Koppers, Wilhelm
- Lebensdaten
- 1886 – 1961
- Geburtsort
- Rill bei Xanten
- Sterbeort
- Wien
- Beruf/Funktion
- Ethnologe ; Indologe ; Priester ; Regisseur ; Wissenschaftler ; Filmproduzent
- Konfession
- römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 116339012 | OGND | VIAF: 27161335
- Namensvarianten
-
- Koppers, Wilhelm
- Koppâsu, W.
- Koppers, Guglielmo
- Koppers, P. W.
- Koppers, W.
- Koppers, Wilh.
- Coppers, Wilhelm
- Coppâsu, W.
- Coppers, Guglielmo
- Coppers, P. W.
- Coppers, W.
- Coppers, Wilh.
Vernetzte Angebote
- * Antragsstellende der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft/Deutschen Forschungsgemeinschaft (GEPRIS Historisch – Forschungsförderung von 1920 bis 1945) [2021]
- Video Portraits for the Federal German Anthropology post 1945 [2014-]
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- Video Portraits for the Federal German Anthropology post 1945 [2014-]
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Verknüpfungen
Personen im NDB Artikel
- Adolf Portmanns (1897–1982)
- Christoph von Fürer-Haimendorf (1909–1995)
- Clyde Kluckhohn (1905–1960)
- Douglas L. Oliver (1913–2009)
- Fritz Flor (1905–1939)
- Helmut Petri (1907–1986)
- Josef Haekel (1907–1973)
- Leopold von Schroeder (1851–1920)
- Lucien Lévy-Bruhls (1857–1939)
- Martin Gusinde (1886–1969)
- Masao Oka (1898–1982)
- Otto Schraders (1855–1919)
- Paul Kretschmer (1866–1956)
- Rolf von Ehrenfels (1901–1980)
- Rudolf Pöch (1870–1921)
- Stefan Fuchs (1908–2000)
- Wilhelm Schmidt (1868–1954)
Orte
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Koppers, Wilhelm
1886 – 1961
Ethnologe, Indologe
Wilhelm Koppers wurde v. a. durch Feldforschungen in Südamerika und Zentralindien bekannt und war 1929 Gründer des Instituts für Völkerkunde an der Universität Wien, das er mit Ausnahme der NS-Zeit (1938–1945) bis 1957 leitete. Unter seiner Ägide entwickelte sich das Institut zu einem der wichtigsten Zentren der Ethnologie in Europa.
Lebensdaten
Geboren am 8. Februar 1886 in Rill bei Xanten Gestorben am 23. Januar 1961 in Wien Grabstätte Friedhof Missionshaus St. Gabriel in Mödling bei Wien Konfession römisch-katholisch -
Autor/in
→Peter Rohrbacher (Wien)
-
Zitierweise
Rohrbacher, Peter, „Koppers, Wilhelm“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116339012.html#dbocontent
Koppers entstammte sehr einfachen Familienverhältnissen, besuchte die Volksschule in Menzelen bei Xanten und erhielt seit 1899 Privatunterricht in Latein und Französisch. Von April 1901 bis Juni 1905 absolvierte er das Gymnasium in der Gesellschaft des Göttlichen Wortes im niederländischen Steyl (Steyler Missionare). Nach dem Abitur studierte Koppers Katholische Theologie, Philosophie und Völkerkunde am Missionshaus St. Gabriel in Mödling bei Wien, wo Wilhelm Schmidt (1868–1954) zu seinem wichtigsten Mentor wurde. Im September 1911 in der Missionskirche in St. Gabriel zum katholischen Priester geweiht, studierte Koppers anschließend für ein Jahr am Päpstlichen Collegium Angelicum sowie am Bibelinstitut in Rom. Seit 1913 gehörte er der Redaktion der ethnologisch-linguistischen Zeitschrift „Anthropos“ an und studierte von 1914 bis 1917 an der Universität Wien Anthropologie und Ethnographie bei Rudolf Pöch (1870–1921), Indologie bei Leopold von Schroeder (1851–1920) und Allgemeine Sprachwissenschaft bei Paul Kretschmer (1866–1956). Im Juni 1917 wurde er bei Pöch mit der Dissertation „Die ethnologische Wirtschaftsforschung. Eine historisch-kritische Studie“ zum Dr. phil. promoviert.
Seine erste Forschungsreise führte Koppers 1921/22 nach Feuerland, wo er und sein Mitbruder Martin Gusinde (1886–1969) bei den Yámana (auch Yagan) an einer Jugendweihe sowie an einer Zeremonie für erwachsene Männer teilnahmen und als erste Europäer in diesen indigenen Volksstamm aufgenommen wurden. Die Publikation der Forschungsergebnisse, v. a. die Einblicke in das Geistesleben der Yámana, machten Koppers und Gusinde als Ethnologen schlagartig international bekannt. 1924 habilitierte sich Koppers an der Universität Wien mit einem wirtschaftsethnologischen Thema, nahm im selben Jahr die österreichische Staatsbürgerschaft an und wurde 1928 zum außerordentlichen Professor für Völkerkunde ernannt.
Als 1929 an der Universität Wien das Institut für Völkerkunde gegründet wurde, übernahm Koppers dessen Leitung und erhielt Anfang 1935 eine ordentliche Professur. Er formte das Institut zu einem der bedeutendsten Zentren der Ethnologie in Europa, an dem bis 1938 u. a. die späteren Professoren Clyde Kluckhohn (1905–1960), Masao Oka (1898–1982), Douglas L. Oliver (1913–2009) und Helmut Petri (1907–1986) studierten. Koppers zählte zu den Initiatoren des ersten internationalen Kongresses für Anthropologie und Ethnologie 1934 in London, gehörte dessen Conseil permanent an und war von 1934 bis 1961 einer der Vizepräsidenten der International Union of Anthropological and Ethnological Sciences.
Koppers trat seit 1929 mit Forschungen zur Religionsgeschichte der Indoeuropäer hervor, in denen er sprachwissenschaftliche Theorien Otto Schraders (1855–1919) aufgriff, der den Ursprung der Indoeuropäer in den Steppen Südrusslands verortet hatte. In seiner Studie „Pferdeopfer und Pferdekult der Indogermanen“ (1936) stärkte Koppers die sog. Ostthese und leistete damit aus ethnologischer Sicht einen Beitrag gegen die völkisch-nationalsozialistische Behauptung einer Herkunft der Arier aus Nordeuropa. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an den NS-Staat wurde Koppers im April 1938 auf Weisung des Unterrichtsministeriums als Professor der Universität Wien entlassen und absolvierte 1938/39 eine u. a. von der Rockefeller Foundation (New York City) finanzierte Forschungsreise nach Zentralindien, wo er über die indigene Volksgruppe der Bhil forschte und diese als vorarische Jäger- und Sammlergruppe deutete. Von 1940 bis 1945 hielt sich Koppers in Froideville bei Freiburg (Schweiz) auf, wo er am Anthropos-Institut sein Feldforschungsmaterial aus Zentralindien auswertete und veröffentlichte.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Koppers nach Wien zurück und übernahm im Dezember 1945 wieder seinen Lehrstuhl und die Leitung des Instituts für Völkerkunde, die er bis zu seiner Emeritierung im September 1957 innehatte. 1949 veröffentlichte er mit „Der Urmensch und seine Weltanschauung“ seine bedeutendste Monografie. Das Werk verbindet Ergebnisse von Koppers Feldforschungen mit Fragen des menschlichen Ursprungs und des Urmonotheismus. Die Bedeutung des Buchs, das in fünf Sprachen übersetzt wurde, liegt in dem theologisch geprägten Ansatz, den Menschen als von Anfang an mit Religion, Sprache und Kultur ausgestattet anzusehen. Aufbauend auf den biologischen Ansätzen Adolf Portmanns (1897–1982) lehnte Koppers den radikalen Darwinismus ebenso ab wie Lucien Lévy-Bruhls (1857–1939) Theorie des „prälogischen Denkens“ beim Urmenschen.
Von der Kulturkreislehre seines Mitbruders und Förderers Schmidt, die kulturelle Vielfalt als Resultat kulturhistorischer Prozesse der Migration von Völkern und der Verbreitung kultureller Merkmale deutete, distanzierte sich Koppers seit Anfang der 1930er Jahre zunehmend. Da einzelne Kulturkreise nicht mit archäologischen Befunden in Einklang gebracht werden konnten, verwarf er das Kulturkreissystem nach Schmidts Tod vollständig, hielt jedoch an der kulturhistorischen Methode der Ethnologie sowie an dem Glauben, einen „ethnologischen Gottesbeweis“ auf empirischer Grundlage erbringen zu können, zeitlebens fest.
In seiner rund 30jährigen Lehrtätigkeit betreute Koppers über einhundert Dissertationen. Zu seinen Schülern zählen u. a. Rolf von Ehrenfels (1901–1980), Fritz Flor (1905–1939), Josef Haekel (1907–1973) und Christoph von Fürer-Haimendorf (1909–1995). Koppers’ Feldforschungen in Zentralindien haben das Institut für Völkerkunde in Wien auch nach seinem Tod anhaltend geprägt. Sein Schüler und Mitbruder Stefan Fuchs (1908–2000) gründete 1950 das Institute of Indian Culture in Bombay (heute Mumbai), das bis in die 1970er Jahre als Ausbildungsstätte für Doktoranden in Wien diente.
1916 | Mitglied der Anthropologischen Gesellschaft, Wien (1946–1959 erster Vizepräsident) |
1946 | korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien |
1946 | Mitglied der Kommission für primitive Sprachen und Kulturen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (1956–1961 Obmann) |
1951 | wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien |
Mitglied der Wiener Sprachgesellschaft | |
Mitglied der Wiener Katholischen Akademie | |
Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Anthropologie und Ethnologie (heute Schweizerische Ethnologische Gesellschaft) | |
Mitglied der Comité d'honneur des Etudes de l'Indo-Pacifique, Paris | |
korrespondierendes Mitglied der Société Finno-Ougrienne, Helsinki | |
Mitglied der Société des Américanistes, Paris | |
Mitglied der Sociedad Argentina de Antropologia, Buenos Aires | |
Auswärtiges Mitglied der American Anthropolocial Association | |
Mitglied des Conseil de la philosophie et des sciences humaine, UNESCO | |
2014 | Gedenktafel am Geburtshaus, Alte Straße 55, Menzelen bei Xanten |
Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Silber (postum) |
Nachlass:
Archivum Generale, Societas Verbi Divini, Rom.
Weitere Archivmaterialien:
Archiv der Universität Wien, RH RA 4370 (Rigorosenakt); PH PA 2.417 (Personalakt).
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 58 / 7268.
Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Wien, BMfI, GA 2.552 „Gauakt“.
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Akt 2.5.1.4.K11.
Monografien und Aufsätze:
Die ethnologische Wirtschaftsforschung. Eine historisch-kritische Studie, 1917. (Diss. phil.)
Die Anfänge des menschlichen Gemeinschaftslebens im Spiegel der neuern Völkerkunde, 1921.
Unter Feuerland-Indianern. Eine Forschungsreise zu den südlichsten Bewohnern der Erde mit M. Gusinde, 1924.
Die menschliche Wirtschaft, in: Wilhelm Schmidt/Wilhelm Koppers (Hg.), Der Mensch aller Zeiten, Bd. 3, 1924, S. 375–682. (Habilitationsschrift)
Gottesglaube und Gebete der Yamana auf Feuerland, 1926.
Was ist und was will die völkerkundliche Universalgeschichte?, in: Historisches Jahrbuch 52 (1932), S. 40–55.
Pferdeopfer und Pferdekult der Indogermanen. Eine ethnologisch-religionswissenschaftliche Studie, in: Wilhelm Koppers (Hg.), Die Indogermanen- und Germanenfrage. Neue Wege zu ihrer Lösung, 1936, S. 279–411.
Probleme der indischen Religionsgeschichte. Ein Beitrag zu den Fragen der weiblichen Gottheiten, des Śaktismus und Mutterrechtes, des Schamanen- und Zauberwesens und des Hinduismus, in: Anthropos. Internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachenkunde 35/36 (1940/41), S. 761–814.
Urtürkentum und Urindogermanentum im Lichte der völkerkundlichen Universalgeschichte, in: Belleten 20 (1941), S. 483–525. (Onlineressource)
Geheimnisse des Dschungels. Eine Forschungsreise zu den Primitivstämmen Zentral-Indiens 1938/39, 1947.
Die Bhil in Zentralindien, 1948, engl. 1958.
Der Urmensch und sein Weltbild, 1949, engl. 1952, ital. 1953, portug. 1954, schwed. 1955, japan. 1957.
Der historische Gedanke in Ethnologie und Religionswissenschaft, in: Franz König (Hg.), Christus und die Religionen der Erde, 1951, S. 75–110.
Grundsätzliches und Geschichtliches zur ethnologischen Kulturkreislehre, in: Emil Breitinger (Hg.), Beiträge Österreichs zur Erforschung der Vergangenheit und Kulturgeschichte der Menschheit mit besonderer Berücksichtigung Mitteleuropas, 1959, S. 110–126.
Herausgeber von Fachzeitschriften und Serien:
Anthropos. Internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachenkunde, 1923–1931.
Wiener Beiträge zur Kulturgeschichte und Linguistik, 13 Bde., 1930–1961.
Acta Ethnologica et Linguistica, 1950–1961.
Bibliografie:
Ferdinand Anders, Prof. P. Wilhelm Koppers SVD Bibliographie, in: Wiener völkerkundliche Mitteilungen 12 (1965), S. 1–17.
Arnold Burgmann, Professor Dr. Wilhelm Koppers SVD, in: Anthropos. Internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachenkunde 56 (1961), S. 721–736. (P)
Christoph von Fürer-Haimendorf, Obituary: Wilhelm Koppers. 1886–1961, in: Man. The Journal of the Royal Anthropological Institute 167 (1961), S. 140. (P)
Josef Haekel, Professor P. Wilhelm Koppers, in: Wiener Völkerkundliche Mitteilungen 9 (1961), S. 1–12.
Robert (von) Heine-Geldern, Nachruf Wilhelm Koppers, in: Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 111 (1962), S. 347–364. (umfasst die falsche Behauptung, Koppers entstamme einer „wohlhabenden Familie von Wirtschaftsbesitzern“)
Joseph Henninger, Professor P. Wilhelm Koppers S.V.D. Biographische Skizze und Würdigung seines wissenschaftlichen Lebenswerkes, in: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 91 (1961), S. 1–14.
Louis J. Luzbetak, Father Wilhelm Koppers, S.V.D., in: Anthropological Quarterly 34 (1961), Nr. 3, S. 164.
Peter Rohrbacher, Pater Wilhelm Koppers im Exil, 1938–1945, in: Andre Gingrich/Peter Rohrbacher (Hg.), Völkerkunde zur NS-Zeit aus Wien (1938–1945). Institutionen, Biographien und Praktiken in Netzwerken, 2021, S. 1489–1528.