Luther, Martin
- Lebensdaten
- 1895 – 1945
- Geburtsort
- Berlin
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Kaufmann ; Beamter ; NS-Funktionär ; Politiker ; Unterstaatssekretär
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 128649003 | OGND | VIAF: 40434218
- Namensvarianten
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- Luther, Franz Julius Martin
- Luther, Martin
- Luther, Franz Julius Martin
- Luther, Martin Franz Julius
- Luther, Martin F. J.
- Luter, Martin
- Luter, Franz Julius Martin
- Luter, Martin Franz Julius
- Luter, Martin F. J.
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Luther, Franz Julius Martin
1895 – 1945
Kaufmann, Beamter, NS-Funktionär
Obwohl nach Ausbildung und Habitus kein Diplomat, machte Martin Luther als Vertrauter Joachim von Ribbentrops (1893–1946) seit 1936 Karriere im Auswärtigen Amt. Er hatte von 1940 bis 1943 eine Schlüsselposition in der Organisation der NS-Judenpolitik inne und vertrat das Auswärtige Amt im Januar 1942 bei der Wannsee-Konferenz. Über deren Inhalte sind wir detailliert unterrichtet, da Luthers Exemplar des Konferenzprotokolls als einziges erhalten geblieben ist.
Lebensdaten
Geboren am 16. Dezember 1895 in Berlin Gestorben am 31. Mai 1945 in Berlin Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Martin Kröger (Berlin)
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Zitierweise
Kröger, Martin, „Luther, Martin“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/128649003.html#dbocontent
Luther besuchte bis 1912 Gymnasien in Schöneberg, Charlottenburg und Dahlem und absolvierte 1913/14 eine kaufmännische Lehre. Seit August 1914 leistete er freiwillig Kriegsdienst bei der Eisenbahntruppe an der Westfront und wurde im Dezember 1917 in das preußische Kriegsministerium kommandiert, wo sein Vater arbeitete. Nach dem Ersten Weltkrieg betätigte sich Luther als selbstständiger Exportkaufmann, Spediteur, Entrümpler sowie im Möbeltransport. Trotz anfänglicher geschäftlicher Fehlschläge brachte er es bis Mitte der 1930er Jahre zu einigem Wohlstand.
Im März 1932 trat Luther der NSDAP bei und wurde kommunalpolitisch aktiv. 1933/34 leitete er ehrenamtlich die Wirtschaftsberatungsstelle in der Bezirksverwaltung Berlin-Zehlendorf, seit 1935 war er Beirat des dortigen Finanzamts, seit 1936 Stadtrat. Die Parteifunktionen und das Möbelgeschäft brachten ihn in Kontakt mit Joachim von Ribbentrop (1893–1946) und dessen Ehefrau, deren Villa er ausstattete. Noch bevor Ribbentrop im Herbst 1936 Botschafter in London wurde, übernahm Luther die Verbindung von dessen informellem Arbeitsstab zur NSDAP. Als Hauptreferent der Dienststelle Ribbentrop begleitete er diesen nach London und wechselte ins Auswärtige Amt (AA), als Ribbentrop im Februar 1938 Reichaußenminister wurde. Kurz darauf trat er der SA bei, in der er bis zum Brigadeführer aufstieg.
Im AA leitete Luther das für ihn neu eingerichtete Sonderreferat Partei, wo seine Hauptaufgabe darin bestand, Ribbentrop stärkeren Rückhalt in der NSDAP zu verschaffen. Luther stieg in der Hierarchie des Amts rasch auf und wurde im Mai 1940 Leiter der Abteilung Deutschland, in der neben Angelegenheiten der NSDAP solche der SS, des Reichssicherheitshauptamts und der Polizei erledigt wurden. Die Abteilung war u. a. zuständig für die Auslandskontakte von staatlichen Institutionen und Parteistellen, für Ribbentrops Grundbesitz, Verbreitung von Druckwerken des AA, Fragen des deutschen Volkstums außerhalb des Reichs und die Judenpolitik des AA. Damit kontrollierte Luther, der zudem Einfluss auf die Personalpolitik des Amts nahm, im Zweiten Weltkrieg die Verbindung des AA zu den wichtigsten Institutionen des NS-Staats.
Zugleich hatte Luther großen Anteil an der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, da im Referat D III seiner Abteilung u. a. Volkstumsfragen und antijüdische Maßnahmen umgesetzt wurden. Nach der militärischen Besetzung großer Teile Europas durch die Wehrmacht beteiligte sich das AA an der Umsetzung der nationalsozialistischen Judenpolitik und des Holocaust. Luther und seine Mitarbeiter waren effizient darin, deutsche Juden und andere missliebige Personen auszubürgern. Unter der Führung Luthers entstand 1940 der Plan, die europäischen Juden auf die afrikanische Insel Madagaskar zu deportieren (Madagaskarplan).
1941 zum Unterstaatssekretär befördert, war Luther durch detaillierte Berichte über den systematischen Massenmord an der Ostfront unterrichtet, als er im Januar 1942 das AA bei der Wannsee-Konferenz vertrat. Bei der Besprechung über administrative und technische Details des Holocaust reklamierte er für alle Belange nichtdeutscher Juden eine Beteiligung seines Amts. Von allen Teilnehmern der Konferenz blieb ausschließlich Luthers Exemplar des Konferenzprotokolls als ein Schlüsseldokument zur Geschichte des NS-Völkermords erhalten.
Zur selben Zeit entfremdeten sich Ribbentrop und Luther, der sich an den ausufernden Luxuswünschen des Ministers störte, während dieser das enge Verhältnis Luthers zur SS, im Besonderen zu Walter Schellenberg (1910–1952) und Heinrich Himmler (1900–1945), mit Argwohn betrachtete. Im Februar 1943 ließ Himmler Luther fallen, der alle Ämter verlor und den Rest des Kriegs auf Weisung des Reichsführers-SS als bevorzugter Häftling im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert wurde. Er starb wenige Wochen nach Kriegsende in Berlin.
1939 | Orden der jugoslawischen Krone 2. Klasse |
1940 | Großoffizierskreuz des bulgarischen Nationalordens „Für Zivildienst“ |
30.1.1942 | Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse |
1942 | Großkreuz des Königlich Ungarischen Verdienstordens |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin. (Personalakten)
Gedruckte Quellen:
Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918–1945, Serien C–E, hg. v. d. Auswärtigen Amt.
Christopher Browning, The Final Solution and the German Foreign Office, 1978, dt. 2010.
Christopher Browning, Unterstaatssekretär Martin Luther and the Ribbentrop Foreign Office, in: Journal of Contemporary History 12 (1977), S. 332–340.
Hans-Jürgen Döscher, Martin Luther. Aufstieg und Fall eines Unterstaatssekretärs, in: Ronald Smelser/Enrico Syring/Rainer Zitelmann (Hg.), Die braune Elite II. 21 weitere biographische Skizzen, 1993, S. 179–192.
Magnus Brechtken, „Madagaskar für die Juden“. Antisemitische Idee und politische Praxis 1885–1945, 1998. (Onlineressource)
Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945, hg. v. Auswärtiges Amt, Bd. 3, bearb. v. Gerhard Keiper/Martin Kröger, 2008, S. 146 f. (P)
Eckart Conze, Neuigkeiten für das Auswärtige Amt? Völkermord als Problem der Diplomatie, in: Norbert Kampe/Peter Klein (Hg.), Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und die Wannsee-Konferenz, 2013, S. 259–275.
Christopher Browning, Martin Luther. Auswärtiges Amt. Ein hemdsärmeliger Aufsteiger, in: Hans-Christian Jasch/Christoph Kreutzmüller (Hg.), Die Teilnehmer. Die Männer der Wannsee-Konferenz, 2017, S. 227–246.
100(0) Schlüsseldokumente zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. (Vortragsnotiz Martin Luthers vom 30. Dezember 1941 zum Empfang des bulgarischen Außenministers Ivan Popoff durch den Reichsaußenminister am 24. November 1941)
Haus der Wannsee-Konferenz. Gedenk- und Bildungsstätte, Die Teilnehmer an der Konferenz.
Haus der Wannsee-Konferenz. Gedenk- und Bildungsstätte, Protokoll und Dokumente.
Fotografie, ca. 1938, Abbildung in: Akten zur deutschen auswärtigen Politik. Ergänzungsband zu den Serien A-E, hg. v. Auswärtigen Amt, 1995, S. 471. (Onlineressource)
Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945, hg. v. Auswärtigen Amt, Historischer Dienst, Bd. 3, 2008, S. 146.