Krautheimer, Richard
- Lebensdaten
- 1897 – 1994
- Geburtsort
- Fürth
- Sterbeort
- Rom
- Beruf/Funktion
- Architekturhistoriker ; Kunsthistoriker ; Archäologe
- Konfession
- jüdisch
- Normdaten
- GND: 120309521 | OGND | VIAF: 102327382
- Namensvarianten
-
- Krautheimer, Richard
- Krauthaimer, Rikhard
- Krautheimer, R.
- Qrâuṭhaimer, Rîkard
- Qrâuṭhaymer, Rîkard
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- Alexanders VII. (1599–1667)
- Cecil L. Striker (geb.1932)
- Dale Kinney
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- Günter Bandmanns (1917–1985)
- Heinrich Wölfflin 1864–1945)
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- Kathleen Weil-Garris Brandt (geb. 1934)
- Kurt Gerstenbergs (1886–1968)
- Lorenzo Ghiberti (um 1378–1455)
- Marvin Trachtenberg (geb. 1939)
- Paul Frankl (1878–1962)
- Richard Hamann (1879–1961)
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Krautheimer, Richard
1897 – 1994
Architektur- und Kunsthistoriker
Richard Krautheimer zählt zu den einflussreichsten Architekturhistorikern des 20. Jahrhunderts. Seine stark archäologisch geprägten Untersuchungen der frühchristlichen Basiliken Roms setzten ebenso neue Standards wie seine Gesamtdarstellung der Baukunst des östlichen Mittelmeerraums (1965), die von den Anfängen des christlichen Sakralbaus bis in die Spätzeit der byzantinischen Herrschaft reicht. Als weittragend erwies sich die von ihm begründete Methode der Architekturikonografie.
Lebensdaten
Geboren am 6. Juli 1897 in Fürth Gestorben am 1. November 1994 in Rom Grabstätte Cimitero Acattolico in Rom Konfession jüdisch -
Autor/in
→Ingo Herklotz (Marburg an der Lahn)
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Zitierweise
Herklotz, Ingo, „Krautheimer, Richard“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/120309521.html#dbocontent
Aus einer angesehenen jüdischen Kaufmannsfamilie in Fürth stammend, meldete sich Krautheimer nach dem Abitur im Juli 1916 freiwillig zum Kriegsdienst, den er bis November 1918 an der Westfront absolvierte. Im Wintersemester 1918/19 begann er, an der Universität München Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft zu studieren, wechselte aber mit dem Besuch von Vorlesungen bei Heinrich Wölfflin 1864–1945) und Paul Frankl (1878–1962) in das Fach Kunstgeschichte. Seit Wintersemester 1920/21 studierte er an der Universität Berlin bei Adolph Goldschmidt (1863–1944), im Sommersemester 1921 bei Richard Hamann (1879–1961) an der Universität Marburg an der Lahn, ehe er im Februar 1923 von Frankl an der Universität Halle an der Saale zum Dr. phil. promoviert wurde. Seine Dissertation zu den Kirchen der Bettelorden in Deutschland (1925) weist neben dem Einfluss Frankls v. a. den Kurt Gerstenbergs (1886–1968) auf, dessen Monografie „Deutsche Sondergotik“ (1915) Krautheimer um ihre Vorgeschichte erweiterte. Auch Gerstenbergs antifranzösische Polemik übernahm er in Ansätzen, die rassenpsychologische Komponente hingegen nicht.
1923/24 war Krautheimer Mitarbeiter bei der Inventarisierung von Baudenkmälern durch das Denkmalamt in Erfurt. Erste Kontakte mit dem Bauhaus in Weimar datieren aus dieser Zeit. Nach einer Studienreise durch Italien ließ sich Krautheimer in Frankfurt am Main nieder, wo er ein Buch über mittelalterliche Synagogen veröffentlichte (1927), mit dem er sich im August 1928 an der Universität Marburg an der Lahn bei Hamann für das Fach Kunstgeschichte habilitierte.
Von 1929 bis zum Sommersemester 1933 lehrte Krautheimer als Privatdozent an der Universität Marburg an der Lahn. Während dieser Zeit entstand ein fragmentarisch überliefertes Manuskript zur deutschen Baukunst von den Anfängen bis zur Gegenwart, das 1933 trotz eines bestehenden Verlagsvertrags nicht mehr gedruckt wurde. Die Darstellung überrascht durch das Geflecht internationaler Beziehungen, in denen Krautheimer die deutsche Architektur verortete; hier zeigt sich die wenig national geprägte Haltung Hamanns und seiner Schule.
Im Sommer 1933 ging Krautheimer für einen zweijährigen Forschungsaufenthalt nach Rom und führte an der Bibliotheca Hertziana die 1930/31 begonnene vollständige Erfassung der römischen Basiliken vom 4. bis zum 9. Jahrhundert weiter. Unter finanziellem Druck nahm er Anfang 1936 eine kunstgeschichtliche Lehrtätigkeit an der Universität in Louisville (Kentucky, USA) an, wo er das Department für Kunstgeschichte aufbaute. 1937 wechselte er an das Vassar College in Poughkeepsie (New York, USA), ehe er von 1952 bis 1971 als Wrightsman Professor am Institute of Fine Arts der New York University tätig war. In den USA forschte er zu dem in fünf Bänden vorgelegten Corpus der römischen Basiliken (1937–1977). Der in seinem Frühwerk stark wirkungsästhetisch und an Raumkonzepten orientierte Zugriff wich einer archäologischen, auf die Bestimmung einzelner Bauphasen abzielenden Analyse, die z. T. auf eigenen Grabungen beruhte.
Methodisch wegweisend wurden zwei 1942 erschienene Aufsätze, die sich mit der karolingischen Erneuerung der konstantinischen Basiliken Roms und der Architekturikonografie auseinandersetzen und auf seit 1927 entwickelten Überlegungen basierten. Beide Untersuchungen rückten baukünstlerische Rezeptionsphänomene in den Vordergrund. Krautheimers Architekturikonografie fragt nach dem Bedeutungsgehalt, der einzelnen Bautypen aufgrund ihrer historischen Verwendung zuwächst. Teile von Günter Bandmanns (1917–1985) wirkungsreicher Schrift „Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger“ (1951) und das während der 1980er Jahre in der bundesdeutschen Forschung aufkommende Theorem vom „Architekturzitat“ haben hier ihren Ursprung. Friedrich Wilhelm Deichmann (1909–1993) und die neuere Methodenkritik lehnten die Gleichsetzung von Form und Bedeutung hingegen ab.
1956 publizierte Krautheimer mit seiner Frau eine umfassende Biografie über Lorenzo Ghiberti (um 1378–1455). In diese floss Material aus einem heute verlorenen Manuskript von 1927 zur europäischen Skulptur zwischen 1360 und 1420 ein, wobei der stilgeschichtliche Ansatz durch ikonografische, soziologische und kunsttheoretische Aspekte erweitert wurde. 1965 erschien Krautheimers Gesamtdarstellung zur frühchristlichen Architektur des Mittelmeerraums und des byzantinischen Ostens bis zum Untergang des Oströmischen Reiches 1453, ein Buch, das zum Standardwerk an US-amerikanischen Universitäten wurde. Aus Krautheimers erfolgreicher Lehrtätigkeit in den USA gingen James S. Ackerman (1919–2016), Slobodan Ćurčić (geb. 1940), Dale Kinney (geb. 1943), Carol H. Krinsky (geb. 1937), Howard Saalman (1928–1995), Cecil L. Striker (geb.1932), Marvin Trachtenberg (geb. 1939) und Kathleen Weil-Garris Brandt (geb. 1934) als bekannteste Schülerinnen und Schülern hervor.
Auf Einladung der Max-Planck-Gesellschaft kehrte Krautheimer 1971 nach Rom zurück, wo er bis zu seinem Tod 1994 im Palazzo Zuccari, dem Sitz der Bibliotheca Hertziana, lebte und arbeitete. Hauptwerke dieser Spätzeit sind die Gesamtdarstellung der Kunst- und Baugeschichte Roms im Mittelalter (1980), der Band „Three Christian Capitals“ (1983) und die 1985 publizierte Untersuchung über Rom in der Zeit Papst Alexanders VII. (1599–1667), in der Krautheimers vormalige Fokussierung auf den Einzelbau zu ausgedehnten Urban Studies erweitert wird.
1958 | Mitglied der American Academy of Arts and Sciences |
1959 | Dr. h. c., Universität Louisville (Kentucky, USA) |
1963 | Mitglied der Medieval Academy of America |
1964 | Mitglied der British Academy |
1965 | Mitglied der American Philosophical Society |
1965 | auswärtiges wissenschaftliches Mitglied der Bibliotheca Hertziana, Rom |
1965 | Dr. h. c., Universität Frankfurt am Main |
1967 | Dr. h. c., Universität Marburg an der Lahn |
1968 | Cultori di Roma, Comune di Roma |
1968 | Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft |
1969 | Dr. h. c., Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana, Rom |
1973 | Premio Feltrinelli der Accademia Nazionale dei Lincei, Rom |
1973 | Mitglied der Pontificia Accademia Romana di Archeologia |
1975 | Dr. h. c., Universität Siena |
1977 | Mitglied der Accademia Nazionale dei Lincei, Rom |
1978 | Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1984 | Dr. h. c., Universität Freiburg im Breisgau |
1990 | Dr. h. c., Universität Rom „La Sapienza“ |
1994 | Ehrenbürger der Stadt Rom |
Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts, Rom | |
Richard-Krautheimer-Professur, Bibliotheca Hertziana, Rom |
Nachlass:
Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin. (weiterführende Informationen)
Weitere Archivmaterialien:
Universitätsarchiv Marburg an der Lahn, 305a, Nr. 3509 (Rektor, Personalakte Richard Krauthammer, 1928–1936) u. 307d, Nr. 2455. (Fakultät, Habilitationsakte, Personalakte Richard Krautheimer, 1928–1938)
Bodleian Library Oxford, Archiv der Society for the Protection of Science and Learning, Ms. 189, 1-2. (Korrespondenzen Richard Krautheimers)
Autobiografische Quelle:
Richard Krautheimer, Anstatt eines Vorworts, in: ders., Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Kunstgeschichte, hg. v. Ekkehard Kaemmerling, 1988, S. 7–37.
Monografien:
Die Kirchen der Bettelorden in Deutschland, 1925, Neuaufl. 2000. (Diss. phil.)
Mittelalterliche Synagogen, 1927, hebr. 1994. (Habilitationsschrift) (Onlineressource)
Geschichte der deutschen Baukunst des Mittelalters (1932), hg. v. Ingo Herklotz, in: ders., Richard Krautheimer in Deutschland. Aus den Anfängen einer wissenschaftlichen Karriere 1925–1933, 2021, S. 464–559.
Corpus Basilicarum Christianarum Romae. The Early Christian Basilicas of Rome (IV-IX Cent.), 5 Bde., 1937–1977, ital. 1937–1980. (Hg.) (Onlineresource)
Richard Krautheimer/Trude Krautheimer-Hess, Lorenzo Ghiberti, 1956, 21970, 31982, 2019.
Early Christian and Byzantine Architecture, 1965, 41989, ital. 1985. (Onlineressource)
Rome. Profile of a City, 312–1308, 1980, dt. u. d. T. Rom. Schicksal einer Stadt 312–1308, 1987, 32004, ital. 1981, franz. 1999, engl. 2000. (Onlineressource)
Three Christian Capitals. Topography and Politics, 1983.
The Rome of Alexander VII, 1655–1667, 1985.
St. Peter’s and Medieval Rome, 1985.
Aufsätze:
Introduction to an „Iconography of Medieval Architecture”, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 5 (1942), S. 1–33.
The Carolingian Revival of Early Christian Architecture, in: The Art Bulletin 24 (1942), S. 1–38.
Studies in Early Christian, Medieval and Renaissance Art, 1969, 1971, dt. u. d. T. Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Kunstgeschichte, hg. v. Ekkehard Kaemmerling, 1988, 2003, ital. 1993.
Aufsätze, Beiträge und Monografien:
Horst Gemeinhardt, Die Stifterfamilie Krautheimer und ihr „Werk“, die Krautheimerkrippe in der Maistraße, in: Werner J. Heymann (Hg.), Kleeblatt und Davidstern. Aus 400 Jahren jüdischer Vergangenheit in Fürth, 1990, S. 214–229.
Kevin Parker, Die Kunstgeschichte und das Exil. Richard Krautheimer und Erwin Panofsky, in: Stephanie Barron/Sabine Eckmann (Hg.), Exil. Flucht und Emigration europäischer Künstler 1933–1945, 1997, S. 317–325.
Karen Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft. Deutschsprachige Kunstwissenschaft im amerikanischen Exil, 1999, S. 27, 71, 102 u. 128 f. (Qu, P)
Ulrike Wendland, Art. „Krautheimer, Richard“, in: dies. (Hg.), Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, Bd. 1, 1999, S. 377–386. (Qu)
Federico Guidobaldi/Alessandra Guiglia Guidobaldi (Hg.), Ecclesiae Urbis. Atti del congresso internazionale di studi sulle chiese di Roma (IV-X secolo), Bd. 1, 2002, S. 1–75.
Dale Kinney, Richard Krautheimer at the Institute of Fine Arts, in: John W. Barker (Hg.), Pioneers of Byzantine Studies in America, 2002, S. 175–195.
Wolfgang Schenkluhn, Richard Krautheimer und die Architektur der Bettelorden, in: Hallesche Beiträge zur Kunstgeschichte 5/6 (2004), S. 83–92.
Martin Dennert, Art. „Richard Krautheimer“, in: Stefan Heid/Martin Dennert (Hg.), Personenlexikon zur christlichen Archäologie. Forscher und Persönlichkeiten vom 16. bis zum 21. Jahrhundert, Bd. 2, 2012, S. 761–764. (Qu)
Ingo Herklotz, Richard Krautheimer in Deutschland. Aus den Anfängen einer wissenschaftlichen Karriere 1925–1933, 2021. (Qu, W, L, P)
Festschriften:
Cecil L. Striker/James S. Ackerman (Hg.), Architectural Studies in Memory of Richard Krautheimer, 1996.
Renate L. Colella/Meredith J. Gill/Lawrence A. Jenkens/Petra Lamers (Hg.), Patrum Romanum. Richard Krautheimer zum 100. Geburtstag, 1997. (P)
Julian Kliemann (Red.), In Memoriam Richard Krautheimer. Relazioni della giornata di studi, 1997. (P)
Fotografie, ca. 1930, Bibliotheca Hertziana, Rom, Abbildung in: Ingo Herklotz, Richard Krautheimer in Deutschland. Aus den Anfängen einer wissenschaftlichen Karriere 1925–1933, 2021, S. 113.
Fotografie v. F. Schlechter, ca. 1985, Warburg Archiv, Hamburg, Abbildung in: Karen Michels, Transplantierte Kunstwissenschaft. Deutschsprachige Kunstwissenschaft im amerikanischen Exil, 1999, S. 247.
Fotografie, ca. 1985, Archiv der Polska Akademia Umiejętności, Kraków. (Onlineressource)