Paczensky, Susanne von
- Lebensdaten
- 1923 – 2010
- Geburtsort
- Augsburg
- Sterbeort
- Hamburg
- Beruf/Funktion
- Journalistin ; Publizistin ; Soziologin
- Konfession
- unbekannt
- Normdaten
- GND: 105458236 | OGND | VIAF: 74314919
- Namensvarianten
-
- geboren: Czapski, Susanne
- Paczensky, Susanne von
- geboren: Czapski, Susanne
- Czapski, Susanne
- Paczensky, S. v.
- Paczensky, Susanne v.
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Paczensky, Susanne von (geborene Susanne Czapski)
1923 – 2010
Journalistin, Publizistin
Susanne von Paczensky engagierte sich v. a. für Frauenrechte und sexuelle Selbstbestimmung. Ihr Werk umfasst neben journalistischen Beiträgen, Monografien und Editionen eine 1981 erschienene Dissertation zu sozialen Beziehungen lesbischer Frauen, die intensiv rezipiert wurde. Für ihre publizistische Arbeit und ihr gesellschaftspolitisches Engagement wurde Paczensky mehrfach ausgezeichnet.
Lebensdaten
Geboren am 22. Januar 1923 in Augsburg Gestorben am 15. Mai 2010 in Hamburg Grabstätte Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf -
Autor/in
→Martina Thiele (Tübingen)
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Zitierweise
Thiele, Martina, „Paczensky, Susanne von“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/105458236.html#dbocontent
Paczensky wuchs in einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus in Berlin auf. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme erfuhr sie aufgrund der jüdischen Herkunft ihres Vaters antisemitische Diskriminierungen, die sie prägten. 1942 begann Paczensky ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg im Breisgau mit einem „Ariernachweis“, der kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs als Fälschung enttarnt wurde. Im Sommer 1943 leistete sie studentischen Arbeitsdienst in Kowno (Russland, heute Kaunas, Litauen), wo sie detailliertere Informationen über die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung erhielt.
Paczensky erlebte das Kriegsende im Allgäu. Sie berichtet in der Einführung zu „Bescheidene Luftschlösser“ (1997) von ihrer Freude über die Befreiung durch die Alliierten und die Erfahrung, nach einer Vergewaltigung und dadurch entstandenen Schwangerschaft keine Hilfe erhalten zu haben. Nach Kriegsende arbeitete Paczensky als Übersetzerin, dann als Redakteurin der Deutschen Nachrichtenagentur DANA (seit 1947 DENA), die von der US-amerikanischen Besatzungsmacht kontrolliert wurde. 1946 berichtete sie neben Erika Mann (1905–1969) und Ursula von Kardorff (1911–1988) als eine von wenigen Frauen über den Nürnberger Prozess und erwarb sich Anerkennung als politische Journalistin. Seit 1947 war Paczensky als Redakteurin für die Hamburger Tageszeitung „Die Welt“ tätig, wo sie ihren Ehemann Gert von Paczensky (1925–2014) kennenlernte, mit dem sie 1949 nach London ging. Die Ehepartner durften nicht im selben Ressort tätig sein; Paczensky empfand es als kränkend, dass sie trotz ihrer Expertise als politische Journalistin hinter ihren Mann zurücktreten musste und über Kultur und Vermischtes berichten sollte.
1957 kehrte die Familie nach Hamburg zurück, wo Paczensky in die SPD eintrat und sich in der Neuen Frauenbewegung zu engagieren begann. Sie setzte sich publizistisch für Abrüstung ein, für die Abschaffung des § 218 des Strafgesetzbuchs sowie für eine Reform des Strafvollzugs. 1971 beteiligte sie sich an der von Alice Schwarzer (geb. 1942) initiierten Aktion „Wir haben abgetrieben!“, bei der Gesichter „bekennender“ Frauen auf dem Cover der Illustrierten „Stern“ abgebildet waren.
Nach der Scheidung ihrer Ehe 1969 begann Paczensky 1971 in Hamburg ein Studium der Soziologie und Sexualwissenschaft und wurde 1981 mit der Dissertation „Soziale Beziehungen lesbischer Frauen“ an der Universität Bremen bei Rüdiger Lautmann (geb. 1935) zur Dr. phil. promoviert. Die theoretisch fundierte Interview-Studie, für die Paczensky 75 Frauen befragt hatte, erschien im selben Jahr unter dem Titel „Verschwiegene Liebe. Zur Situation lesbischer Frauen in der Gesellschaft“. Die in mehreren Auflagen erschienene, positiv besprochene und auch kommerziell erfolgreiche Arbeit avancierte zu einem Grundlagenwerk der Lesbenforschung und Queer Studies, das maßgeblich zur Entpathologisierung und Anerkennung weiblicher Homosexualität beigetragen hat und bis heute zitiert wird.
Paczensky startete in Hamburg mit anderen Feministinnen mehrere frauenpolitische Projekte und gehörte 1982 zu den Gründerinnen des Familienplanungszentrums Hamburg e. V., einer gemeinsamen Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt und der Gesellschaft „Pro Familia“. Neben ihrer politischen und journalistischen Arbeit war Paczensky von 1978 bis 1985 Herausgeberin der Reihe „Frauen aktuell“ des Rowohlt-Verlags und betreute in dieser Zeit 44 Bände zu frauenpolitischen Themen. Die Bände erregten Aufmerksamkeit, weil sie aktuelle gesellschaftspolitische Themen aufgriffen bzw. überhaupt erst zum Thema machten, so die von Paczensky selbst verfassten Texte „Frauen und Terror. Versuche, die Beteiligung von Frauen an Gewalttaten zu erklären“ (1978) und „Wir sind keine Mörderinnen! Streitschrift gegen eine Einschüchterungskampagne“ (1980) sowie der von Andrea Baumgartner-Karabak (geb. 1946) und Gisela Landesberger (geb. 1949) vorgelegte Band „Die verkauften Bräute. Türkische Frauen zwischen Kreuzberg und Anatolien“ (1978) und „Klimawechsel. Berichte aus dem politischen Parterre“ (1981) von Cornelia Schmalz-Jacobsen (geb. 1934).
Infolge der Übernahme des Rowohlt-Verlags durch den Holtzbrinck-Konzern reichte Paczensky ihre Kündigung ein, in der sie es als „zusehends schwieriger“ bezeichnete, „eine politische Frauenbuchreihe mit feministischem Grundverständnis bei Rowohlt herauszugeben und dabei Autorinnen wie Leserinnen gegenüber glaubwürdig zu bleiben“ (Spieß, 1985, S. 723). Nach der deutschen Wiedervereinigung nahm Paczensky Tendenzen eines neuen Nationalismus in Deutschland wahr, die sie ca. 1991 zur Übersiedung in die USA veranlassten. Von Berkeley (Kalifornien) aus verfasste sie Beiträge für die „Süddeutsche Zeitung“, „Die Zeit“ und „Brigitte“ u. a. über die Situation der Menschenrechte in den USA und den US-Strafvollzug. Seit ca. 2001 zurück in Deutschland, wurde sie 2004 für ihre journalistische Arbeit und ihr gesellschaftspolitisches Engagement mit der Hedwig-Dohm-Urkunde des Journalistinnenbundes und dem Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union ausgezeichnet.
1995 | Fritz-Sänger-Preis des SPD-Parteivorstands |
2003 | Ehrenvorsitzende des Familienplanungszentrums Hamburg e. V. |
2004 | Hedwig-Dohm-Urkunde des Journalistinnenbundes, Köln |
2004 | Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union, Berlin |
2016 | Susanne-von-Paczensky-Straße, Hamburg-Altona |
Teilnachlass:
Spinnboden Lesbenarchiv und Bibliothek e.V., Berlin.
Monografien:
Der Testknacker. Wie man Karriere-Tests erfolgreich besteht, 1974, 51991.
Verschwiegene Liebe. Zur Situation lesbischer Frauen in der Gesellschaft, 1981, Taschenbuchausg. 1984, Neuausg. 2018. (Diss. phil.)
Gemischte Gefühle. Von Frauen, die ungewollt schwanger sind, 1987.
„Das hätte nicht noch mal passieren dürfen!“ Wiederholte Schwangerschaftsabbrüche und was dahinter steckt. Eine Studie aus dem Familienplanungszentrum Hamburg, 1990, 21991.
Bescheidene Luftschlösser. Journalistische Randnotizen aus einem halben Jahrhundert, 1997. (Sammlung journalistischer Texte mit autobiografischer Einführung)
Herausgeberschaften:
Frauen und Terror. Versuche, die Beteiligung von Frauen an Gewalttaten zu erklären, 1978.
Die verkauften Bräute. Türkische Frauen zwischen Kreuzberg und Anatolien, 1978.
Wir sind keine Mörderinnen! Streitschrift gegen eine Einschüchterungskampagne, 1980.
Ingke Brodersen/Klaus Humann/Susanne von Paczensky (Hg.), 1933. Wie die Deutschen Hitler zur Macht verhalfen. Ein Lesebuch für Demokraten, 1983.
Susanne von Paczensky/Renate Sadrozinski (Hg.), Die neuen Moralisten. § 218. Vom leichtfertigen Umgang mit einem Jahrhundertthema, 1984.
Susanne von Paczensky/Renate Sadrozinski (Hg.), § 218 – zu Lasten der Frauen. Neue Auskünfte zu einem alten Kampf, 1988.
Heike Mundzeck, Den Frauen eine Tür geöffnet. Chronologie einer ungewöhnlichen Frauenkarriere, in: Frankfurter Rundschau, Nr. 185 v. 1.6.1985.
Gesine Spieß, Ein Nach-Ruf auf die rororo-Reihe „Frauen aktuell“, in: Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften, 1985, Nr. 153, S. 723 f. (Onlineressource)
Interview – eine Art Durchblick. Erfahrungen von Susanne von Paczensky, in: Elisabeth Klaus/Carmen Thomas/H. Gerd Würzberg (Hg.), Ein Herz für O-Töne. Der Alltagsjournalismus, 1990; S. 106–117.
Sabine Hark, Lesbenforschung und Queer Theorie. Theoretische Konzepte, Entwicklungen und Korrespondenzen, in: Regina Becker/Beate Kortendiek (Hg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorien, Methoden, Empirie, 2004, S. 104–111.
Heide Hering, Nachruf. Menschenrechte sind immer auch Frauenrechte. Zum Tod von Susanne von Paczensky, in: Mitteilungen der Humanistischen Union e. V., Nr. 210, Oktober 2010, S. 17. (P) (Onlineressource)
Elfie Mayer/Eva Rühmkorf, Eine streitbare Kämpferin ist tot, in: ProFamilia Magazin 38 (2010), Nr. 3, S. 32 f. (P) (Onlineressource)
Cornelia Göksu, Art. „Susanne von Paczensky“, in: Hamburger Frauenbiographien, o. J. [nach 2010]. (P) (Onlineressource)
Elisabeth Klaus/Ulla Wischermann, Susanne von Paczensky, in: dies. (Hg.), Journalistinnen. Eine Geschichte in Biographien und Texten 1848–1990, 2013, S. 273–275.
Charles Schüddekopf, Gespräch mit Susanne von Paczensky, in: Inge Stolten (Hg.), Der Hunger nach Erfahrung. Frauen nach [19]45, 1981, S. 23–45.
Preisträgerin 2004: Susanne von Paczensky, in: Journalistinnenbund e. V. (umfasst Laudatio v. Magdalena Kemper sowie Interview mit Susanne von Paczensky v. Margit Miosga)
Ingo Zander, Erlebte Geschichten: Susanne von Paczensky, WDR 5, 1.10.2006.
Ingrid Müller-Münch, Nachruf auf Susanne von Paczensky, WDR 5, 17.5.2010. (Textpassagen)
Cornelia Göksu, Susanne von Paczensky, in: Hamburger Frauenbiografien. (P)