Luchsinger, Fred
- Lebensdaten
- 1921 – 2009
- Geburtsort
- St. Gallen
- Sterbeort
- Zürich
- Beruf/Funktion
- Journalist ; Chefredaktor der Neuen Zürcher Zeitung ; Chefredakteur
- Konfession
- römisch-katholisch, seit ca. 1940 konfessionslos
- Normdaten
- GND: 107580373 | OGND | VIAF: 208411796
- Namensvarianten
-
- Luchsinger, Friedrich Wilhelm
- Luchsinger, Fred
- Luchsinger, Friedrich Wilhelm
- Luchsinger, Friedrich
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Verknüpfungen
Personen im NDB Artikel
- Christoph Ruckstuhl (geb. 1958)
- Deng Xiaoping (1904–1997)
- Eric Mettler (1917–1980)
- Ernst Jüngers (1895–1998)
- Hanno Helbling (1930–2005)
- Henry Kissinger (1923–2023)
- Jack Metzger (1918–1999)
- Karl Schmid (1907–1974)
- Konrad Adenauer (1876–1967)
- Kurt Müller (1925–2016)
- Mao Zedong (1893–1976)
- Max Frisch (1911–1991)
- Werner Kaegi (1901–1979)
- Willy Bretscher (1897–1992)
- Willy Linder (1922–2000)
Orte
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Luchsinger, Fred (eigentlich Friedrich Wilhelm Luchsinger)
1921 – 2009
Journalist, Chefredaktor der Neuen Zürcher Zeitung
Fred Luchsinger berichtete von 1955 bis 1963 als Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) über die politische Gestaltung der jungen Bundesrepublik und analysierte ihre Verankerung in der Europäischen Gemeinschaft und im westlichen Verteidigungsbündnis. Unter seinen Kontakten zu bedeutenden Politikern und Intellektuellen war jener zu Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876–1967) besonders intensiv. Von Anfang 1968 bis Ende 1984 führte Luchsinger die NZZ als Chefredaktor.
Lebensdaten
Geboren am 9. Juli 1921 in St. Gallen Gestorben am 9. Mai 2009 in Zürich Grabstätte Friedhof Enzenbühl in Zürich Konfession römisch-katholisch, seit ca. 1940 konfessionslos Fred Luchsinger, Imago Images (InC) -
Autor/in
→Hugo Bütler (Zürich)
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Zitierweise
Bütler, Hugo, „Luchsinger, Fred“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/107580373.html#dbocontent
Luchsinger besuchte das Literaturgymnasium in St. Gallen, begann 1940 ein Studium der Geschichte und Literatur an der Universität Zürich und leistete nach Besuch der Rekrutenschule seit Herbst 1940 wiederholt Militärdienst („Aktivdienst“) in der Schweizer Armee als Beobachteroffizier in der Fliegertruppe. Prägende Wirkung auf sein politisches Denken hatte die bürgerliche Widerstandsbewegung „Eidgenössische Gemeinschaft“, die aus der sog. Offiziersverschwörung von 1940 und Teilen des Gotthardbunds hervorgegangen war. Gegen Ende 1942 nahm Luchsinger an der Universität Basel sein Studium wieder auf und wurde 1948 bei Werner Kaegi (1901–1979) mit der Studie „Der Basler Buchdruck als Vermittler italienischen Geistes 1470–1529“ zum Dr. phil. promoviert.
1949 kam Luchsinger als Volontär zur Auslandredaktion der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), wo er sich u. a. mit dem Denken Ernst Jüngers (1895–1998) auseinandersetzte. 1952/53 absolvierte er ein Postgraduate-Studium an der Universität Yale in New Haven (Connecticut, USA) und kam später in den USA u. a. mit Henry Kissinger (1923–2023) in langjährigen Kontakt. Seit 1953 fester Mitarbeiter der NZZ-Auslandredaktion, besprach Luchsinger neue Bücher der zeitgenössischen politisch-historischen Diskussion. Im Vordergrund seiner Arbeit stand jedoch bald eine Darstellung der Geschichte der NZZ seit 1930, die 1955 zum 175. Jubiläum der Zeitung erschien. Auftraggeber des Buchs war Chefredaktor Willy Bretscher (1897–1992), der die NZZ im Zeichen des Widerstands gegen Nationalsozialismus und Faschismus durch Jahre intensiver Bedrohung der Schweiz gesteuert hatte.
Kurz vor dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik 1955 wurde Luchsinger Korrespondent der NZZ in Bonn, erwarb sich in den folgenden Jahren hohes Ansehen als international gut vernetzter politischer Analytiker und wurde von den ausländischen Korrespondenten in Bonn zum Vorsitzenden ihrer Organisation bestimmt. Bald führte er vertrauliche Gespräche über politische Fragen mit Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876–1967), hinterließ hierzu aber vereinbarungsgemäß keine Notizen. Als NZZ-Korrespondent argumentierte Luchsinger für die Westbindung der Bundesrepublik und ihre Mitwirkung im transatlantischen Verteidigungsbündnis. Die von der sowjetischen Führung angestrebte Neutralisierung Deutschlands lehnte er ab. Seine deutschland- und weltpolitischen Analysen und Kommentare waren von der Verteidigung politischer Freiheitsrechte und einem sensiblen Auge für das Gleichgewicht der Mächte geprägt.
Nach dem Ende seiner Tätigkeit als NZZ-Korrespondent in Bonn im Herbst 1963 wirkte Luchsinger 1964/65 als Auslandredaktor der NZZ in Zürich, übernahm 1966/67 die Leitung der Auslandredaktion und trat Anfang 1968 die Nachfolge Bretschers als Chefredaktor der NZZ an. Seine Arbeit stand zunächst im Zeichen der heftigen studentischen Proteste gegen den Vietnamkrieg und der Forderung nach universitären sowie politisch-gesellschaftlichen Reformen. Luchsingers Redaktionsführung war von Offenheit für demokratisch erkämpfte Neuerungen und entschiedener Ablehnung politisch motivierter Gewalt in liberaldemokratischen Staaten gekennzeichnet. So nahm er im Sommer 1968 kritisch Stellung zu dem „Zürcher Manifest“, in dem Künstler und Intellektuelle um den Schriftsteller Max Frisch (1911–1991) gewaltsame Ausschreitungen von Jugendlichen als Folge „unzulänglicher Gesellschaftsstrukturen“ und tendenziell legitimiert erklärt hatten. Zu Luchsingers wichtigsten Mitarbeitern zählten neben dem stellvertretenden Chefredaktor Eric Mettler (1917–1980) v. a. die langjährigen Ressortleiter Willy Linder (1922–2000) für Wirtschaft, Kurt Müller (1925–2016) für Inland und Hanno Helbling (1930–2005) für das Feuilleton.
Bis Mitte der 1980er Jahre blieben die Analyse des Kalten Kriegs und des Aufstiegs von Staaten der „Dritten Welt“ im Gefolge der „Dekolonisierung“ Hauptthemen der Kommentare Luchsingers. Die 1973 in Helsinki eröffnete Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) kritisierte er zunächst als illusionäre Hoffnung, bewertete die KSZE-Schlussakte von 1975 dann aber positiver, da er durch sie mehr Handlungsspielräume für bedrängte Oppositionelle, Reformkräfte und Dissidenten in den Staaten Osteuropas entstehen sah. Luchsingers besonderes Interesse galt zudem der Modernisierung Chinas, das er mehrmals bereiste und dessen Einfluss auf die Weltpolitik seit Mao Zedong (1893–1976) und dem Reformer Deng Xiaoping (1904–1997) er hervorhob. Das Aufkommen des Eurokommunismus beleuchtete er 1977 mit skeptischer Einschätzung seiner „Demokratiereife“.
In der Schweiz engagierte sich Luchsinger u. a. in der seit 1967 von Karl Schmid (1907–1974) geleiteten Studienkommission für Strategische Fragen zugunsten verteidigungspolitischer Modernisierung und für den UNO-Beitritt des Landes, der vom Volk aber erst 2002 beschlossen wurde. Seit 1968 Vorsitzender der Geschäftsleitung der NZZ, setzte Luchsinger wichtige unternehmerische Reformen durch: Auf seine Veranlassung publizierte die NZZ ab 1974 nur noch eine statt der zuvor drei Ausgaben täglich, jedoch mit privater Frühzustellung am Morgen. Zusammen mit einer Neugestaltung des Blatts und v. a. mit einem erweiterten Korrespondentennetz auf allen Kontinenten, stieg die verkaufte Auflage bis zum Ende von Luchsingers Tätigkeit als Chefredaktor Ende Dezember 1984 um ca. 50 % auf rund 137 000 Exemplare. Nach seinem Rücktritt blieb Luchsinger in der NZZ mit Artikeln präsent, solange seine Alterskrankheit dies zuließ.
1967–1969 | Mitglied von Pro Helvetia |
ca. 1967 | Mitglied der Studienkommission für Strategische Fragen |
1970–1980 | Mitglied des Rotary Clubs, Zürich |
1981 | Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1985 | Freiheitspreis der Max Schmidheiny-Stiftung an der Universität St. Gallen |
1988 | Oberrheinischer Kulturpreis der Johann Wolfgang von Goethe-Stiftung, Basel |
Vorstandsmitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei des Kantons Zürich | |
Mitglied der beratenden Kommission des Bundesrats zur Frage des Uno-Beitritts der Schweiz | |
Vorstandsmitglied des Zürcher Kammerorchesters, Zürich | |
Mitglied der Gesellschaft zur Constaffel, Zürich | |
Fred Luchsinger Memorial Lecture der Universität Zürich |
Nachlass:
Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich, CH AfZ NL Fred Luchsinger. (weiterführende Informationen)
Weitere Archivmaterialien:
Zentralbibliothek Zürich. (NZZ-Archiv, Redaktionsarchiv, Personal- und Unternehmensakten)
Der Basler Buchdruck als Vermittler italienischen Geistes 1470–1529, 1953. (Diss. phil.)
Die Neue Zürcher Zeitung im Zeitalter des Zweiten Weltkriegs 1930–1955, 1955.
Bericht über Bonn. Deutsche Politik 1955–1965, 1966.
Realitäten und Illusionen. NZZ-Leitartikel zur internationalen Politik 1963–1983, 1983.
Dolf Sternberger, Abgang eines Wächters, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28.1.1985, Nr. 23.
Thomas Meissen, Die Geschichte der NZZ. 1780–2005, 2005, S. 166 f. u. 185–235. (P)
Fred Luchsinger gestorben, in: NZZ v. 12.5.2009.
Adrian Scherrer, Art. „Luchsinger, Fred“, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2009. (Onlineressource)
Fotografie v. Jack Metzger (1918–1999), Januar 1980, Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv, Archiv Tagesanzeiger.
Fotografie v. Christoph Ruckstuhl (geb. 1958), ca. 1985, Abbildung in: Thomas Meissen, Die Geschichte der NZZ. 1780–2005, 2005, S. 185.
Fotografie, nach 1970, Abbildung in: Neue Zürcher Zeitung v. 12.5.2009.