Wetzel, Rudi
- Lebensdaten
- 1909–1992
- Geburtsort
- Rechenberg-Bienenmühle (Sachsen)
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Journalist ; Chefredakteur ; Pressefunktionär ; Politiker
- Konfession
- evangelisch-lutherisch, später konfessionslos
- Normdaten
- GND: 128557982 | OGND | VIAF: 3528422
- Namensvarianten
-
- Wetzel, Paul Rudolf
- Wernau, B. / Pseudonym
- Scharf, Karl / Pseudonym
- Richter, Max / Pseudonym 1943–1945
- Wetzel, Rudi
- Wetzel, Paul Rudolf
- Wernau, B. / Pseudonym
- Scharf, Karl / Pseudonym
- Richter, Max / Pseudonym 1943–1945
- Wetzel, Paul Rudolph
- Scharf, Carl / Pseudonym
- Richther, Max / Pseudonym 1943–1945
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Wetzel, Rudi (eigentlich Paul Rudolf Wetzel)
Pseudonyme: B. Wernau; Karl Scharf; Max Richter (1943–1945)
1909 – 1992
Rudi Wetzel war ein Gegner des Nationalsozialismus, kritischer Marxist und einflussreicher Journalist im ersten Jahrzehnt der DDR. Er leitete von 1953 bis 1957 den Verband der Deutschen Presse und war im selben Zeitraum Chefredakteur der auflagestarken Wochenzeitung „Wochenpost“. Nach Kritik an der Pressepolitik der SED-Führung verlor er 1957 seine Ämter, konnte aber als Wissenschaftsjournalist weiterarbeiten. Seit 1975 wirkte er an dem Buch „Die Alternative“ (1977) des mit ihm befreundeten Dissidenten Rudolf Bahro (1935–1997) mit.
Lebensdaten
Rudi Wetzel (InC) -
Autor/in
→Michael F. Scholz (Visby, Schweden)
-
Zitierweise
Scholz, Michael F., „Wetzel, Rudi“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/128557982.html#dbocontent
Wetzel wuchs in einem nach dem Ersten Weltkrieg pazifistisch und kommunistisch orientierten Elternhaus in Rechenberg (Sachsen) auf und fand in dem Arbeiterführer Max Hoelz (1889–1933) ein prägendes Vorbild. Seit 1923 besuchte er die Freiherrlich von Fletchersche Aufbauschule in Dresden, die auch begabte Arbeiterkinder aufnahm, und studierte seit 1929 Pädagogik an der TH Dresden, ohne einen Abschluss zu erlangen. Zunächst Mitglied der SPD, schloss Wetzel sich im März 1931 der KPD an, nachdem die SPD-Fraktion im Reichstag die Bewilligung der Mittel für den Panzerkreuzerbau nicht verhindert hatte. Im selben Jahr wurde Wetzel Vorsitzender der kommunistischen Studentenfraktion und konzentrierte sich während seines Studiums v. a. auf politische Arbeit gegen die NSDAP, die er auch nach der nationalsozialistischen Machtübernahme fortsetzte.
Wetzel wurde im Januar 1934 inhaftiert, am 27. Oktober 1934 wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom Oberlandesgericht Dresden zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, danach in „Schutzhaft“ genommen und in das Konzentrationslager Sachsenburg verbracht, aus dem er Ende Juli 1937 frei kam. Von erneuter Verhaftung bedroht, emigrierten er und seine als jüdische Kommunistin besonders gefährdete Ehefrau kurz darauf über Ungarn, Österreich und die Schweiz nach Paris, wo sie von der Exil-Leitung der KPD die Genehmigung erhielten, nach Schweden zu gehen.
Zunächst in Kingston upon Hull (Yorkshire, England) zum Elektroschweißer ausgebildet, war Wetzel seit März 1938 in Jönköping (Schweden) arbeitstätig und engagierte sich in der Göteborger Parteigruppe der Exil-KPD. Auf seine Initiative sandte diese im Juli 1940 als Kritik am deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom August 1939 die sog. Göteborger Resolution nach Moskau, wodurch Wetzel in Konflikt mit der dortigen KPD-Führung geriet und innerhalb seiner Partei isoliert wurde. Seit Oktober 1942 unter Chefredakteur Jakob Rosner (1890–1970) für die in Stockholm publizierte kommunistische Wochenzeitung „Die Welt“ tätig, wurde Wetzel 1943 wieder in die Parteiarbeit einbezogen und arbeitete bis November 1945 als Redaktionssekretär und Autor für die führende deutschsprachige Exilzeitschrift in Schweden, „Politische Information“. Im Oktober 1944 verlor er die deutsche Staatsbürgerschaft, nachdem er Forderungen der deutschen Gesandtschaft in Stockholm abgelehnt hatte, nach Deutschland zurückzukehren und seine jüdische Ehefrau zu verlassen.
Im Januar 1946 übersiedelte Wetzel in die Sowjetische Besatzungszone und wurde in Berlin-Ost als Hauptreferent in der Abteilung Presse-Rundfunk-Information im Parteiapparat sowie seit 1947 als Leiter der SED-Auslandspressestelle verwendet. Nach einer Kaderausbildung an der von Paul Lenzner (1884–1955) und Rudolf Lindau (1888–1977) geleiteten Parteihochschule des Zentralkomitees der SED in Kleinmachnow (Brandenburg) 1949/50 wurde Wetzel 1950 Chefredakteur des SED-Funktionärsblatts „Neuer Weg“ und 1953 der „Friedenspost“. Im selben Jahr wurde er zum Vorsitzenden des Verbands der Deutschen Presse gewählt und war in dieser Funktion Mitglied des Präsidiums der Internationalen Organisation der Journalisten.
Als die politische Führung nach dem Volksaufstand vom Juni 1953 eine gegenüber der Bevölkerung konziliantere Pressearbeit befürwortete, wurde im Dezember desselben Jahres auf Initiative des sowjetischen Hohen Kommissars Wladimir Semjonow (1911–1992) die „Wochenpost“ gegründet, die rasch mit einer Auflage von über einer Million Exemplaren zur beliebtesten Wochenzeitung der DDR avancierte. Unterstützt von seinen Stellvertretern – Erich Böhm (1902–1987), seit 1954 Herbert Bergner (1907–1987) – und von einer Redaktion, der u. a. Rudolf Hirsch (1907–1998), Heinz Knobloch (1926–2003) und Günter Stillmann (1912–1986) angehörten, verantwortete Wetzel als Chefredakteur der „Wochenpost“ ein Blatt, das die (Bildungs-)Interessen der v. a. bürgerlichen Leserschaft bediente und im Rahmen des Möglichen Kritik an der SED übte, zugleich aber – obschon vergleichsweise zurückhaltend – dem Parteiauftrag folgte, die Vorzüge des Sozialismus zu propagieren. Am 27. Oktober 1956 verfasste Wetzel aus Protest gegen die Haltung der SED-Führung zu den Volkserhebungen in Polen und Ungarn einen Brief an das Politbüro des Zentralkomitees der SED, in dem u. a. die Verbreitung ausschließlich „wahrheitsgetreuer Informationen“ gefordert wurde. Daraufhin musste er im Januar 1957 seine Ämter niederlegen.
Von 1959 bis 1964 war Wetzel Mitglied der Redaktion des populärwissenschaftlichen Magazins „Urania“. Er veröffentlichte in der DDR u. a. Reportagen über Schweden sowie in schwedischen Zeitschriften Reportagen über die DDR. Sein 1967 in der „Wochenpost“ veröffentlichter Artikel „Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm?“ über den Zusammenhang von Technikentwicklung und Sozialismus lässt sich als Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR verstehen. Spätestens seit 1968 stand Wetzel unter ständiger Kontrolle des Ministeriums für Staatssicherheit. Als Freund des Dissidenten Rudolf Bahro (1935–1997) wirkte er seit 1975 an der Redaktion von dessen aufsehenerregendem Buch „Die Alternative“ (1977) mit, blieb nach Bahros Verhaftung aber relativ unbehelligt. Im Januar 1990 wurde Wetzel von dem außerordentlichen Kongress des Verbands der Journalisten der DDR rehabilitiert.
1954 | Medaille für ausgezeichnete Leistungen (staatliche Auszeichnung der DDR) |
1955 | Vaterländischer Verdienstorden in Bronze |
1958 | Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus 1933 bis 1945 |
Nachlass:
Museum Lichtenberg, Stadthaus Berlin.
Weitere Archivmaterialien:
Sächsisches Staatsarchiv, 30 071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 16 947. (Urteil des Oberlandesgerichts Dresden gegen Wetzel v. 27.10.1934)
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, SAPMO, DY 30/IV 2/4/116. (Akten der Zentralen Parteikontrollkommission, Überprüfung des KPD-Exils in Skandinavien)
Riksarkivet [Reichsarchiv], Stockholm. (Personendossiers)
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, SAPMO, RY 1/I 1/2/3. (Angelegenheit Göteborg)
Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin, RZ 214_099 989_486. (Ausbürgerungsliste 346 v. 21.10.1944).
Der Mann im Lodenmantel. Geschichte aus den Dreißigern, 1978, 21980. (autobiografische Novellen)
N. N., Art. „Wetzel, Rudi“, in: Werner Röder/Herbert A. Strauss (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, 1980, S. 815.
Karl-Heinz Baum, Kopf hoch und nicht die Hände, ist sein Motto, in: Frankfurter Rundschau v. 10.1.1989.
Roland Heck, Porträt von Rudi Wetzel, 1990. (ungedr. Manuskript, Museum Lichtenberg)
Michael F. Scholz, Rudi Wetzel. Schicksal eines ehemaligen Schweden-Emigranten in der SBZ/DDR, in: Exil 12 (1992), Nr. 2, S. 53–66.
Roland Reck, Wasserträger des Regimes. Rolle und Selbstverständnis von DDR-Journalisten vor und nach der Wende 1989/90, 1995, bes. S. 60–66.
Klaus Polkehn, Das war die „Wochenpost“. Geschichte und Geschichten einer Zeitung, 1997, S. 12–57. (P)
Michael F. Scholz, Skandinavische Erfahrungen erwünscht? Nachexil und Remigration. Die ehemaligen KPD-Emigranten in Skandinavien und ihr weiteres Schicksal in der SBZ/DDR, 2000, S. 58, 77, 80, 109 f.,119–121,144 f.,184, 202–208, 218–220, 255–258, 341–345 u. 380.
Guntolf Herzberg/Kurt Seifert, Rudolf Bahro. Glaube an das Veränderbare. Eine Biographie, 2002, bes. S. 140 f. u. 144 f.
Michael F. Scholz, Art. „Wetzel, Rudi“, in: Helmut Müller-Enbergs/Jan Wielgohs/Dieter Hoffmann (Hg.), Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon, 2010, S. 912. (Onlineressource)
Alexander Amberger, Bahro – Harich – Havemann. Marxistische Systemkritik und politische Utopie in der DDR, 2014, S. 144.
Alexander Petrusek, The Practice of Ideals. Erich Honecker, Rudolf Bahro, and East Germany’s Socialist Imaginary, in: Central European History 55 (2022), S. 223–241.
Fotografien, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Informationssystem Widerstand. 7 2038a u. 7 2062.
Fotografie, ca. 1955, Abbildung in: Klaus Polkehn, Das war die „Wochenpost“. Geschichte und Geschichten einer Zeitung, 1997, S. 23.