Riese, Walther
- Lebensdaten
- 1890 – 1976
- Geburtsort
- Berlin
- Sterbeort
- Glen Allen bei Richmond (Virginia, USA)
- Beruf/Funktion
- Neurologe ; Psychiater ; Medizinhistoriker ; Arzt
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 116544937 | OGND | VIAF: 84842598
- Namensvarianten
-
- Riese, Walt(h)er (auch Reise)
- Riese, Walther
- Riese, Walt(h)er (auch Reise)
- riese, walter
Vernetzte Angebote
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- Isis Bibliography of the History of Science [1975-]
- * Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online
Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
Personen in der GND - familiäre Beziehungen
Orte
Symbole auf der Karte
Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.
-
Riese, Walt(h)er (auch Reise)
1890 – 1976
Neurologe, Psychiater, Medizinhistoriker
Walter Riese war Neurologe, Psychiater und Medizinhistoriker in Deutschland, Frankreich und den USA, wo er die Anatomie, Physiologie und Pathologie des menschlichen und tierischen Gehirns erforschte. Seine Arbeiten zur Kriegs- bzw. Unfallneurose waren für viele Kriegsveteranen des Ersten Weltkriegs bedeutsam. Darüber hinaus verfasste er grundlegende neuroethische Abhandlungen und Schriften zur medizinischen Ethik, zu philosophischen Aspekten von Krankheiten und zur Medizingeschichte.
Lebensdaten
-
Autor/in
→Marjorie Perlman Lorch (London)
-
Zitierweise
Lorch, Marjorie Perlman, „Riese, Walther“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116544937.html#dbocontent
Riese, der einer wohlhabenden jüdischen Familie entstammte, besuchte seit 1896 die Volksschule und seit 1900 das Dorotheenstädtischen Realgymnasium in Berlin. Nach dem Abitur 1909 studierte er Medizin hier und an den Universitäten in Greifswald, Straßburg (Elsass, heute Strasbourg, Frankreich) und Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Rußland), wo er 1914 mit der Dissertation „Ein Beitrag zur Kasuistik der paranoiden Erkrankungen“ bei dem Psychiater Ernst Meyer (1871–1931) zum Dr. med. promoviert wurde. Riese entwickelte ein besonderes Interesse für Neurologie und Psychiatrie. Im Ersten Weltkrieg diente er als Feldarzt und war Assistent Meyers an der Universität Königsberg sowie Assistenzarzt an Kliniken in Wiesbaden und Frankfurt am Main.
Seit den frühen 1920er Jahren bis 1933 hatte Riese eine Arztpraxis in Frankfurt am Main und arbeitete zugleich an der neu gegründeten Universität Frankfurt am Institut für Hirnverletzte Soldaten, wo er Schüler und Mitarbeiter des Anatomen und Neurologen Ludwig Edinger (1855–1918) war. Mit seinem Kollegen und lebenslangen Mentor Kurt Goldstein (1878–1965) teilte er das Interesse am Verständnis kriegstraumatisierter Menschen und an einer ganzheitlichen Sichtweise neuropsychischer Störungen. Er unterstützte Kriegsveteranen bei der Durchsetzung von Rentenansprüchen und veröffentlichte 1929 mit „Die Unfall-Neurose als Problem der Gegenwartsmedizin“ ein vielbeachtetes Werk über medizinische und staatlich-ethische Verpflichtungen gegenüber Kriegstraumatisierten, das die Implikationen dieser posttraumatischen Erkrankung verdeutlichte und die Anerkennung dieser posttraumatischen Erkrankung forderte.
Daneben publizierte Riese seit 1918 zur Vergleichenden Anatomie, Klinischen Neuropsychiatrie, Medizinethik und Geschichte der Medizin. Mit der Arbeit „Zur Faseranatomie der Stammganglien“ habilitierte er sich 1924 für Neurologie an der Universität Frankfurt am Main. Unter dem Direktor der Klinik für Neuropsychiatrie, Karl Kleist (1879–1960), wurde er 1926 zum Leiter der Neuroanatomischen Abteilung am Institut für Anatomie der Universität ernannt.
Aufgrund seiner Beschäftigung mit medizinrechtlichen Fragen bei Sexualdelikten und seiner diesbezüglichen Gutachtertätigkeit wurden die Behörden auf Riese aufmerksam, weshalb er und seine Frau nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 kurzzeitig verhaftet wurden. Nach seiner Freilassung floh Riese mit seiner Familie nach Lyon, wo er an der Neuropsychiatrischen Klinik der Universität unter Jean Lépine (1876–1967) als Professor für Neuropsychiatrie und Anatomie arbeitete. 1937 ging er mithilfe zweier Stipendien der Rockefeller Foundation als Forschungsleiter an das Département de Physiologie der Sorbonne nach Paris und war Leiter eines Labors für Vergleichende Neurologie im Parc Zoologique de Vincennes.
Nach dem deutschen Einmarsch in Frankreich floh Rieses Familie 1940 mit Unterstützung Goldsteins, der in New York City lebte, nach Nordamerika. Dank eines dritten Stipendiums der Rockefeller Foundation 1940 wurde Riese 1941 als Associate Professor of History of Medicine and of Psychiatry and Neurology an das Medical College of Virginia in Richmond (Virginia, USA) berufen. Daneben war er am Eastern State Hospital in Williamsburg (Virginia, USA) angestellt und unterrichtete am Richmond Professional Institute. 1960 zog er sich von seinen klinischen Aufgaben zurück.
Riese forschte zur Neurologie und Psychiatrie und veröffentlichte klinische Untersuchungsergebnisse zur Aphasie, Demenz, Epilepsie und zu Hirntumoren und psychischen Störungen sowie medizinethische und -historische Studien in deutscher, französischer und englischer Sprache und führte Schulungen auf nationaler Ebene für die American Academy of Neurology, die American Association for the History of Medicine und die American Psychiatric Association durch.
1944 | First Prize Awarded, Virginia State Hospital Board |
1945 | First Prize Awarded, Virginia State Hospital Board |
1969 | Professor emeritus, Universität Frankfurt am Main |
1973 | Mitglied der Royal Society of Health, London |
Mitglied der American Association of Neuropathologists | |
Mitglied der American Association of History of Medicine |
Nachlass:
Virgina Commonwealth University Library, Walther and Hertha Riese Papers, 1982.03.25. (weiterführende Informationen)
Monografien und Herausgeberschaften:
Vincent van Gogh in der Krankheit. Ein Beitrag zum Problem der Beziehung zwischen Kunstwerk und Krankheit, 1926.
Schriften zur Psychologie und Soziologie von Sexualität und Verbrechen 1–3, 1928–1932. (Hg.)
Principles of Neurology in the Light of History and their Present Use, 1950.
The Conception of Disease, its History, its Versions and its Nature, 1953, ital. 1975.
La Pensée morale en Médecine. premiers principes d'une ethique médicale, 1954.
A History of Neurology, 1959.
Galen on the Passions and Errors of the Soul, 1963.
La théorie des passions à la lumière de la pensée médicale du XVIIe siècle, 1965.
The Legacy of Philippe Pinel. An Inquiry into Thought on Mental Alienation, 1969.
Richard Hoops/Yvan Lebrun/Eric Buyssens (Hg.), Riese, Walther. Selected Papers on the History of Aphasia, 1977.
Aufsätze:
Die diagnostische Verwertbarkeit der Braun-Huslerschen Reaktion im Liquor cerebrospinalis von Geisteskranken, in: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie 39 (1918), H. 1, S. 216–224.
Zur vergleichenden Anatomie der striofugalen Faserung, in: Anatomischer Anzeiger 57 (1924), S. 487–494.
Konvergenzerscheinungen am Gehirn, nebst Bemerkungen zu der Arbeit von Rose. Der Grundplan der Cortextektonik beim Delphin, in: Journal für Psychologie und Neurologie 33 (1927), S. 84–96.
Walther Riese/Ebbe C. Hoff, A History of the Doctrine of Cerebral Localization. Sources, Anticipations, and Basic Reasoning, in: Journal of the History of Medicine and Allied Sciences 5 (1950), H. 1, S. 50–71.
Walther Riese/Kurt Goldstein, The Brain of Ludwig Edinger. An Inquiry into the Cerebral Morphology of Mental Ability and Left‐Handedness, in: Journal of Comparative Neurology 92 (1950), H. 2, S. 133–168.
Freudian Concepts of Brain Function and Brain Disease. Their Sources, Scope and Evaluation, in: The Journal of Nervous and Mental Disease 127 (1958), H. 4, S. 287–307.
George Mora, Walther Riese, 1890–1976, in: Journal of the History of Medicine and Allied Sciences 32 (1977), H. 3, S. 323.
Ina Maria Eiswirth, Walther Riese (1890–1976). Leben und Werk, 1983. (P)
George Mora, Early American Historians of Psychiatry (1910–1960), in: Mark S. Micale/Roy Porter (Hg.), Discovering the History of Psychiatry, 1994, S. 53–83.
Richard Kühl, Art. „Walther Riese (1890–1976)“, in: Volkmar Sigusch/Günter Grau (Hg.), Personenlexikon der Sexualforschung, 2009, S. 593–595.
Frank W. Stahnisch/Stephen Pow, Walther Riese (1890–1976), in: Journal of Neurology 261 (2014), H. 12, S. 2466–2468. (P) (Onlineressource)
Festschrift:
Hertha Riese (Hg.), Historical Explorations in Medicine and Psychiatry, 1978. (W)
Fotografie, Abbildung in: Luke R. Rader (Hg.), The X-Ray. Annual Publication of the Students of The Medical College of Virginia, 1950 S. 14.