Rössle, Robert
- Lebensdaten
- 1876 – 1956
- Geburtsort
- Augsburg
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Pathologe ; Arzt
- Konfession
- unbekannt
- Normdaten
- GND: 118602055 | OGND | VIAF: 56674994
- Namensvarianten
-
- Roessle, Robert
- Rössle, Robert
- Roessle, Robert
- Rössle, Robert
- Rößle, Robert
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Rössle, Robert (auch Roessle)
1876 – 1956
Pathologe
Robert Rössle leistete international anerkannte Pionierarbeit auf den Gebieten der Alters-, Allergie-, Entzündungs- und Krebsforschung. Er gilt als Mitbegründer der Immunpathologie, prägte den Begriff Pathergie und setzte didaktische Maßstäbe in der medizinischen Ausbildung. Im „Dritten Reich“ war er in NS-Medizinverbrechen involviert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war er maßgeblich an der Wiedereröffnung der Akademie der Wissenschaften und der Charité in Berlin beteiligt.
Lebensdaten
Geboren am 19. August 1876 in Augsburg Gestorben am 21. November 1956 in Berlin Konfession evangelisch-lutherisch, später konfessionslos -
Autor/in
→Christian Faludi (Jena)
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Zitierweise
Faludi, Christian, „Rössle, Robert“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118602055.html#dbocontent
Rössle studierte nach dem Abitur in Augsburg 1895 Medizin an den Universitäten München, Kiel und Straßburg (Elsass, heute Strasbourg, Frankreich). Nach der Promotion und dem medizinischen Staatsexamen im Jahr 1900 ging er auf Weltreise. 1904 habilitierte er sich für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie an der Universität Kiel. Zwei Jahre später wechselte Rössle an die Universität München, ehe er 1911 einen Ruf an die Universität Jena erhielt. Als Ordinarius und Direktor des Pathologischen und Anatomischen Instituts modernisierte er dieses und begleitete von 1912 bis 1914 den von seinem Vorgänger Hermann Dürck (1869–1941) initiierten Institutsneubau nahe der Landesheilanstalten in der Westvorstadt. 1913 kam es zwischen Rössle und dem Gynäkologen Max Henkel (1870–1941) zu Auseinandersetzungen, weil dieser Leichname Neugeborener nicht in die Anatomie überführen wollte. Ferner stellte Rössle bei der Untersuchung von in der Frauenklinik verstorbenen Patientinnen Auffälligkeiten in Bezug auf fehlerhafte Behandlungen fest, aufgrund derer er 1915 eine Anzeige gegen Henkel initiierte, die zu dessen Suspendierung führte. Der Fall sorgte überregional für ein erhebliches Medieninteresse.
1922 folgte Rössle einem Ruf nach Basel und 1929 an die Berliner Charité. Während des Nationalsozialismus galt er als der führende Pathologe. Rössle war kein Mitglied der NSDAP, kündigte aber frühzeitig jüdischen Mitarbeitern und stellte sich u. a. als Mitglied im Senat des Heeressanitätswesens seit 1934/35 wissenschaftlich in den Dienst des Regimes. Ferner profitierte er vom Auswanderungs- und Verkaufsdruck auf jüdische Grundeigentümer. Seit 1942 war Rössle offenbar in Projekte der Luftwaffenforschung im Konzentrationslager Dachau involviert, die auch auf Versuchen an Menschen zur Auswirkung von Unterdruckbedingungen basierten. Überdies ließ er sich für seine Krebsforschung zahlreiche an Tumorerkrankungen leidende Menschen überstellen und für seine Experimente mit Organen Zwangssterilisierter versorgen. Als Mitherausgeber der „Zeitschrift für menschliche Vererbungs- und Konstitutionslehre“ von 1935 bis mindestens 1942 war er an der Verbreitung der NS-Rassenlehre beteiligt und als Oberkriegsarzt seit 1944 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Generalkommissars für das Sanitäts- und Gesundheitswesen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligte sich Rössle an der Wiedereröffnung der Akademie der Wissenschaften und der Charité Berlin. Er lehrte weiter an der Humboldt-Universität und arbeitete bis 1953 als Prosektor im Wenckebach-Krankenhaus Berlin-Tempelhof. Für seine Medizinverbrechen im „Dritten Reich“ wurde er nie zur Rechenschaft gezogen.
Rössle verfasste rund 300 fachübergreifende Publikationen und leistete international anerkannte Forschungsbeiträge auf den Gebieten der Alters-, Allergie-, Entzündungs- und v. a. der Krebsforschung. In der Entzündungsforschung führte Rössle den Begriff der „serösen Entzündung“ in die Krankheitslehre ein und beschrieb detailliert Entzündungsverläufe an zahlreichen Organen. In der Krebsforschung gelang es ihm, Stufen der Malignität aufzustellen. Zahlreiche Krankheitsbilder in den genannten Bereichen wurden von ihm maßgeblich gedeutet; zur Pathologie der Entzündungen und zu den morphologischen Grundlagen der Allergielehre machte er mit seinen mikroskopischen Untersuchungen zelluläre Strukturen und molekulare Mechanismen sichtbar, z. B. zur Pathologie der Leber und zum Arthus-Phänomen. Der die krankhaft erworbene, gesteigerte oder verminderte Empfindlichkeit eines Organismus umfassende Begriff Pathergie wurde von ihm geprägt. Rössle erkannte überdies als einer der ersten die Bedeutung der Immunpathologie.
1934 | Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften Berlin (1946/47 Sekretar der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse und 1949 der Klasse für Medizinische Wissenschaften) |
1936 | Mitglied der Leopoldina |
1941 | Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern |
1949 | Nationalpreis der DDR |
1950 | Dr. med. vet. h. c., Universität Berlin-Ost |
1952 | Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland |
1952 | Dr. rer. nat. h. c., Universität Kiel |
1960 | Robert-Rössle-Klinik, Berlin-Buch |
1974 | Robert-Rössle-Straße, Berlin-Buch |
1988 | Robert-Rössle-Institut, Institut für Pathologische Anatomie der Universität Jena |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weiterführende Archivmaterialien:
Universitätsarchiv Jena, L Nr. 442 a und b. (Auseinandersetzung Rössle/Henkel)
Universitätsarchiv Jena, D Nr. 2425. (Personalakte)
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 73/14042 (Unterlagen zur Tumorforschung, 1937–1938) u. R 4901/20539. (Personalakte, Laufzeit 1933–1944)
Universitätsarchiv Humboldt-Universität Berlin, PAnach1945: Rössle, Robert Bd. 1–3. (Personalakte, Laufzeit 1929–1956)
Das Wachstum der Schulkinder, 1924.
Entzündungen der Leber, 1930.
Maß und Zahl in der Pathologie, 1932.
Sektionstechnik, 1932.
Zur Frage der Anergie, 1934.
Zur Lehre von den Zytotoxinen, 1938.
Die Pathologische Anatomie der Familie, 1940.
Atlas der pathologischen Anatomie, 1951.
Virchows Archiv für Pathologische Anatomie und Histologie, 1933 bis 1956. (Hg.)
Wilhelm Doerr, Robert Rössle 80 Jahre alt, in: Deutsches Medizinisches Journal 7 (1956), H. 14, S. 524–532.
Alfred Johannes Linzbach, Robert Rössle, in: Ärztliche Wochenschrift 12 (1957), H. 17–18, S. 389–393.
Art. „Robert Rössle“, in: Isidor Fischer (Hg.), Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre, Bd. 2, 2/31962, S. 1312.
Herwig Hamperl, Robert Rössle in seinem letzten Lebensjahrzehnt (1946–1956). Dargestellt an Hand von Auszügen aus seinen Briefen an H. und R. Hamperl, hg. v. Wilhelm Doerr, 1976.
Lutz Pätzold/Günther Wagner, Ein Newton in der Forschung, ein Goethe in der Lehre, in: Medizinische Ausbildung 10 (1993), H. 2, S. 184–195.
Katrin Ratz, Der „Fall Max Henkel” (1870–1941), Das Dienststrafverfahren gegen den Jenaer Ordinarius der Frauenheilkunde und Geburtshilfe (1915–1918), 2003. (Onlineressource)
Lutz Pätzold/Günther Wagner, Der Pathologe Robert Rössle (1876-1956). Die Krebsforschung, in: Christian Fleck/Volker Hesse/Günther Wagner (Hg.), Wegbereiter der modernen Medizin. Jenaer Mediziner aus drei Jahrhunderten. Von Loder und Hufeland zu Rössle und Brednow, 2004, S. 247–257. (P)
Aquarell v. Magda Langenstraß-Uhlig (1888–1965), um 1948, Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte. (Onlineressource)
Bronzebüste v. Gerhard Thieme (1928–2018), 1960, Campus in Berlin-Buch, vor ehemaliger Robert-Rössle-Klinik, Robert-Rössle-Straße 10. (Onlineressource)