Matthiensen, Ernst
- Lebensdaten
- 1900 – 1980
- Geburtsort
- Oldenburg (Holstein)
- Sterbeort
- Baden-Baden
- Beruf/Funktion
- Bankier
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 141142839 | OGND | VIAF: 120383664
- Namensvarianten
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- Matthiensen, Ernst Paul Heinrich
- Matthiensen, Ernst
- Matthiensen, Ernst Paul Heinrich
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Matthiensen, Ernst Paul Heinrich
1900 – 1980
Bankier
Ernst Matthiensen trat nach Tätigkeiten für die Süddeutsche Disconto-Gesellschaft, die Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft sowie für den Privatbankier Gustav Würzweiler (1896–1954) 1937 in die Börsenabteilung der Dresdner Bank AG ein. Im Vorstand dieser Bank trug er in der Nachkriegszeit maßgeblich zur Wiederherstellung des Kapitalmarkts bei und setzte sich als Mitbegründer des Deutschen Investment-Trusts für das „Investmentsparen“ ein.
Lebensdaten
Geboren am 17. Mai 1900 in Oldenburg (Holstein) Gestorben am 15. Januar 1980 in Baden-Baden Grabstätte in Oldenburg (Holstein) Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Friederike Sattler (Frankfurt am Main)
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Zitierweise
Sattler, Friederike, „Matthiensen, Ernst“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/141142839.html#dbocontent
Matthiensen wuchs in einem Handwerker- und Familienbetrieb in Oldenburg (Holstein) auf. Nach der zweijährigen Volksschule besuchte er eine Höhere Privatschule, bevor er zu Ostern 1914 an die Oberrealschule zum Dom nach Lübeck wechselte. Diese Schule musste er noch vor dem Abitur wieder verlassen, um seine Eltern finanziell zu entlasten und sich eine Lehrstelle zu suchen. Nach Abschluss einer kaufmännischen Lehre bei der Holsten-Bank in deren Filiale auf Fehmarn arbeitete Matthiensen als Buchhalter für das Elektrizitätswerk Mölln in Schleswig-Holstein. 1920 wurde er als Wertpapierhändler bei der Süddeutschen Disconto-Gesellschaft AG in Mannheim tätig. Sein hausinterner Aufstieg war jedoch nach der 1929 vollzogenen Großfusion von Deutscher Bank AG und Disconto-Gesellschaft KGaA, in die auch die Süddeutsche Disconto-Gesellschaft AG einbezogen wurde, blockiert; Matthiensen wechselte 1932 zu dem jüdischen Privatbankier Gustav Würzweiler (1896–1954). Als dieser sein Geschäft 1937 infolge der Repressionen des NS-Regimes liquidieren musste, wechselte Matthiensen zur Dresdner Bank AG in Berlin. Im Börsenbüro übernahm er die Verantwortung für den Handel mit festverzinslichen Wertpapieren, die fast ausschließlich der Staats- und Kriegsfinanzierung dienten.
Nach Kriegsende setzte sich Matthiensen, der nicht der NSDAP angehört hatte, bei der Filiale Frankfurt am Main der früheren Dresdner Bank AG für die Wiederbelebung des Bankgeschäfts und der Frankfurter Wertpapierbörse ein. Als Mitglied der Geschäftsführung der Rhein-Main Bank, einer Filialgruppe der von den Alliierten zerschlagenen Dresdner Bank, arbeitete er daran, den überregionalen Kapitalverkehr wieder in Gang zu bringen. Mit Hugo Zinßer (1900–1955) und Erich Vierhub (1901–1998) wurde er 1952 bei der aktienrechtlichen Ausgründung der Rhein-Main Bank AG aus der alten Dresdner Bank in den Vorstand des neuen Instituts berufen. Durch zahlreiche Anleihe- und Aktienemissionen sowie die Börseneinführung ausländischer Aktien trug er maßgeblich bei zur Belebung des in- und v. a. des ausländischen Kapitalverkehrs und damit zur Wiederherstellung eines funktionierenden Kapitalmarkts. Außerdem engagierte er sich für die Gründung der Deutschen Investment-Trust Gesellschaft für Wertpapieranlagen mbH (DIT), um den Gedanken des „Investmentsparens“ publik zu machen und breitere Kundenkreise für sein Haus zu erschließen.
Als Mitglied des Vorstands der 1957 wiederbegründeten Dresdner Bank trieb Matthiensen den Ausbau des DIT erfolgreich voran. Außerdem sorgte er für die Einführung einer modernen kennzifferngestützten Wertpapieranalyse, wodurch die Dresdner Bank sich auch im Ausland, insbesondere in den USA, als Wertpapierspezialistin profilieren konnte. Matthiensen gehörte zahlreichen Aufsichtsräten anderer Unternehmen an, darunter Hypothekenbanken, Versicherungen sowie Handels- und Industrieunternehmen. In die Schlagzeilen geriet er Anfang der 1960er Jahre im Zusammenhang mit einer großen außerbörslichen Aktien-Transaktion für den Unternehmer und Wertpapierspekulanten Hermann D. Krages (1909–1992), die zwar zur Beruhigung der Börsen beitrug, Matthiensen und der Dresdner Bank jedoch nachträglich den unberechtigten, dennoch imageschädigenden Vorwurf der Erpressung und des Machtmissbrauchs einbrachte.
Matthiensen stellte sich als Ansprechpartner für die früheren jüdischen Mitarbeiter der Bank zur Verfügung, die mit der Entschädigungs- und Wiedergutmachungspraxis unzufrieden waren; für ihre Anliegen setzte er sich ein, konnte in einigen Fällen höhere Pensionszahlungen erreichen und führte teils langjährige persönliche Korrespondenzen.
Nach seinem altersbedingten Ausscheiden aus dem Vorstand übernahm Matthiensen von 1965 bis 1972 den Vorsitz, bis 1976 den stellvertretenden Vorsitz im Aufsichtsrat der Dresdner Bank. Er nutzte diese Position v. a. zur Pflege der internationalen Beziehungen seines Hauses. Außerdem nahm er weiterhin hohen Anteil an der geschäftlichen Entwicklung des DIT, dessen Aufsichtsrat er von 1956 bis 1976 als Vorsitzender und danach als Ehrenvorsitzender angehörte. Zuletzt lebte er krankheitsbedingt in Baden-Baden in einem Wohnstift.
Neben zahlreichen Aufsichts-. Verwaltungs- und Beiräten in Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen gehörte Matthiensen u. a. den folgenden Gremien, Einrichtungen und Interessenorganisationen an: | |
1945–1966 | Mitglied des Vorstands der Frankfurter Wertpapierbörse (1956–1966 stellvertretender Vorsitzender des Vorstands, 1958–1961 geschäftsführender Leiter des Vorstands) |
1951 | Ehrenbürger der Universität Frankfurt am Main |
1951–1965 | Mitglied des Ausschusses für Wertpapier- und Börsenfragen des Bundesverbandes für das private Bankgewerbe (1955–1965 stellvertretender Vorsitzender) |
1957–1965 | Mitglied des Ausschusses für den Kapitalmarkt des Bundesverbandes für das private Bankgewerbe (1958–1965 stellvertretender Vorsitzender) |
1957–1966 | Mitglied im Zentralen Kapitalmarktausschuss |
Geschäftlicher Nachlass:
Historisches Archiv der Commerzbank AG, Frankfurt am Main (HAC).
Privater Nachlass:
Privatarchiv Ernst-Richard Matthiensen, Stamford (Connecticut, USA).
Oldenburg. Hauptstadt von Wagrien. Historische und topografische Beschreibung von 940 a. Chr. bis zur Gegenwart, bearb. u. zusammengestellt v. Dr. Walter Beck, Privatdr., 1956. (im Nachlass, HAC)
Die Geschichte unserer Familie, Privatdr., 1971. (im Nachlass, HAC)
Friederike Sattler, Ernst Matthiensen 1900–1980. Ein deutscher Bankier im 20. Jahrhundert, 2009. (P)
Friederike Sattler, Ernst Matthiensen und Alfred Herrhausen. Zwei Wege an die Spitze deutscher Großbanken, in: Werner Plumpe (Hg.), Unternehmer – Fakten und Fiktionen. Historisch-biografische Studien, 2014, S. 295–327.
Fotografie mit den vier Brüdern, privat, ca. 1912.
Fotografie mit Schulklasse an der Oberrealschule zum Dom in Lübeck, privat, 1914/15.
Doppelporträtfotografie mit Julius Barleff, Fotograf unbekannt, 1916.
Bewerbungsfotografie als Lehrling, Fotograf unbekannt, 1916.
Bewerbungsfotografien als Bankangestellter, Fotograf unbekannt, 1927, 1935.
Gruppenfotografie mit Mitarbeitern, privat, 1957.
Fotografie mit Ehefrau und Kindern, privat, 1958.
Profilbild auf geprägter Medaille v. Adolf Jäger (1895–1983), 1969.
Doppelporträtfotografie mit Jürgen Ponto (1923–1977), Fotograf unbekannt, 1970.
Porträtfotografie (sitzend), Fotograf unbekannt, 1972.
Porträtfotografie, Fotograf unbekannt, 1972.
Alle oben genannten Porträts abgebildet in: Friederike Sattler, Ernst Matthiensen 1900–1980, 2009.
Porträt (Öl/Leinwand) v. Paul Mathias Padua (1903–1981), späte 1970er Jahre, Frankfurt am Main, HAC.