlangen, A2/1 Nr. Z7, 1863–1875. (Personalakte)
Universitätsarchiv München, E-II-545, 1874-1902. (Personalakte)
Hauptstaatsarchiv München, MINN 6 1247, 1863-1902. (Personalakte)
Monografien:
De gangraenae nosocomialis historia et literatura, 1853. (Diss. chir. et med.)
Die Electricität in der Medicin, 1857, 51887. (Habilitationsschrift) (Onlineressource)
Hugo Ziemssen/Hermann Immermann, Die Kaltwasserbehandlung des Typhus abdominalis, 1870.
Ueber die Behandlung des einfachen Magengeschwürs, 1871.
Über die Aufgaben des Klinischen Unterrichts und der Klinischen Institute. Rede bei der Eröffnung des Klinischen Instituts der Königlichen Universität München am 8. Juni 1878, 1878. (Onlineressource)
Pharmacopoea clinica, 1883.
Handbuch der Hautkrankheiten, 1884.
Herausgeberschaften:
Deutsches Archiv für klinische Medicin.
Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie, 17 Bde., 1874–1885, 31886–1888, engl. u. d. T. Cyclopaedia of the Practice of Medicine, 20 Bde., 1874–1881.
Annalen der städtischen Krankenhäuser zu München, 1878 ff.
Max von Pettenkofer/Hugo von Ziemssen, Handbuch der Hygiene und der Gewerbekrankheiten, 3 Bde., 1882–1894.
Handbuch der allgemeinen Therapie, 2 Bde. in 6 Teilen, 1880–1883.
Klinische Vorträge, 29 Bde., 1887–1900.
N. N., Festschrift Herrn Geheimrath Dr. Hugo von Ziemssen, Professor in München, zur Vollendung seines 70. Lebensjahres gewidmet, 1899.
N. N., Art. „Ziemssen, Hugo von“, in: Julius Pagel (Hg.), Biographisches Lexikon, hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts, 1901, Sp. 1899–1901. (P)
Max Neuburger, Ziemssen, Hugo von, in: Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog. Bd. VII, 1905, S. 43–48.
Brigitte Hoffmann, Hugo Wilhelm von Ziemssen (1829–1902). Eine Biobibliographie, 1972.
Renate Wittern/Astrid Ley, Art. „Ziemssen, Hugo Wilhelm von“, in Renate Wittern (Hg.), Die Professoren und Dozenten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. 1743–1960, Bd. 2: Medizinische Fakultät, 1999, S. 225 f.
Wolfgang G. Locher, Art. „Ziemssen, Hugo Wilhelm von“, in: Werner E. Gerabek/Bernhard D. Haage/Gundolf Keil/Wolfgang Wegner (Hg.), Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 2005, S. 1529 f.
Angelika Pierson, Hugo Wilhelm v. Ziemssen (1829–1902). Die wissenschaftlichen Arbeiten, 2007. (Onlineressource)
Heliogravüre v. Adolf Eckstein, 1902, Bildarchiv BSB München.